Studium an der Fachhochschule Polizei Studium an der Fachhochschule Polizei: Zarte Hand an der Waffe

aschersleben/MZ - Der Laie würde Schlagstock sagen. Im Polizistenjargon heißt er sperrig EMS: Einsatzmehrzweckstock. Ausbilder Mike Franzelius zeigt den Studenten, wie er eingesetzt wird in einer Situation, die für die Polizisten im Einsatz gefährlich werden könnte. „Der Stock ist und bleibt eine Waffe“, schärft er den jungen Männern und Frauen ein. „Verhältnismäßigkeit und Rechtmäßigkeit müssen gewährleistet sein, wenn sie eingesetzt wird.“ In der Hand der schlanken Sissy Grathenauer, die etwas ungelenk auf ein dickes Polster am Arm ihrer Mitstudentin Franziska einschlägt und so die verschiedenen Handhabungen übt, wirkt der Stock seltsam deplatziert. Es ist ihr anzumerken, dass sie sich nicht wohlfühlt beim Training. „Ich mag Schlagstock nicht“, gibt sie später dann auch zu. In einer Hundertschaft Dienst zu tun, kann sie sich nicht vorstellen. „Ich bin froh, wenn ich das Praktikum im November überstanden habe“, sagt sie ehrlich.
Sissy Grathenauer ist 25 Jahre alt und kommt aus Haldensleben. Die junge Frau studiert seit Februar an der Fachhochschule Polizei in Aschersleben und möchte Polizeikommissarin werden.
Das Studium dauert drei Jahre. Bis die junge Frau ihr Ziel erreicht hat, wird sie genau wie ihre Kommilitonen einige Hürden nehmen müssen: Tests, Prüfungen, praktische Ausbildung, viel Sport, Praktika in verschiedenen Dienststellen.
Die MZ darf die Studentin über drei Jahre begleiten, wird Anteil nehmen an Erfolgen und Rückschlägen und wird bei wichtigen Höhepunkten dabei sein. In Abständen werden wir berichten.
Mit der Serie möchten wir zeigen, was einen Polizisten heute ausmacht, welche Anforderungen an ihn gestellt werden und wie sich auch die Fachhochschule auf veränderte Bedingungen einstellen muss. Außerdem möchten wir einen kleinen Einblick gewähren in den Ausbildungsalltag an einer renommierten Einrichtung in Aschersleben, die den Polizistennachwuchs für das Land ausbildet.
An der Fachhochschule wird der Studiengang „Polizeivollzugsdienst“ (BA) angeboten. Das Studium dauert sechs Semester und enthält einschließlich der Trainings 21 Module. In der Zeit werden vier Theorie- und zwei Praxissemester
absolviert, wobei die Theoriesemester mit praktischen Übungen begleitet werden. Die erfolgreichen Absolventen werden als Polizeikommissare in den Dienst entlassen.
Besser gefällt ihr da schon das Schießtraining. Wenngleich sie hofft, im späteren Leben als Polizistin nie schießen zu müssen. Heute wird zum letzten Mal vor der Prüfung am kommenden Mittwoch trainiert. Die Studenten üben auf der Anlage der Schützengesellschaft in Hadmersleben, weil der Übungscontainer in der Fachhochschule derzeit nicht nutzbar ist. Sissy und ihre Kommilitonen stehen ein wenig unter Druck, denn das Bestehen der Prüfung ist wichtig, um im anstehenden ersten Praktikum eine Waffe führen zu dürfen - allerdings ausschließlich zur Selbstverteidigung, wie Polizeikommissar Hardy Fricke erklärt.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie es bei der Schießübung weitergeht.
Die 25-Jährige absolviert derweil ihre erste Übung. Aus vier Metern Entfernung gibt sie auf Kommando von Ausbilder Karl-Heinz Kotzan zweimal hintereinander zwei Schüsse auf vorgegebene Ziele ab und muss zwischendurch die Waffe „holstern“, also ins Holster zurückstecken. Sissy ist hoch konzentriert, sie zielt und trifft, die Hülsen fliegen mit ohrenbetäubendem Knall weg. Die Ohrenschützer, die die 110 Dezibel dämpfen, haben ihren Sinn, so die augenblickliche Erkenntnis. „Beim Holstern nicht nach hinten gucken!“, mahnt der Ausbilder, „den Blick immer beim Ziel lassen!“ Im Bruchteil einer Sekunde könne sich die Situation ändern, deshalb müsse das Zurückstecken der Waffe „blind“ möglich sein. Dennoch ist er zufrieden. „Am Tempo müssen wir noch arbeiten, aber es geht schon“, brummt er. Die zweite Übung, bei der die Schießenden aus der Deckung agieren müssen, läuft nicht ganz so ideal. Zu viele Schüsse gehen daneben. Am Ende sind es nur acht Treffer. „So schlecht habe ich ja noch nie im Leben geschossen“, meint sie hinterher zu den Jungs, mit denen sie demnächst eine WG bilden wird. Die beiden hat sie ganz bewusst ausgewählt, „weil sie ruhig und ordentlich sind. So wie ich“, lacht sie.
Grund zum Ärgern ob der Schießleistung hat sie jedoch nicht. Denn die dritte, die schwierigste Übung, bei der die Studenten mehrfach die Position wechseln müssen, meistert sie mit Bravour. „Bei grün hast du eine versemmelt, bei blau zwei“, zeigt der Ausbilder auf das Trefferbild. „Aber die Norm wäre komplett erfüllt“, so das beruhigende Fazit.
Überhaupt läuft es gut für Sissy Grathenauer. Alle Sportnormen sind geschafft, „ich kann ohne offene Dinge ins Praktikum gehen“. Da spielt es keine Rolle mehr, dass sie für ihre Achillesferse, die Klimmzüge und die Sprint-Norm, ein halbes Jahr gebraucht hat.
Sie freut sich aufs Praktikum. Ein Vierteljahr wird sie bei der Bereitschaftspolizei in Magdeburg absolvieren, weitere drei Monate auf dem Revier im heimischen Haldensleben. Da fällt auch die anstrengende Fahrerei erst einmal weg.

