1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Aschersleben
  6. >
  7. Geschäftserfolg mit Bargeld

Geschäftserfolg mit Bargeld

Von Matthias Büdke und Claudia Andrae 30.03.2005, 18:23

Aschersleben/MZ. - Der Warenhauskonzern Conitzer war ein Familienunternehmen, dem einmal etwa 40 Kaufhäuser angehört hatten (von Duisburg bis Königsberg und von Schwerin bis Coburg). In der jeweiligen Stadt war es meist das größte Haus am Platze. "Der Konzern wuchs in unsere vom Übermaß der Entwicklung durchglühte Zeit hinein; er wächst weiter mit der Kraft seiner organischen Umwelt.", so beginnt die Firmenchronik aus dem Jahre 1928.

In Berlin befand sich die konzerneigene Einkaufszentrale, ab 1927 waren die Unternehmen der Familie an den damals weltbekannten Tietz-Konzern angeschlossen.

Die Geschichte des Conitzer-Konzerns und seiner Anschlusshäuser führt zurück in das frühere Westpreußen, zu Moses Conitzer (1822 bis 1902), der ab 1848 mit seinen Brüdern Oser und Alexander in dem Weichselstädtchen Jeschewo (heute polnisch Jezwo), ab 1882 dann mit drei von seinen Söhnen im damaligen Marienwerder Handel betrieb. Ausschlaggebend für den Geschäftserfolg war neben anderem die Einführung des so genannten Barsystems, das heißt, die Kunden mussten bar bezahlen. Der Abschied vom Anschreibenlassen, was für Kunden und Kaufleute Risiken barg, verhalf dem Verkäufer bei seinen Lieferanten zu Preisvorteilen, die an die Kundschaft weitergegeben werden konnten.

Hüte, Schleier und mehr

Adolf Conitzer wurde am 6. Oktober 1866 in Jeschewo geboren. Er war der Sohn von Alexander Conitzer (1823 bis 1898) und der Neffe des Konzerngründers, Moses Conitzer. Er blieb unverheiratet und hatte keine Kinder. Am Kaufhaus Conitzer & Co. Aschersleben war er mit vier Zehnteln beteiligt. Sein Compagnon, Arthur Grünbaum, besaß die übrigen sechs Zehntel Anteil an der Firma und war dessen Chef. Geboren am 6. Mai 1872 in der ehemals westpreußischen Stadt Schöneck (heute polnisch Skarszewy), heiratete er Anna, geborene Rinow. Sie hatten drei Söhne. Im Ascherleber Adressbuch findet sich ein Eintrag für Kaufmann Arthur Grünbaum ab 1906.

Die Familie Grünbaum / Rinow wohnte damals in der Breiten Straße Nr. 12 über den Geschäftsräumen. Einen Eintrag für den Kaufmann Adolf Conitzer gibt es erst ab 1908: Bonifaciuskirchhof 20. Seitens der Inhaber brachte man nach der Eröffnung die Hoffnung zum Ausdruck, "dass das Kaufhaus Conitzer & Co. an seinem Teile zu der Hebung des geschäftlichen Verkehrs in Aschersleben mit beitragen würde". Und auch Maskottchen "Frau Lotte" sei plötzlich der Gedanke gekommen, dass sie doch einmal von ihrem Prinzip, nur auswärts zu kaufen, abweichen könne. Moderne Sachen ... aparte Neuheiten.Kostümröcke, Jupone (Unterröcke), Abendmäntel, Pelzwaren, Hüte, Schleier.habe sie besichtigen können und sich fest vorgenommen, ihren Bedarf für die Folge bei Conitzer & Co. zu decken: "...denn soviel hab ich schon gesehen, dass ich dort ebenso gut bedient werde als in Leipzig, wo ich sonst immer gekauft habe".

"Die Zeit hat den Gründern ...Adolf Conitzer und Arthur Grünbaum Recht gegeben. Die Firma konnte sich schnell sehr günstig entwickeln", so war anlässlich des 25. Firmenjubiläums im "Anzeiger" vom 18. März 1930 zu lesen.

Ab Dezember 1911 war die O.H.G. Conitzer & Co auch Eigentümer des Grundstückes Breite Straße Nr. 12. Das Geschäft florierte. Es wurde bekannt gegeben, auch für die neue Saison 1912 habe die Firma wieder das Verkaufspersonal vergrößert. Zwei Jahre später brach der Erste Weltkrieg aus. "Der Krieg gefährdete alles mühsam Aufgebaute. Was er verschonte, bedrohte die Inflation", beschrieb Dr. Heinz Grünbaum, Wirtschaftswissenschaftler und einer der Söhne Arthur Grünbaums, am 15. März 1930 im "Anzeiger" die Situation. In den ruhigen Jahren der Weimarer Republik (ab 1924), die mit wirtschaftlichem Aufschwung verbunden waren, wurde ein weiterer Aufstieg der Firma Conitzer möglich. Zu den Leistungen der Inhaber für die Angestellten zählten Gewinnbeteiligung, Personalstiftung und kostenfreie Sommerurlaube.

Haus für Angestellte

1925 / 26 ließen sie durch Stadtbaurat Dr. Hans Heckner am Bäckerstieg Nr. 23 ein Zweifamilienhaus für Firmenangestellte bauen. Hier wohnten lange Jahre die Familien Kurt Schmidt und Kurt Andrae. Ein zweites Haus besaß die Firma in der Worthstraße 13. Dort wohnte Ende der 1920er Jahre unter anderem der Kaufmann Feodor Hirsch mit seiner Frau. In der Bestehorn- Straße 5 (heute Heckner-Straße) befanden sich Ausstellungsräume des Kaufhauses der Breiten Straße.

Das Stammhaus Aschersleben eröffnete Zweigniederlassungen, zuerst in Calbe / Saale. Am 21. April 1928 öffnete das Kaufhaus Conitzer & Co. Merseburg seine Pforten. Das Haus in Calbe leitete Willy Karnofsky. Das Haus in Merseburg wurde von Erich Grünbaum, später von Walter Grünbaum geleitet.

1929 ließ die Firma Conitzer ihr Aschersleber Geschäftshaus dem veränderten Zeitgeschmack anpassen. Dabei wurden die beiden Häuser aus unterschiedlicher Erbauungszeit durch eine vereinheitlichende Fassade zu scheinbar einem Großbau vereinigt (heutiges Bild). Der Entwurf stammt von dem Stadtbaurat und Privatarchitekten Hans Heckner, die Ausführung lag in den Händen der Ascherslebener Baufirma Alwin Goebel. Der Erker und der Giebel von 1907 wurden beseitigt und die nunmehr flache Fassade mit monumentalisierender Lisenengliederung versehen.

Am 7. September 1929 schreibt der "Anzeiger": "Der Umbau Conitzer ist von solchem Umfang und entsprechender Prägsamkeit, dass er der Geschäftsstraße unserer Stadt, der Breiten Straße, eine vollständig neue Note gibt.Jegliches Motiv an der neuen Fassade strebt ununterbrochen nach oben...So zeigt sich in diesem nunmehr so modernen Haus der Geist der Firma Conitzer wieder, der - vorwärtsstrebend und führend - so vorschreitet, wie es die neue Zeit gebieterisch fordert." Anlässlich des 25. Firmenjubiläums des Kaufhauses Conitzer erschienen 1930 im "Anzeiger" zahlreiche Inserate und Artikel.

Dr. Heinz Grünbaum schrieb am 15. März 1930: "Der diesjährige literarische Nobelpreisträger Thomas Mann hat seinem Roman ,Die Buddenbrooks' den Untertitel gegeben: Verfall einer Familie. Wollte man die Geschichte der Firma Conitzer & Co. schreiben, müsste es lauten: Der Aufstieg einer Firma."

Die kurze Zeit der "Goldenen Zwanziger" endete am 25. Oktober 1929, als mit dem amerikanischen Börsenkrach am "Schwarzen Freitag" die Weltwirtschaftskrise ausgelöst wurde. In einem Inserat vom 17. März 1930 gab die Firma bekannt: "...auch der Beginn dieses Jahres brachte uns trotz der ungünstigen allgemeinen Wirtschaftslage steigende Umsätze". Und der "Anzeiger" schrieb am 18. März 1930: "Da die Firma Conitzer tief im Wirtschaftsleben unserer Stadt und ihrer Umgebung wurzelt, darf man hoffen, dass ihr kommende, bessere Zeiten auch im zweiten Vierteljahrhundert ihres Bestehens einen neuen Aufstieg bringen werden".

(Unter Mitarbeit von Torsten Ducke, Matis Nitzsche, Martin Conitzer, Peter Andrae, Joachim Schmidt, Klaus Hübner und Fred Kollwitz; "Anzeiger": Stadtarchiv Aschersleben) Fortsetzung folgt