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Darum schimpft Birgit im Netz und per Brief Leserbriefe und Online-Kommentare: MZ-Leserin Birgit Siegert aus kritisiert Politik, Missstände und Skandale

Von Marko Jeschor 10.01.2019, 07:55
Birgit Siegert aus Aschersleben kommentiert viele Beiträge im Internet.
Birgit Siegert aus Aschersleben kommentiert viele Beiträge im Internet. Detlef Anders

Aschersleben - Ihr letzter in der MZ auf der Leserbriefseite veröffentlichte Kommentar ist vergleichsweise harmlos. Birgit Siegert monierte darin die Abschaffung der Wehrpflicht. Anlass war ein Bericht Ende vorigen Jahres, indem es hieß, dass die Bundeswehr Ausländer anwerben will.

Doch die 60-Jährige kann auch anders. Nach dem Tod eines 22-Jährigen in Köthen im September kritisierte sie im Leserforum Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) und Kirchenpräsident Joachim Liebig, die zur Besonnenheit aufgerufen hatten. Sie forderte: „Es reicht! Einer der in den Streit involvierten Flüchtlinge sollte abgeschoben werden!“

Birgit Siegert schreibt Leserbriefe und Online-Kommentare

Birgit Siegert taucht seit Jahren äußerst regelmäßig in den Kommentarspalten der MZ auf. Sie reagiert auch regelmäßig auf Beiträge, die die MZ über den Facebook-Kanal verbreitet.

Der Ton klingt fast immer gleich: Sie klagt die Bundes- oder Landesregierung an, beklagt das staatliche Handeln bei Verfehlungen, Diätenerhöhungen und auch sonstige Missstände. Gern nutzt sie dafür auch sogenannte Emojis, also Symbole, die Begriffe ersetzen.

Kritik an Verfehlungen, Diätenerhöhungen und Missständen

Doch wer ist diese Frau, die ihre Ansichten und Meinungen dank Internet zumeist ohne Punkt und Komma verbreitet?

Ihr teilweise öffentliches Facebook-Profil zeigt eine Katze, Minka, 16 Jahre alt, Freigänger, die im Garten lebt, wie Siegert der MZ sagt. Sie ist Erwerbsunfähgikeitsrentnerin, verheiratet und zur 5. POS Aschersleben gegangen. Auf ihrem Profil finden sich außerdem geteilte Beiträge zu misshandelten Tieren oder Öffentlichkeitsfahndungen und auch ein paar Ergebnisse von Pepper Panic Saga, einen Spiel zum Zeitvertreib.

Ein jüngerer geteilter Beitrag fällt beim Scrollen durch ihre Timeline besonders auf: „Die Deutschen sind ein versklavtes Volk. Sie arbeiten nur noch, damit andere gut leben“, steht dort mit weißer Schrift auf schwarzem Hintergrund.

Siegert ist lange arbeitslos, erlebte Härten des Sozialstaats

Ein Besuch in dieser Woche in einem Mehrfamilienhaus im Kosmonautenviertel. Es öffnet eine ältere Dame und bittet freundlichst im Wohnzimmer an den Tisch. Sie ist durchaus skeptisch, spricht aber dann doch über ihr Leben und ihre Aktivitäten im Netz. Dabei wird klar, woher die Zeilen der Verbitterung kommen.

Seit 16 Jahren ist Birgit Siegert nunmehr arbeitslos. Mittlerweile plagt sie sich auch noch mit den Nachwirkungen einer schweren Krankheit herum. In den vielen Jahren erlebte sie, wie hart der deutsche Sozialstaat auch sein kann.

Ersparnisse aus der Zeit, als sie und ihr Mann - er auf Montage, sie als Druckerin, Erzieherin und zuletzt als Reinigungskraft - noch arbeiten gingen, schmolzen. Und: „Jede Rentenerhöhung meines Mannes hat man mir wieder weggenommen, da wir ja eine Bedarfsgemeinschaft bilden.“

„Die kommen hierher und kriegen mehr Geld als ich“

Dann kam die Flüchtlingskrise und das Gefühl wuchs, dass es ungerecht in Deutschland zugeht. „Die kommen hierher und kriegen mehr Geld als ich“, sagt die 60-Jährige. Sie ärgert sich auch darüber, dass Migranten in der Regel hier nicht arbeiten dürfen und stattdessen „Drogen verticken“. Und dass Alleinerziehende nur unzureichend vom Staat unterstützt werden.

Birgit Siegert schreibt solche pauschalen Kommentare am Computer, wenn sie Zeit hat. Und sie hat viel Zeit. Ihr Sohn arbeitet als Flugzeugmechaniker längst weit weg, ihr Mann ist wochentags häufig im Garten beschäftigt, auch im Winter.

Viel Freizeit im Alltag  - und nur wenige Freunde

Freunde, mit denen sie nicht nur bei Facebook verbunden ist, hat sie nicht, wie sie selbst sagt. Öffentliche Veranstaltungen besucht sie nicht. Sie kümmert sich nur um ihre Katze, ihren Wellensittich und schaut ansonsten gern TV-Sendungen wie „Dancing on Ice“ oder das „Dschungelcamp“.

Leserbriefe zu schreiben, ist offenbar ihre Art mit der Außenwelt in Kontakt zu treten, auch wenn ihr viele Reaktionen anderer Nutzer mitunter missfallen, zumeist wenn es beleidigend wird. „Wenn es denen nicht passt, sollen sie meine Kommentare nicht lesen.“ (mz)