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Zeitgeschichte in Aschersleben Zeitgeschichte in Aschersleben: Ein langer Weg

Von Marko Jeschor 10.08.2014, 16:36
Weiße Rosen wurden an die Stolpersteine gelegt.
Weiße Rosen wurden an die Stolpersteine gelegt. Thomas Tobis Lizenz

Aschersleben/MZ - Als hätte es eines Beweises gebraucht, wie wichtig das Engagement des Arbeitskreises „Geschichte jüdischer Mitbürger in Aschersleben“ ist. Gerade waren sieben Stolpersteine in der Straße Über den Steinen in den Fußweg verlegt, da kam zufällig ein junges Paar vorbei. Zwar blieben die abfälligen Bemerkungen des Mannes zum Schicksal der Juden während der Zeit des Dritten Reiches von den meisten ungehört, doch es zeigt: Die Gesellschaft darf bei der Aufklärung über das Unfassbare auch fast 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs nicht nachlassen.

Fast ein Dreivierteljahr nach der jüngsten Verlegung von Stolpersteinen für die Familie Gerson, trafen sich am vergangenen Sonnabend die Mitglieder des Arbeitskreises sowie Vertreter der Stadtverwaltung, der Fachhochschule der Polizei und weitere Geschichtsinteressierte in Ascherslebens Innenstadt, um den jüdischen Familien Tworoger, Singer und Schwabe zu gedenken. Denn vielen Mitgliedern der beiden Familien erging es wie so vielen Juden in Deutschland damals, wie die über ein Jahr andauernden Recherchen des Arbeitskreises ergaben. Entweder mussten sie ihre Heimat verlassen oder sie kamen um.

Allein diesmal wurden 14 Stolpersteine vor den ehemaligen Wohnhäusern der Familien verlegt. Die einzelnen Namen sind auf den Messingplatten vor den Häusern Hinter dem Turm 1 und Über den Steinen 33 verewigt. Damit wuchs die Zahl der Stolpersteine in Aschersleben auf insgesamt 34. Die hatte wie immer der Kölner Bildhauer Gunter Demnig verlegt, während Lars Bremer und andere Mitglieder des Arbeitskreises über das Leben der beiden Familien berichteten. Soweit sie denn die Informationen zusammentragen konnten.

„Wir setzen Puzzle-Teil für Puzzle-Teil zusammen, am Ende steht im besten Fall eine Biografie. Manchmal sind es aber nur zwei Fakten“, gab Bremer einen Einblick in die zurückliegenden Monate. Sie nutzten dafür unterschiedliche Quellen. Viele Informationen finde man mittlerweile im Internet, häufig frage man in Stadt-, Landes- und Bundesarchiven an, so Bremer. Auch an die bedeutende Gedenkstätte Yad Vashem in Israel oder an Hinterbliebene wenden sich die Mitglieder. In jedem Fall sei es aber ein langer Weg.

Den nahm übrigens auch Rafael Helft auf sich. Der 83-Jährige reiste erneut aus Tel Aviv an, um bei der Verlegung dabei zu sein. Er ist ein Enkel von Alice Crohn vom gleichnamigen Kaufhaus, das es früher in der Breiten Straße gab. Dort fand Ludwig Tworoger (siehe „Deportation nach Warschau“) nach 1936 eine Anstellung. Helft sagte, er spüre, dass vor allem bei den älteren Israelis die Wunden noch groß seien. Er warnte vor dem Vergessen. „Wer die Geschichte nicht kennt, ist gezwungen, sie zu wiederholen.“

Pfarrerin Anne Bremer schlug zum Abschluss den Bogen in die Gegenwart. Mit diesen Steinen solle an die Gräueltaten erinnert werden. Denn: „Die Steine erzählen ein Leben, das andere für nicht lebenswert hielten.“ Es gebe aber leider noch immer Orte in der Welt, wo ganze Völker ermordet werden.