Pflanzen mit Zollstock im Tomatengarten Der Tomatentag in Aschersleben bleibt eine Erfolgsgeschichte
Im Tomatengarten kommen hunderte Pflanzen der verschiedensten Sorten in den Boden. Am 4. September gibt es hier den 10. Ascherslebener Tomatentag.
Aschersleben - Nadja, Prinz von Sachsen-Coburg, Principe Borghese, Red Bambi, Gargamela, Ei von Phuket, Golden Queen, Süße von der Krim, Bonner Beste, Russische Orange, Rosy Morn oder Ohio Red. Es sich liest wie ein „Who’s Who“ aus Hollywood. Doch es sind Namen von Nachtschattengewächsen, die seit einer Woche in einem Kleingarten der Ascherslebener Sparte Froser Straße gepflanzt werden. Bereits zum zehnten Mal wird hier der Ascherslebener Tomatengarten bestückt. Hunderte Tomatenpflanzen können hier gedeihen. Und am 4. September wird dann zum bereits 10. Ascherslebener Tomatentag eingeladen.
„Bei mir habe ich dieses Jahr acht Tomatenpflanzen“
Mit dem Zollstock misst Lothar Sauer an der zwischen zwei Holzpflöcken gespannten Leine die 60-Zentimeter-Abstände aus. Eigentlich hat er einen Eingang weiter einen eigenen Kleingarten, doch seit einer Woche bringt er im Tomatengarten die verschiedensten vorgezogenen Tomaten in die Erde. „Bei mir habe ich dieses Jahr acht Tomatenpflanzen“, sagte er. Der jetzt bei der Öseg über eine Arbeitsgelegenheit beschäftigte Ascherslebener kennt sich ein wenig aus. Helga Pfaffenberg, die seit dieser Woche mithilft, hat dagegen keinen eigenen Garten. Bis Oktober werden sie sich um die Pflanzen kümmern, sie regelmäßig neu anbinden, ausgeizen – wie das Entfernen der Seitentriebe heißt - und gießen.
Dass die Tomatenpflanzen nun schon zum zehnten Mal hier gepflanzt werden, das freut Gisela Ewe, die einst die Idee dazu hatte. „Klar ist das eine Erfolgsgeschichte“, sagt sie. Weil die Besucher zum Teil von weither anreisen, nicht nur aus Sachsen-Anhalt, sondern auch aus Thüringen und sogar Mecklenburg hat der Tomatentag eine über die Region hinaus reichende Wirkung.
Vor zwei Jahren konnten Gisela Ewe und ihre Mitstreiter mehr als 1.000 Besucher begrüßen. Wegen Corona waren es 2020 „nur 600“, erinnert sich die Agrarwissenschaftlerin.
Die Tomate sei eine Frucht, um die es in den letzten zehn Jahren einen regelrechten Hype gab. „Mein Mann sagt ja, das liegt an mir. Aber das liegt nicht an mir, das liegt an den Tomaten“, denkt Gisela Ewe. Natürlich reist auch durch persönliche Bekanntschaft ein Botschaftsmitarbeiter des Königreichs Marokko aus Berlin an. Der wolle später daheim eine Tomatenplantage aufmachen, sagt Gisela Ewe.
Von den meisten Sorten werden hier nur zwei Exemplare angebaut. „Die Leute wollen ja die Vielfalt sehen, nicht nur Harzfeuer“, weiß Rolf Bielau vom Organisationsteam, der einst am Institut für Züchtungsforschung in Quedlinburg Tomaten züchtete. Harzfeuer sei zwar eine schöne Sorte, aber Harzfeuer sei nicht alles. Die Besucher möchten rote, schwarze, gelbe, längliche oder besonders große Paradiesäpfel entdecken.
„Es gibt allein 4.000 Tomatensorten in Europa, zwischen dem Ural und Portugal“, betont Rolf Bielau. Allerdings seien da einige auch doppelt gezählt, weil sie in anderen Ländern andere Namen haben. So könnten auch jedes Jahr andere Sorten gezeigt werden. „Die Himmelsstürmer können fünf Meter hoch werden“, sagt Gisela Ewe zu einer Sorte, die sie angezogen hat.
Der Samen für die zahlreichen Pflanzen kam von mehreren Tomatenfreunden wie auch Matthias Stier oder der Firma Satimex aus Quedlinburg. Gisa und Heinz-Dieter Hoppe aus Quedlinburg, die sich in der Fachgruppe Tomaten des bundesweit tätigen Vereins zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt engagieren, hatten ihre Pflanzen schon in der Vorwoche selbst in die Erde gebracht. Sie haben in diesem Jahr den Schwerpunkt auf Sorten des wahrscheinlich erfolgreichsten Tomatenzüchters der USA, Alexander Livingston, gelegt. Rolf Bielau brachte verschiedene Samen einst von seinen Dienstreisen mit.
„Wenn Sie jeden Tag was zu essen kriegen, werden Sie faul“
Bielau kennt sich mit dem Tomatenanbau aus. „Die werden erst morgen gegossen“, sagt er den beiden Mitarbeitern im Tomatengarten. Wenn sie „durstig“ sind, dann bilden die Tomaten Wurzeln, mit denen sie selbst aus 1,5 Meter Tiefe Feuchtigkeit ziehen könnten, erläutert Rolf Bielau. „Wenn Sie jeden Tag was zu essen kriegen, werden Sie faul“, vergleicht Bielau die Pflanzen mit den Menschen. In Holland würden sie in den Gewächshäusern sogar erst nach zwei oder drei Tagen gegossen. Einmal pro Woche richtig wässern sei beim aktuellen Wetter besser als täglich einen Schluck, denkt auch Gisela Ewe.
Dass die Tomaten jedes Jahr im selben Garten in der Froser Straße wachsen, sei nicht schlimm. „Die alten Gärtner sagen, Tomaten wachsen am liebsten im eigenen Dreck“, sagt Gisela Ewe. Solange die Pflanzen nicht krank waren, könnte man das machen. Am besten wäre natürlich, Stalldünger im Herbst einzuarbeiten. Hornspäne oder die chemische Düngung mit Blaukorn wären auch möglich, weiß Bielau. Hier wurde im Herbst eine Zwischenfrucht wie Phacelia angebaut und eingearbeitet. Die Pflanzung erfolgte in diesem Jahr etwas spät, doch bis zum Tomatentag werden hier viele Tomaten wachsen. (mz)