Optima Aschersleben Optima Aschersleben: Von der alten Papierfabrik zum Bildungscampus
aschersleben/MZ - Wer aus südlicher Richtung über die Steinbrücke nach Aschersleben kommt, dem fällt als Erstes ein übergroßes graues Gebäude auf. Die wechselvolle Geschichte dieses Hauses rechtfertigt einen Blick hinter seine Fassade. Deshalb bot die Stadt am Sonnabend eine Sonderführung unter dem Titel „Von der Papierwarenfabrik zum Bildungscampus“ an, und Stadtführer Jürgen Kuhn konnte den leider nur wenigen Teilnehmern interessante Details über die einst größte Papierwarenfabrik Europas und deren weitere Entwicklung berichten.
Beginn vor 150 Jahren
Begonnen hatte alles vor über 150 Jahren mit Heinrich Christian Bestehorn, dem Sohn eines Aschersleber Seilermeisters. Er gründete am 1. April 1861 in der Wilhelmstraße eine kleine Tütenklebefabrik, die sich schnell rentierte. Anfangs wurden Beutel und Spitztüten in Handarbeit ohne Aufdruck hergestellt, vier Jahre später kaufte er eine Buchdruckschnellpresse, und 1867 fuhr er zur Weltausstellung in Paris. Dort erstand er eine Briefumschlagmaschine, die bis zu 25 000 Stück pro Tag herstellen konnte, und ließ mehrere Exemplare nachbauen. 1872 erfand Bestehorn das erste zusammenfaltbare Telegrammformular Deutschlands und sicherte sich die alleinigen Herstellungsrechte.
1880 wurde das Fabrikgebäude in der Wilhelmstraße gebaut, und 1900 übergab der Gründer die Firma mit 545 Angestellten an seine beiden Söhne. 1910 entstand das Hauptgebäude mit dem Dreibogentor, 1925 übernahm Bestehorn die Firma Gerson und 1926 eine Firma in Hannover, die bis heute von den Nachkommen der Fabrikantenfamilie betrieben wird. Nach dem Krieg wurde die Firma am 17. April 1948 rechtskräftig enteignet und ging in Volkseigentum über. „Der Ursprung des Namens Optima ist nicht genau geklärt“, sagt Stadtführer Jürgen Kuhn. Aber unter diesem Namen arbeitete der Betrieb bis 1990 und gehörte für viele Aschersleber Familien zum festen Bestandteil ihres Lebens. 1960 wurde die Produktion von Beuteln aus Polyäthylen aufgenommen, 1967 die erste Vierfarben-Offsetmaschine aufgestellt und 1968 eine Horizontalkamera für moderne Druckbildgestaltung angeschafft.
Die Produktpalette umfasste bedruckte Verpackungsmittel aus Papier, Karton, Folie und Verbundmaterialien, und der VEB Optima entwickelte sich zum führenden Betrieb der Verpackungsmittelindustrie in der DDR mit zuletzt 1500 Beschäftigten. Nach der Wende wird das Unternehmen von Alfred Wall aus Österreich aufgekauft und hatte 1994 als „Masterpack“ noch 44 Mitarbeiter. 1996 wird die Produktion endgültig eingestellt.
Neues geschaffen
„Danach rotteten die Gebäude lange vor sich hin. Deshalb sind wir besonders froh, dass eine alte Industriebrache heute im neuen Glanz erstrahlt“, sagt der Stadtführer. Eine Elterninitiative 2001 und die Überlegungen des Oberbürgermeisters, nach der weggefallenen Industrie etwas Neues zu schaffen, das waren die Anfänge, die über viele Anstrengungen und 32 Millionen Euro dazu führten, dass man jetzt von einem „Bildungscampus“ sprechen kann.
Heute sind die freie Adam-Olearius-Schule, das IWK, die Grundschule Mehringen, die Kreativwerkstatt und die Grafikausstellung Neo Rauch im architektonisch reizvoll umgestalteten Hauptgebäude untergebracht. Die Schüler der christlichen Grundschule und der Montessorischule lernen in den Villen; auch eine Sporthalle gehört zum Komplex.