Jubiläum in Neu Königsaue Jubiläum in Neu Königsaue: Zwei Orte und ein Fest

Neu Königsaue - Leipzig feiert in diesem Jahr seinen 1000. Geburtstag - Aschersleben hat sein 1250. Stadtjubiläum längst hinter sich. Wenn’s ums Feiern geht, dann heißt die Devise: Je älter, ehrwürdiger die Stadt oder das Dorf, umso denkwürdiger die Geburtstagsparty - und umso stolzer die Bürgerschaft. Dass aber nicht in jeden Fall Hunderte von Jahren ins Land gehen müssen, um mal so richtig auf die Pauke zu hauen, das haben am Wochenende die Neu Königsauer bewiesen. Mit seinen gerade einmal 50 Jahren ist der Ort noch nicht einmal ein Teenager auf der regionalen Landkarte.
Trotzdem hat das Neu Königsauer Festkomitee ein ganzes Wochenende lang ein Veranstaltungsfeuerwerk abgebrannt - und nicht nur das buchstäbliche am Freitagabend, während auf der Bühne des Festplatzes die Band Tänzchentee den über 600 Besuchern stimmungsvoll einheizte, die nach einem Fackelzug durch die Straßen des Ortes die Nacht zum Tag machten. Und die nicht zuletzt schon einmal die Kasse klingeln ließen, wie sich Ortsbürgermeister Ralf Klar freute. Immerhin waren schon am ersten Abend gut dreimal so viele Gäste gekommen, als der Ortsteil Einwohner hat.
Auch am Sonnabend und Sonntag ging es Schlag auf Schlag: Wecken mit dem Spielmannszug Schadeleben, Proklamation des Schützenkönigs , das „Königsauer Treffen“, Eröffnung der Ausstellungen zum Ortsjubiläum und zum 120. Geburtstag der freiwilligen Feuerwehr, Familiennachmittag, ein Tanzabend und am Sonntagvormittag der Höhepunkt: der historische Festumzug durch den Ort.
Auch sentimentale Augenblicke
Bedingt durch die noch kurze Geschichte des Ortes Neu Königsaue, schlich sich in all die gute Feierlaune da und dort, und immer mal wieder - und wenn nur für kurze Augenblicke - ein Hauch von Sentimentalität ein. Den verspürten wohl vor allem die Älteren. Die, die die Entstehung des Ortes von Anfang an miterlebt hatten. Hatten die meisten von ihnen, als am 28. Juli 1965 Neu Königsaue offiziell gegründet wurde, doch ihren Heimatort Königsaue verlassen müssen. Verlassen, weil er rund 200 Jahre früher auf Braunkohle erbaut worden war, auf die schließlich die DDR-Wirtschaft ein Auge geworfen hatte.
Der gebürtige „Alt-Königsauer“ Erhard Hartmann, der nach der Wende erster Neu Königsauer Bürgermeister wurde, erinnert sich noch gut an diese Zeit. Natürlich sei damals niemand mit fliegenden Fahnen umgezogen. Egal, ob nach Aschersleben, wo für die Umsiedler extra das sogenannte Königsauer Neubauviertel gebaut wurde, oder eben nach Neu Königsaue. Wohlwissend, dass der Widerstand gegen den Abriss des Dorfes so gut wie aussichtslos war, seien er und zwei andere Königsauer als Abordnung sogar zum Staatsrat nach Berlin gefahren, erzählte Hartmann am Sonnabend am Rande der Einweihung eines Gedenksteins an das Ortsjubiläum. „Geholfen hat’s seinerzeit nichts, das Ergebnis fiel wie erwartet und befürchtet aus“, schmunzelt Erhard Hartmann über 50 Jahre später. Ihm, der damals wenig älter als 30 Jahre war, sei die Umsiedlung etwas leichter gefallen als seinen Eltern und vielen anderen, die daran lange zu knabbern gehabt haben.
Außergewöhnliche Verbundenheit
Vielleicht hat die besondere gemeinsame Geschichte beider Orte auch ein ganzes Stück dazu beigetragen, dass die ehemaligen Königsauer und heutigen Neu Königsauer mit einer möglicherweise sogar außergewöhnlichen Heimatverbundenheit ausgestattet sind. So wie beispielsweise Gisela Günther, die in Königsaue aufgewachsen ist, in den 1950er-Jahren nach Köln ging, dort ihren heutigen Mann kennenlernte und gemeinsam mit ihm seit Jahrzehnten immer wieder wieder die alte Heimat besucht. Und so haben sich die beiden auch an diesem Wochenende natürlich das Ortsjubiläum nicht entgehen lassen. Kurioserweise habe sich lange nach dem ersten Flirt heraus gestellt, dass die Großeltern ihres Mannes aus dem Königsauer Nachbarort Schadeleben stammten, schmunzelte Gisela Günther am Sonnabend auf dem Weg vom Friedhof zum Festplatz.
Auf dem Friedhof hatte wenige Minuten zuvor nämlich der 17-jährige Fachgymnasiast Steve Mannchen die Glocke der einstigen Königsauer katholischen Kirche zum ersten Mal in Neu Königsaue zum Klingen gebracht. Aufgespürt hatte die bis zum vergangenen Jahr in Frose hängende Glocke Hartmut Schneider vom Königsauer Stammtisch. Sponsoren haben dann dafür gesorgt, dass ein frei stehender Glockenstuhl gebaut werden konnte, und Pfarrer Johannes Zülicke weihte die Glocke jetzt im Rahmen des Ortsjubiläums mit einer Andacht ein.
Übrigens ließen es sich am gestrigen Sonntag auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und Ascherslebens Oberbürgermeister Andreas Michelmann (Widab) nicht nehmen, zum Jubiläum zu gratulieren und dem Festumzug beizuwohnen. In dem stellten die Festorganisatoren und Teilnehmer die Geschichte des Ortes in acht Schaubildern dar. 374 Mitwirkende, 54 Fahrzeuge und zwölf Pferde zogen durch die Straßen des Ortes. Der hat durch seine besondere Geschichte übrigens auch einige ganz besondere Eigenheiten zu bieten. So ist Neu Königsaue als einer der jüngsten Orte Deutschlands inzwischen Teil der ältesten Stadt Sachsen-Anhalts. Als ein weiteres Novum dürfte gelten, dass sich alle fünf bisherigen Bürgermeister des Lebens erfreuen und dass der derzeitige Ortsbürgermeister genau so alt ist wie seine Ortschaft. (mz)



