Bär-Apotheke in Bernburg Bär-Apotheke in Bernburg : Pharmazie liegt hier in der Familie

Bernburg - Ein goldener Lorbeerkranz ziert das Schaufenster. Mitten drin im „olympischen Hain“ steht die Zahl 120. Am 1. Dezember 1895 wurde die Bär-Apotheke von Alwin von Wahl aus der Taufe gehoben.
Damals hatte die Herzogliche Regierung folgende Ausschreibung veröffentlicht: „Nachdem die Einwohnerzahl von Bernburg auf fast 34.000 angestiegen ist, können die vorhandenen Apotheken nicht mehr als ausreichend erachtet werden.“
Von Wahl erhielt den Zuschlag und führte die Einrichtung bis zu seinem Tod im Jahr 1903. Bis März 1907 wurde die Apotheke noch von seiner Familie verwaltet und ging dann in den Besitz von Eduard Stößel über.
Der am 8. Januar 1911 in Königsberg geborene Ulrich Wollmann hatte vor 75 Jahren, am 1. Januar 1942 die Apotheke gepachtet. Die nötigen finanziellen Mittel, um sich eine zu kaufen, hatte der Ostpreuße damals nicht.
Bis zur Wende gab es nur vier Apotheken
„Bis zur Wende gab es in Bernburg nur vier Apotheken, die Grüne, die Rote, die Blaue und die Bär-Apotheke, die nach dem Bernburger Wappentier benannt ist“, erzählt dessen Sohn, der 68-jährige Peter Wollmann, der im Haus am Clara-Zetkin-Platz nicht nur sein ganzes Leben lang gearbeitet hat, sondern dort auch aufgewachsen ist.
Sein Vater Ulrich hatte bis zu seinem Lebensende am 19. August 1994 jeden Tag die Kundschaft bedient.
Die Pharmazie liegt der alteingesessenen Bernburger Familie im Blut. Nach Großvater Ulrich Wollmann zog es auch Sohn Peter und Enkel Jörg in diese Branche.
Beide studierten an der Martin-Luther-Universität in Halle diese Wissenschaft. Peter Wollmann lernte während seines Studiums auch seine spätere Frau Rosemarie kennen, die aus Mücheln stammt, jedoch mit ihrem Ehemann in die Saalestadt zog.
Sowohl Vater als auch Sohn hatten mit Professor Peter Nuhn und Günter Peinhardt die gleichen Dozenten an Universität.
Geschäft ist in dritter Generation
„Mein Vater hat nicht darauf gedrungen, dass ich Pharmazie studiere. Das wollte ich schon immer selbst machen“, sagt der 41-jährige Jörg Wollmann, der praktisch nun in der dritten Generation die Geschäfte führt und dessen vier Jahre jüngere Schwester Annett als Apothekerin in der Krankenhaus-Apotheke des Ameos-Klinikums tätig ist.
Von 1949 bis zur Wende war die Bär-Apotheke eine staatliche Einrichtung, dessen Leitung Peter Wollmann am 1. Juni 1979 von seinem Vater übernahm.
„Mit der Wende bot sich plötzlich die Gelegenheit, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Die spannende und von vielen Veränderungen geprägte Zeit haben wir auch dank unserer zuverlässigen Mitarbeiter hervorragend gemeistert“, so Peter Wollmann, der sich mit seinem Vater auf viele neue Dinge einstellen musste.
Plötzlich gab es 80.000 Medikamente
Standen vor der Wiedervereinigung 2.000 Arzneimittel zur Verfügung, so waren es danach sage und schreibe 80 000 Medikamente. Zu DDR-Zeiten gab es alle zwei Wochen eine Warenlieferung. Manchmal dauerte die Wartezeit für bestimmte Präparate auch mal über einen Monat.
Plötzlich belieferte der Großhandel die Apotheke sogar dreimal am Tag. „Wenn wir morgens ein Medikament bestellen, ist es am Nachmittag da“, so Peter Wollmann.
Die Bär-Apotheke bezieht auch Medikamente aus dem in Bernburg ansässigen Serumwerk.
„Pulmotin und Pyolysin, eine Wund- und Heilsalbe, sind nach wie vor Renner“, meinte Jörg Wollmann, der mit seiner Lebenspartnerin Angelique, die in der Nienburger Grundschule als Lehrerin arbeitet, und dem fünfjährigen Töchterchen Klara direkt über der Apotheke neben seinem Vater Peter wohnt.
„Wir haben kurze Wege. Wenn meine Frau und ich einmal beruflich sehr eingespannt sind, sind für Klara Oma und Opa gleich in der Nähe“, sagte Jörg Wollmann. Klar, dass Rosemarie und Peter Wollmann die Zeit mit ihren Enkeln genießen.
Ausspannen in den Bergen
Wenn die Arbeit einmal hinten ansteht, geht es in die Berge. „Dank der B 6n hat sich der Weg in den Harz für uns erheblich verkürzt. In unserem Jahresurlaub geht es in der Regel an die Ostsee auf Fahrradtour“, so Jörg Wollmann, der demnächst eine Veränderung im Schaufenster vornehmen wird.
„Unsere Apotheke ist nun schon 121 Jahre alt. Der Lorbeerkranz mit der 120 wird in naher Zukunft verschwinden.“ Die Bär-Apotheke aber mit Sicherheit nicht.
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Läden eröffnen, wechseln den Besitzer oder ihren Standort, sie schließen wieder. Und doch gibt es sie noch - die Traditionsgeschäfte in der Region, die teilweise sogar verschiedenste Gesellschaftsformen mit- und überlebt haben. In Bernburg mehr als in den umliegenden Kleinstädten und Dörfern, die aufgrund der niedrigen Kaufkraft noch viel mehr mit der wachsenden Konkurrenz aus dem Internet zu kämpfen haben. Aber eben nicht jede Dienstleistung und jedes Produkt lässt sich heutzutage mit einem Mausklick online nach Hause bestellen. Was wäre das für ein Leben ohne Bäcker, Fleischer, Friseure, Modeboutique, Optiker oder Tabakhändler vor Ort?
Die MZ wird in der neuen Serie „Unsere Schaufenster“ einmal wöchentlich Geschäfte im Altkreis Bernburg vorstellen, die mindestens ein Jubiläum gefeiert haben, die es also schon 25 Jahre und länger gibt. (mz)
