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Arbeitsmarkt in Bernburg Arbeitsmarkt in Bernburg: Handicap spielt keine Rolle

Von Susanne Thon 06.12.2013, 16:20
Steve Schiller (rechts) und sein Chef Sandy Grimm sind ein eingespieltes Team.
Steve Schiller (rechts) und sein Chef Sandy Grimm sind ein eingespieltes Team. engelbert pülicher Lizenz

Bernburg/MZ - Sandy Grimm und Steve Schiller haben sich gesucht und gefunden: Grimm, selbstständiger Computerfachmann in Bernburg, bezeichnet Schiller, den er seit etwas mehr als zwei Jahren beschäftigt, als eines der besten Pferde im Stall. Schiller macht die Lohnabrechnungen. Er schmeißt das Ladengeschäft am Karlsplatz, kann gut mit den Kunden und ist ein technisch versierter Mann. „Ich hätte den Laden vermutlich gar nicht eröffnet, wenn ich ihn nicht hätte“, sagt Grimm. „Steve ist ein Glücksgriff.“ Ohne Wenn und Aber. Seine körperliche Beeinträchtigung - egal. „Für mich war wichtig: Was kann er? Und stimmt die Chemie?“, erklärt Grimm.

Einer wie alle

Im seinem Unternehmen Grimm EDV-Systeme an der Friedensallee wird Inklusion - die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung - gelebt. Zwei der sieben Mitarbeiter haben ein Handicap. Schiller ist von Geburt an gehbehindert und hat Fehlstellungen an den Händen. Mit 4.500 Euro förderte die Agentur für Arbeit deshalb das Unternehmen. Ein behindertengerechter Arbeitsplatz für Schiller wurde eingerichtet. „Die Förderung hilft“, sagt Grimm. Sie mache das Ganze einfacher, sei aber nicht ausschlaggebend dafür gewesen, Schiller einzustellen: „Förderung hin, Behinderung her - er passt einfach in mein Unternehmen. Und ich merke nicht, dass er eingeschränkt ist. Er ist voll integriert und wird akzeptiert.“ Nach Feierabend trifft man sich manchmal auf ein Bier, und auch als die ganze Mannschaft unlängst mal Paintball gespielt hat, war Schiller mit von der Partie.

Ehrgeiziger Praktikant

Der 29-Jährige ist glücklich, einen Job gefunden zu haben, der ihn erfüllt und fordert, und kniet sich in die Arbeit. „Ich bin durch viele Praktika gegangen, war immer voll dabei, um zu zeigen, was ich kann, um mich zu beweisen“, sagt der Bernburger, denn „ich brauche Action.“ Die gab es nicht immer: „Ich hatte auch schon einen Job, in dem ich mich total unterfordert gefühlt habe“, räumt er ein. Bevor der gelernte Sport- und Fitnesskaufmann, der sich das Technische selbst beibrachte, zu Grimm kam, war er arbeitslos. Er absolvierte zunächst ein Praktikum, überzeugte und bekam die Möglichkeit, den Job einer Mitarbeiterin zu übernehmen, die zum damaligen Zeitpunkt kurz vor der Rente stand. Schiller fuchste sich auch in die Aufgaben in der Lohnbuchhaltung rein. Seinen Ehrgeiz schätzt der Chef. Überhaupt seien Menschen mit Behinderung ehrgeiziger. „Sie bekommen nicht so viele Chancen im Leben. Und die, die sie kriegen, nutzen sie“, so Grimm, der zwar Betriebe kennt, in denen Gehandicapte arbeiten, aber auch die Zahlen, herausgegeben von der Agentur für Arbeit, sind ihm geläufig.

Ab in die Mitte

Gegenwärtig sind im Salzlandkreis 335 Schwerbehinderte arbeitslos und die Schwerbehindertenquote in den Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern liegt im Schnitt bei gerade mal 3,3 Prozent. „Es gibt also noch viel zu wenig Arbeitsplätze für Behinderte“, sagt Heike Wunschik, Sprecherin bei der Agentur für Arbeit in Bernburg, die gerade eine Aktionswoche - die nunmehr dritte - durchgeführt hat. „Ein Stück weit wollen wir Arbeitgeber damit ermuntern, sich mit dem Thema zu befassen und auch an uns heranzutreten.“ Ob es um die Einrichtung des Arbeitsplatzes gehe oder andere Hilfsmittel - die Agentur, zu der auch ein technischer Beratungsdienst gehört, könne da unterstützen. „Menschen mit Behinderungen gehören in die Mitte der Gesellschaft und der Arbeitswelt. Sie sind ein wichtiges Potenzial zur Fachkräftesicherung“, ist Raik Ertelt, Geschäftsführer Operativ der Agentur für Arbeit Bernburg, zudem überzeugt.