Wutausbrüche - Wenn Frauen nur noch schreien
München/dpa. - Es war nur eine Kleinigkeit und doch so, als würde ein unsichtbarer Schalter umgelegt: Obwohl sie eben noch gelacht hat, schreit und weint sie jetzt, knallt Türen und wirft mit Gegenständen.
Wenn Frauen plötzlich die Nerven verlieren, kommt das nicht nur für ihre Partner überraschend. Auch sie selbst sind häufig über sich erschrocken. Meist hat sich bis zu diesem Zeitpunkt schon viel Frust angesammelt, der sich so entlädt. Damit es erst gar nicht so weit kommt, sollten Frauen frühzeitig die Notbremse ziehen. «Wenn Frauen ausrasten, liegt meistens schon ein langer Weg unterdrückter Emotionen hinter ihnen», sagt Evelyn Albrecht, Lebensberaterin aus München.
Über Wochen oder Monate sammeln sich Enttäuschungen, Überbelastungen, Frust und Wut an, bis es schließlich zum großen Knall kommt. «Frauen relativieren Probleme sehr lange und reißen sich stark zusammen.» Haushalt, Beruf, Freizeitaktivitäten, Kinder: «Frauen stehen häufig unter einer enormen Mehrfachbelastung und kämpfen sich durch eine Vielzahl von Aufgaben», so Albrecht. Dabei vergessen sie sich oft selbst: «Es wird immer alles brav erledigt, ohne Freiräume für die eigenen Bedürfnisse zu schaffen.»
Auch Ute Zander glaubt, dass besonders Frauen dazu neigen, ihre Gefühle unter den Teppich zu kehren: «Viele Frauen denken sich, das sei alles noch nicht so schlimm und beißen lieber die Zähne zusammen, anstatt Stopp zu sagen», sagt die Diplom-Psychologin aus Hamburg. Was aber nicht bedeutet, dass Frauen keine Signale senden, wenn ihnen die Aufgaben über den Kopf wachsen: «Probleme werden schon kommuniziert, aber nicht direkt genug.» Anstatt klar zu sagen: «Ich kann nicht mehr», formulierten Frauen eher beschönigend: «Es ist schon alles sehr anstrengend, aber es wird wohl gehen müssen».
Und so geht es weiter, ohne dass rechtzeitig die Notbremse gezogen wird. «Der Ausraster sollte deshalb nicht bagatellisiert werden», warnt Albrecht. «Buchen Sie den großen Knall nicht einfach als Ausrutscher ab», rät auch Ute Zander. Wie konnte es so weit kommen? Was zeigt die Wut? Was muss geändert werden? «Nur durch eine Rückschau lässt sich auch für die Zukunft ein besseres Leben umsetzen.»
Wichtig sei dabei, auch die Warnsignale des Körpers zu erkennen. «Der Körper will uns schützen und zeigt genau, wann es brenzlig wird», sagt Albrecht. Magenschmerzen, Schlafprobleme, Grübelfallen oder häufige Antriebslosigkeit: «Diese Symptome sollten ernst genommen werden.»
Der erste Schritt aus der Überlastung ist, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen. Dafür müssen sich Frauen Zeit nehmen. «Achten Sie auf die Warnsignale, tun Sie sich was Gutes», rät Albrecht. Einen Tag Auszeit nehmen, sich mit guten Freunden treffen, alles von der Seele reden - das befreit. Daneben kann es gut tun, die Wut rauszulassen, anstatt sie runterzuschlucken. «Ein richtiger Wutausbruch befreit.»
Doch viele Frauen haben nie gelernt, ihre Aggressionen auszuleben, sagt Zander. Gesellschaftlich ist es nach wie vor eher den Männern gestattet, wütend zu sein. Das zeigt auch eine Untersuchung der amerikanischen Psychologen Victoria L. Brescoll und Eric Luis Ullmann von der Universität Yale. Probanden wurden Videos wütender Männer und Frauen gezeigt. Ihre Bewertung zeigte: Die Wut der Männer wurde positiv gewertet, die der Frauen negativ. «Eine wütende Frau verliert an Status, ganz gleich in welcher Position sie ist», so Brescoll. «Bei Männern ist der offene Umgang mit Wut eine akzeptierte Verhaltensweise, Frauen sind da noch sehr verunsichert und trauen sich das aus Angst vor Ablehnung nicht zu», so Albrecht.
So wünschenswert ein gesunder Umgang mit Frust und Wut auch ist, das Ausrasten sollte nicht zur Alltäglichkeit werden. Wenn Frauen regelmäßig die Nerven verlieren, gilt es genau hinzusehen. «Überlegen Sie sich, wie Sie Ihre Situation verbessern können», rät Albrecht. Ein Gespräch mit dem Partner kann möglicherweise neuen Frustrationen vorbeugen. «Relativieren Sie nicht, sondern sagen Sie ehrlich, was Sache ist.»
Doch was können Frauen tun, wenn die Wut in einem völlig unpassenden Moment hochkocht? «Dann helfen SOS-Programme», sagt Zander. «Reden Sie nicht, sondern bitten Sie um eine Auszeit.» Ob Geschäfts- oder Familientreffen: «Laufen Sie einmal um den Block, das baut Adrenalin ab und befreit den Geist.»
INFO: Auch der Zyklus beeinflusst die Stimmung
Plötzliche Stimmungsschwankungen können laut Evelyn Albrecht auch Folge des weiblichen Zyklus' sein. Um einen Überblick zu bekommen, hilft ein Tagebuch. «Schreiben Sie auf, wann Sie wütend sind, machen Sie sich Notizen über Ihre Tagesform», rät die Beraterin aus München. Wenn die Wut alle 28 Tage auftaucht, liegt der Verdacht nahe, dass die Hormone zumindest zum Teil schuld sind. «Dann sollten Frauen sich vom Gynäkologen beraten lassen.»