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Quedlinburger Weihnachtsmarkt Quedlinburger Weihnachtsmarkt: Unternehmen Christbaum

Von Hendrik Kranert 25.11.2002, 17:42

Thale/Quedlinburg/MZ. - "Es könnte ja sein, dass heute mal alles glatt geht." Ronald Wenzel sagt das Montagmorgen mit leichtem Schmunzeln und einem gewissen, ungläubigen Unterton. Seit zwölf Jahren holt der städtische Baumpfleger die Fichte für den Quedlinburger Weihnachtsmarkt. Und seit zwölf Jahre passiert immer irgend etwas Unvorhergesehenes.

Obwohl Weihnachtsbaum-Schlagen, zumindest in Größenordnungen über zehn Meter, eine nahezu bürokratische Planung vor sich her schiebt. Aber alles ist eben nicht planbar, der Baum an sich schon gar nicht. Der Thalenser Revierförster Jens Schneidewind weiß, wovon er spricht: "Wir haben zwar schöne Fichten, aber die stehen oft mitten im Bestand." Mitten im Wald sowieso. Aber ein mit einem Langholztransporter befahrbarer Weg sollte wenigstens hinführen. Zudem werden künftige Christbäume jener Art, über die später nicht die ganze Stadt spottet, immer seltener. "Ein halber Tag Suche geht in der Regel drauf", erinnert sich Schneidewinds Quedlinburger Kollege, Kai Wiebensohn. Und so ziehen die beiden, der Förster aus dem Wald und der aus der Stadt, jedes Jahr ins Revier Dambachhaus, um nicht nur einen potentiellen Kandidaten zu suchen, sondern möglichst auch einen Ersatzbaum. Inzwischen plant Schneidewind schon die Bäume für die nächsten zehn bis 20 Jahre. Kein Witz.

Wie gesagt, es geht ja meist was schief. Zum Beispiel fällt der Baum um und büßt dabei seine Spitze ein. Die Erfahrung haben die Sangerhäuser in diesem Jahr machen müssen: "Drei Bäume, bis die Spitze dran blieb", sagt Wolfgang Schimanski, Fahrer eines Fuhrunternehmens aus der Rosenstadt, der auch den Quedlinburger Baum sicher aus dem Forst bugsieren soll.

Die Fichte wippt mächtig, als Uwe Losse und Detlef Raeder erst die Säge, dann die Keile ansetzen. Kurz vor halb neun bahnt sich der 18-Meter-Baum mit seinen knapp fünf Tonnen Gewicht den Weg durch die Naturverjüngung. Wiebensohns Gesicht verzieht sich bei jedem Knacken immer mehr ins zitronenhafte. "Oh, oh." Dann holt er Luft: "Die Spitze ist dran." Und die paar Äste, die jetzt, auf dem Weg und auf dem Markt noch der schweren Technik im Wege sind, werden später wieder angeflickt. Das ist heute bei solch großen Bäumen noch so, wie zu DDR-Zeiten bei den kleinen. Sie erinnern sich sicherlich: Drei kaufen und einen draus machen. Was gab das immer Zoff.

Heute muss Roland Wenzel nur ältere Damen auf sichere Distanz halten. Nicht wegen deren Gesundheit, sondern weil die immer das Ersatz-Tannengrün klauen. Doch soweit ist es noch nicht. Erstmal muss das Ungetüm passig gesägt werden. Wie gesagt, die Probleme: Vergangenes Jahr war der Stamm so dick, dass er nicht in die Hülse auf dem Markt passte. "Da haben wir dann ewig rumgesägt", so Wenzel. Dann passte er zwar, aber ein Sturm knickte die Fichte. Glücklicherweise fing sie das Rathaus auf. Sage noch einer, die Verwaltung sei zu nichts nütze. Beim Fuhrunternehmen hat Förster Schneidewind auf Profis gesetzt. "Nicht wie die Köthener." Die kamen mit einem Lkw mit Sommerreifen samt Fahrer in Halbschuhen. Nur: "Es schneit leider immer, wenn die Köthener kommen." 30 Zentimeter vor zwei Jahren. Seither wurden sie nicht wieder gesehen.

Wolfgang Schimanski und seinem Kollegen Edgar Koffent passiert das nicht. Profis eben. Eine Viertelstunde vor Plan lenken sie ihren Sattelzug auf den Markt. Nur ein paar Korrekturen noch am Stamm, dann passt es. Um halb elf steht der Quedlinburger Weihnachtsbaum 2002 wie eine Eins. Das war Rekord, staunt selbst Wiebensohn. Und erinnert sich mit Grauen daran, wie einst auf einem Friedrichsbrunner Parkplatz ein Lasterfahrer die Weiterfahrt verweigerte. Weil der Baum unterwegs seine Geschwister an den Straßenränder rasierte und dabei selbst jede Form verlor. Oder ein Lkw den englischen Rasen eines Quedlinburger Stadtrates, der einen Baum aus seinem Garten spendete, in einen Acker verwandelte.

Dieses Mal aber, dieses Mal ist tatsächlich nichts passiert. Da wird der Quedlinburger Förster schon wehmütig, wenn er an Silvester denkt. Und er seinen ersten problemlosen Weihnachtsbaum zu Brennholz verwandeln muss.