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Ohne Prüfung auf Motorräder? Ohne Prüfung auf 125er Leichtkrafträder? Fahrlehrer aus Aschersleben kritisieren Plan von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer

Von Detlef Anders 28.06.2019, 09:57
Ein Zweiradfahrer lenkt eine Yamaha mit 125 Kubikzentimetern Hubraum, wie sie Autofahrer ohne Prüfung fahren dürften.
Ein Zweiradfahrer lenkt eine Yamaha mit 125 Kubikzentimetern Hubraum, wie sie Autofahrer ohne Prüfung fahren dürften. dpa

Aschersleben - Sollen Autofahrer ohne Prüfung auch Motorrad fahren dürfen? Der Vorschlag von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), der das Fahren leichter Motorräder mit Auto-Führerschein und ohne gesonderte Prüfung erlauben möchte, wird von Fahrlehrern in der Region Aschersleben mit Kopfschütteln gesehen.

„Mit null Zweiraderfahrung ist das nicht machbar“, findet Udo Keil, Inhaber einer Fahrschule in Aschersleben. „Ich bin grundsätzlich dagegen“, erklärt Mario Kempe, Fahrlehrer aus Frose. Ein Vertreter der Verkehrswacht äußerte sich weniger kritisch.

Vorschlag: Autofahrer über 25 Jahre mit mehr als 5 Jahren Praxis sollen Motorräder der Klasse A1 mit weniger als 15 PS fahren dürfen

Vor einer Woche war der Entwurf des Bundesverkehrsministeriums bekannt geworden, nach dem Autofahrer unter bestimmten Voraussetzungen auch leichte Motorräder der Klasse A1 mit einem Hubraum von bis zu 125 Kubikzentimetern und nicht mehr als 15 PS steuern dürfen.

Sie müssen demnach mindestens 25 Jahre alt sein, seit fünf Jahren einen Autoführerschein besitzen und eine Schulung mit fünf Einheiten zu je 90 Minuten absolvieren, heißt es in dem Entwurf zur Änderung der Fahrerlaubnisordnung.

Nur einige wenige Übungsstunden wären dann laut dem Papier nötig. Mindestens 7,5 Zeitstunden, davon sechs Stunden in Form von Übungsfahrten. „Wer AM-Erfahrung, also den Rollerführerschein hat, bei dem könnte ich mir das vorstellen“, sagt Keil.

Laut Vorschlag des Bundesverkehrsministeriums sollen 7,5 Stunden Übung genügen

Ein Autofahrer, der die Führerscheinklasse B hat, der kann mit der AM-Berechtigung Mopeds bis Höchstgeschwindigkeit von 45 Kilometer je Stunde und bis zu 40 Kubikzentimeter Hubraum fahren.

Das schließt über die Besitzstandsregelung in den neuen Bundesländern die beliebten Simson-Mopeds mit Tempo 60 und 50 Kubikzentimetern Hubraum ein. Doch wer in den fünf Jahren nur Auto gefahren ist und kein Moped, der bräuchte laut Keil mehr Zeit.

Wer heute den Motorradführerschein haben möchte, der absolviert in Keils Fahrschule einen Monat lang je drei Theorietage und einen Monat lang Praxisstunden, inklusive Sonderfahrten über Land, Autobahn und sogenannte Lichtfahrten.

Dazu kommen Slalomübungen bis zum Trainieren von Gefahrenbremsungen. Es geht auch um die Ideallinie und Kräfte in Kurven. In seinen 30 Jahren Praxiserfahrung habe noch nie ein Fahrschüler nach Bestehen der Prüfung einen tödlichen Unfall verursacht. „Ich muss sicher sein, dass er Motorrad fahren kann.“ Ohne diese Sicherheit würde er nie die Verantwortung übernehmen wollen und sagen „du kannst“.

„Das Brems- und Fahrverhalten ist beim Zweirad ganz anders“, sagt Fahrlehrer Mario Kempe

In Punkte Verantwortung würde Mario Kempe, Fahrschulchef aus Frose (Stadt Seeland) sogar generell die Regelung auf den Prüfstand stellen, nach der mit der Fahrerlaubnisklasse B auch Mopeds gefahren werden dürfen. „Das Brems- und Fahrverhalten ist beim Zweirad ganz anders.“

Nun auch noch Autofahrer, die möglicherweise nie Kuppeln und Schalten gelernt haben, auf 125-Kubik-Motorräder zu lassen, die 110 bis 120 Kilometer je Stunde fahren, hält Kempe für unverantwortlich.

2018 gab es einem MZ-Bericht zufolge im südlichen Sachsen-Anhalt 359 Motorradunfälle. 223 Menschen wurden verletzt, davon 95 schwer. Sechs Motorradfahrer sind gestorben.

Bei Mitgliedern der Verkehrswacht in Aschersleben sind die Meinungen geteilt. „Ich halte nichts davon“, sagt Lothar Kraneis, der sich aber urlaubsbedingt noch nicht intensiv mit dem Problem beschäftigt hat.

Wer vor dem 1. April 1980 seinen Pkw-Führerschein gemacht hat, darf schon jetzt ohne Schulung und Prüfung Motorräder der Klasse A1 fahren

„Ich sehe das nicht so extrem gefährlich“, meint Michael Messerschmidt, selbst Motorradfahrer. Wer vor dem 1. April 1980 seinen Pkw-Führerschein gemacht hat, der darf automatisch ohne Schulung und Prüfung die leichten Motorräder der Klasse A1 fahren, erinnert Messerschmidt. „Ich finde das nicht so dramatisch.“

Aufgrund der vorherigen Fahrpraxisstunden findet Marco Kopitz, Sprecher des Polizeireviers Salzland, den Vorschlag persönlich „grundsätzlich nicht verkehrt“. Er würde solche Fahrpraxisstunden auch für Autofahrer empfehlen, die - wie bereits erlaubt - Moped fahren wollen. Als Motorradfahrer weiß er, dass nach der Winterpause auch stets etwas Üben angesagt ist.

Auch eine ADAC-Sprecherin lehnt die Idee nicht generell ab. „In der Anfangsphase müsste man sich die Unfälle genau ansehen, um schnell reagieren zu können“, sagte Alexandra Kruse gegenüber der MZ. Die Mobilität im ländlichen Raum könnte damit verbessert werden. „Aber man muss sicher sein, dass die Fahrer ausreichend geschult werden.“ Ob fünf Fahrstunden da ausreichen, könne sie nicht sagen. (mz)