Gnadenhochzeit in Aschersleben Gnadenhochzeit in Aschersleben: "Wir sind dem Schicksal so dankbar"

Aschersleben - Frack und Zylinder hat sich Günter Scheffler „gepumpt“, das Brautkleid seiner Frau hat deren Schwester selbst genäht. „Und dann hat es mit dem Pferd für die Kutsche nicht geklappt“, erinnert sich das Ehepaar an ihren Hochzeitstag. Der liegt auf den Tag genau 70 Jahre zurück.
„Da gingen wir zu Fuß und hatten so unseren eigenen Hochzeitszug durch die Krügerbrücke hin zur Bestehornstraße. “ Das Paar erinnert sich und lacht: „Superintendent Schwahn hat uns in der Stephanikirche getraut und dabei zuerst noch unsere Ringe verwechselt.“
„Wir sind dem Schicksal so dankbar“, sagen die beiden 94-Jährigen, die in ihrer eigenen Wohnung an der Herrenbreite leben. „Die Treppe komme ich noch selbst hoch“, betont Günter Scheffler. Erika Scheffler, die aus Magdeburg stammt, lernte ihren Mann während des Krieges in Frankreich kennen.
Die Wege trennten sich in der stürmischen Zeit, so dass sie erst wieder bei seinen Eltern in der Bestehornstraße ein glückliches Wiedersehen erlebten. „Wir haben diesen Krieg heil überstanden.“
Das war der Start ihrer Partnerschaft. „Unser Leben war sehr ausgefüllt“, erzählt Erika Scheffler. Ihr Mann wurde Neulehrer, unterrichtete in Hoym, Nachterstedt und Aschersleben Generationen von Schülern.
„Die ersten, die ich unterrichtet habe, sind hoch in den 70ern“, erzählt der langjährige stellvertretende Direktor der Lübenschule. „Die Leute hier in Aschersleben kennen uns“, unterstreicht Gattin Erika. Schließlich hätte sie beide Spuren in der Stadt hinterlassen.
Günter Scheffler hat Aschersleben das Planetarium zu verdanken. Zehn Jahre lang habe er es fast allein betrieben. Damit habe er sich ein bleibendes Denkmal geschaffen. Bis vor 30 Jahren erklärte er dort selbst die Sterne. „Dann habe ich Schluss gemacht. Es ist wichtig, loslassen zu können. Vernünftigerweise fahren wir ja auch kein Auto mehr. Siehe da, es geht.“
Die Jubilarin gilt als Initiatorin der „Eheschule“ und sorgte mit dem Vorläufer der heutigen Ehe- und Sexualberatung DDR-weit für Furore. Freunde waren all die Jahre wichtig, der Garten, aus dem man in den 36 Jahren so oft direkt zur Arbeit fuhr, und die Reisen: 15 Jahre Camping in Ückeritz, zweimal im Trabbi bis ans Schwarze Meer, nach der Wende konnten sie das ganze Europa kennenlernen. Nun müssen sie mit ihren Kräften haushalten. „Vielleicht ist es auch ein Erfolgsgeheimnis: seine eigenen Grenzen erkennen“, sinniert Erika Scheffler. Zur Feier der Gnadenhochzeit, wollen 15 Gäste kommen, Sohn Roland, der 1949 zur Welt kam, seine Frau, die Enkelin und die beiden Urenkel, die unterdessen auch schon 19 und 21 Jahre alt sind. Danach beginnt wieder der Alltag, in dem Günter Scheffler malt und seine Frau jede Woche zum Seniorentanz geht. (mz)