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Wohnen Wohnen: Wanduhren spiegeln Zeit und Zeitgeist wieder

Von Melanie Brandl 09.09.2003, 16:09
Edler Chronometer für zahlungskräftige Kunden: Das Modell M1587 vom Hersteller Sattler kostet 22 000 Euro. (Foto: dpa9
Edler Chronometer für zahlungskräftige Kunden: Das Modell M1587 vom Hersteller Sattler kostet 22 000 Euro. (Foto: dpa9 Sattler

Furtwangen/München/dpa. - Im Zeitalter von Videorekordern mit integrierter Uhr, Küchenradios mit Chronometer und Handy-Displays mit digitaler Zeitanzeige hat es die klassische Wanduhr schwer. Doch Wanduhren sind nicht nur praktisch, sondern auch dekorativ. Ob über dem Sofa ein edler Regulator mit Holzgehäuse oder eine schreiend bunte Plastikuhr hängt, ist allerdings nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern auch des Geldbeutels.

«Genau wie bei Armbanduhren spaltet sich der Markt bei Wanduhren in zwei Segmente», erklärt Johannes Graf, stellvertretender Leiter des Deutschen Uhrenmuseums in Furtwangen. «Es gibt einen Hochpreissektor, bei dem es fast egal zu sein scheint, wie teuer so eine Uhr ist. Der Rest sind billige Produkte, die mit der Mode wechseln und entsorgt werden, wenn sie kaputt gehen.»

So eine Wegwerf-Uhr kommt für echte Liebhaber natürlich nicht in Frage. Für sie ist eine Wanduhr eine Investition fürs Leben, die an die nächste Generation weitergegeben wird. Ein handgearbeitetes Stück mit mechanischem Präzisionsuhrwerk und vergoldeten Zahnrädern darf deshalb schon mal den Wert eines Kleinwagens haben. «Zwischen 17 000 und 30 000 Euro kosten unsere Sekundenpendeluhren», sagt Stefanie Sattler von der Großuhren-Manufaktur Erwin Sattler in Gräfelfing bei München. Kleine Regulatoren gibt es ab 2000 Euro.

Gefragt sei neben klassischen Gehäusen mit Spitzdach auch modernes Design. «Da ist dann das Holz schwarz lackiert und die Pendel und Gewichte sind chromfarben», beschreibt Sattler die Modelle. Wer etwas ganz Besonderes in der guten Stube haben will, kann sich seinen Regulator sogar selbst montieren: «Der Bausatz enthält nicht nur alle Teile für Uhrwerk und Gehäuse, sondern auch ein Buch, das die einzelnen Funktionen genau erklärt. So kann sich auch ein Laie seine eigene Uhr bauen.»

Andere Uhrenfans schwören auf alte Originale. «Das Wichtigste ist dabei erst mal, dass so eine Uhr optisch gefällt», erläutert der Möbelrestaurator und passionierte Wanduhren-Sammler Axel Hacke aus München. «Dazu kommt dann das mechanische Räderwerk. Das stellt irgendwie eine Art Leben dar, weil sich dort etwas bewegt und Geräusche macht.» Auf die Art der Geräusche sollten Kunden beim Kauf genau achten: «Einem nervösen Typ würde ich niemals eine kleine Wanduhr mit kurzem Pendel empfehlen, weil die schnell tickt. Erst ein behäbiges und langsames Tick-Tack vermittelt eine gewisse Ruhe.»

Zeit und Geduld ist vonnöten, um bei alten Wanduhren das Passende zu finden oder gar ein Schnäppchen zu machen. «Nicht zum Händler gehen und die erstbeste kaufen, sondern sich umschauen, vielleicht mal Auktionen besuchen», rät Hacke. So entwickele sich ein Gespür dafür, was eine alte Uhr kosten darf. «Dann kann man nicht mehr viel falsch machen.»

So viel Zeitaufwand ist beim Erwerb neuer und nicht ganz so teurer Uhren natürlich nicht notwendig. Bei Fachhändlern wie der Firma Schmitz Wanduhren in Schkeuditz (Sachsen) ist die Auswahl groß: von der schlichten Bürouhr mit Bahnhofszifferblatt über farbige Küchenuhren mit Obstmotiven, Kuckucksuhren, Pendeluhren aus Metall, Glas und Holz bis hin zu Regulatoren mit geschnitzten Verzierungen. Eine schlichte Kunststoffuhr gibt es schon ab 15 Euro.

Der größte qualitative Unterschied liege im Uhrwerk selbst, sagt Silke Winkler von der Firma Schmitz. Generell seien batteriebetriebene Quarzuhren meist billiger als solche mit mechanischem Werk, das regelmäßig aufgezogen werden muss, ergänzt Johannes Graf vom Deutschen Uhrenmuseum. «Aber es gibt natürlich auch teure Quarzuhren und billige Plastikräderwerke.»

Da der Markt für Großuhren eng geworden ist, konzentrieren sich Hersteller wie Junghans aus Schramberg (Baden-Württemberg) mittlerweile auf wenige Spezialprodukte. «Bei uns steht zum Beispiel die Funkwanduhr im Vordergrund», sagt Produktmanager Christian Thiel. «Da muss man bei der Zeitumstellung nicht mehr mühsam auf den Stuhl klettern, um sie abzuhängen. Die Uhr stellt sich ganz von selbst.»

Das kann die «singende Vogelwanduhr» von Kookoo aus Erding (Bayern) nicht. Dafür ist sie mit ihrem Tierzifferblatt nicht nur ein Hingucker, sondern bietet auch akustische Überraschungen: Zu jeder vollen Stunde zwitschert ein anderer Singvogel. «Und für die Kleinen gibt es diese Uhr mit verschiedenen Tiermotiven», erklärt Sprecherin Bettina Peschko. Da bellt dann um 5.00 der Hund, kräht um 6.00 der Hahn, und um 12.00 Uhr grunzt das Schwein.

Wem das noch nicht schräg genug ist, der wird vielleicht fündig unter http://www.desaster.com beim Internet-Shop «desaster.com» aus Eschenbach (Baden-Württemberg). Neben der knallbunten, wasserfesten und mit Saugnäpfen ausgestatteten Duschuhr «Splash» findet sich hier das Modell «Minimalist», das nur aus riesigen Zeigern besteht. Das Zifferblatt muss man sich vorstellen - oder selbst auf die Tapete malen.