Zwangsversteigerung Zwangsversteigerung: Hauskauf beim Amtsgericht
Halle/MZ. - "Das hätte ich nicht gedacht", staunt Bernd J., der das erste Mal zu einer Zwangsversteigerung gekommen ist: Außer ihm und einem weiteren Herrn ist kein anderer Bieter erschienen. Dabei soll in den nächsten Minuten ein Einfamilienhaus im Saalkreis mit knapp 3 000 Quadratmetern Grundstück unter den Hammer kommen, befriedigender Bauzustand, Verkehrswert laut gerichtlichem Gutachten: knapp 75 000 Euro.
Jäger kannte das Grundstück schon lange, vom Vorbeifahren. Als er durch eine Anzeige in der Mitteldeutschen Zeitung von der Versteigerung erfuhr, sah er sich "aus reiner Neugier" das Wertgutachten im Amtsgericht an. Sein Fazit: "Wenn ich nicht schon ein Haus und einen Kredit hätte, würde ich heute richtig mitbieten."
So aber bringt der Familienvater lediglich eine vage Hoffnung mit: "Bis maximal 12 000 Euro würde ich gehen, um das Haus daraufhin zu sanieren und zu vermieten."
Dass die Versteigerung an diesem Vormittag bereits in ihre zweite Runde geht, verbessert seine Chancen auf ein Schnäppchen, wie Sybille Sonntag, Rechtspflegerin im Amtsgericht Halle-Saalkreis, bestätigt: "Im Ersttermin darf der Zuschlag keinesfalls unterhalb der Fünf-Zehntel-Grenze, also der Hälfte des Verkehrswertes, erteilt werden."
Diese Klausel im Zwangsversteigerungsgesetz (ZVG) soll den Schuldner vor einer Verschleuderung seines Besitzes bewahren." Der Gläubiger könne sogar auf 70 Prozent des Verkehrswertes bestehen. Diese Grenzen aber gelten, nachdem im Ersttermin mindestens ein Gebot abgegeben wurde, bei Folgeterminen nicht mehr.
Die Hoffnungen von Bernd J. lösen sich dennoch rasch in Luft auf. Denn sein einziger Konkurrent im Saal erweist sich als Profi: Hermann Vieths Job ist es, für Gläubigerbanken bei Zwangsversteigerungen herauszuholen, was herauszuholen ist: Seine Firma wirbt bundesweit Interessenten für zu versteigernde Immobilien oder bietet selbst mit, um das Objekt anschließend wieder unters Volk zu bringen. Kaum dass die Bietstunde (die laut Gesetz 30 Minuten dauert) eröffnet ist, gibt Vieth sein Gebot ab: rund 37 000 Euro, das Minimum dessen, was die Bank bereit ist zu akzeptieren. Kein Zufall, Vieth hat sich vorher mit dem Geldhaus abgestimmt.
Das ist durchaus üblich und zulässig, wie Sybille Sonntag bestätigt: "Die Banken können sogar selbst mitbieten, um den Preis in die Höhe zu treiben." Gerade Anfänger sollten sich deshalb vorab ein Limit setzen, bei dem sie definitiv aussteigen. "Denn wer den Zuschlag erhält, wird unwiderruflich Eigentümer der versteigerten Sache - mit allen Konsequenzen."
Hermann Vieth indes ist zufrieden mit seinem Kauf: "Während Eigentumswohnungen, Mehrfamilienhäuser oder Gewerbeobjekte nicht selten drei oder mehr Termine brauchen, gehen Eigenheime wie dieses meist gleich beim ersten Mal bei etwa 75 Prozent des Verkehrswertes weg. Der Preis ist deshalb sehr attraktiv", rechnet der Immobilienverwerter vor, der mit seinen neun Mitarbeitern an rund 800 Zwangsversteigerungen im Jahr teilnimmt. Drei Kaufinteressenten hatte Vieth schon vor dem Termin akquiriert. "Das Problem war nur: Sie wollten das Haus von innen sehen. Aber der Besitzer ließ uns nicht hinein."
"Ein Rechtsanspruch auf eine Besichtigung besteht in der Tat nicht", unterstreicht Sybille Sonntag. Wer bei einer Zwangsversteigerung mitbiete, müsse damit leben, " etwas zu kaufen, was er nicht genau kennt und auf das es keinerlei Gewährleistung gibt". Selbst die Verkehrswertgutachten, die im Auftrag der Gerichte für jedes Objekt angefertigt werden, könnten dieses Risiko nicht vollends ausräumen: "Die Sachverständigen dürfen für ihre Untersuchungen zum Beispiel keine Dielenbretter anheben oder Putz abhacken. Versteckte Baumängel bleiben deshalb mitunter unentdeckt." Zudem könne sich zwischen Gutachten und Zuschlagserteilung manches am Objekt verändern.