Wohnen Wohnen: Leben in alten Bunkern
Hamburg/Wilhelmshaven/dpa/gms. - Wohnen in einem Bunker? Auf den ersten Blick scheint beides nicht zusammen zu passen. Haben die grauen Betonburgen aus dunkler Vergangenheit doch nichts gemein mitden Vorstellungen eines gemütlichen Heims. Mit Kreativität und etwas Sprengstoff lassen sich aus den Schutzburgen des Zweiten Weltkrieges aber durchaus luftige und helle Behausungen machen.
Helga und Günter Michels bewohnen bereits seit mehr als 30 Jahren einen umgebauten Bunker in einem Villenviertel in Wilhelmshaven. Um ihren Bunker bewohnbar zu machen und Platz für Fenster zu schaffen, wurden Löcher in einige Außenwände gesprengt, erzählen sie. Die Heizungsanlage und die zu den Wohnungen gehörenden Kellerräume befinden sich mangels Unterkellerung alerdings im Erdgeschoss.
Nachteile des Bunkerlebens kann Helga Michels nicht finden höchstens die geringe Deckenhöhe, die zwischen 2,25 und 2,48 Metern liegt, könnte einem mißfallen, sagt sie. «Uns hat das aber nie gestört.» Vorteile böten hingegen besonders die dicken Wände: «Das Klima ist gut. Im Winter ist es angenehm warm, im Sommer schön kühl.»Doch das Schönste sei die Aussicht: «Wir haben kein Haus gegenüber und sehen direkt ins Grüne. Es ist ruhig, und trotzdem wohnen wir mitten in der Stadt», schwärmt sie.
Die Besonderheit, dass die Michels ein Gebäude mit Geschichtebewohnen, stößt bei Besuchern und Anwohnern auf sehr unterschiedlicheResonanz: «Einige sind ganz erstaunt, wenn sie erfahren, dass wir ineinem Bunker wohnen, weil man das dem Gebäude gar nicht mehr soansieht», sagt Helga Michels. Andere jedoch wollten der unangenehmenErinnerungen wegen nicht in einem Bunker wohnen.
Bunkerbesitzer und -bewohner Jürgen Wustmann aus Hamburg hatandere Erfahrung mit Zeitzeugen gemacht: «Es sind für viele Menschennicht nur schlechte Erinnerungen mit dem Bunker verknüpft, sondernauch gute, dass man dadurch überlebt hat», sagt er. Während derUmbauphase seien einige Menschen vorbeigekommen, die erzählten, dasssie als Kinder dort Schutz gesucht hätten.
Der zunächst als Weinlager genutzte Bunker wurde 1999 vonWustmann, Geschäftsführer eines Elektrogeschäfts, und seinemGeschäftspartner gekauft. Zunächst wurde das Büro der Firmaeingerichtet, danach auf dem Dach fünf Wohnungen. Um die als Bürogedachten unteren Bunkeretagen mit Tageslicht zu versorgen, hatWustmann die einen Meter dicke Bunkerwand auf einer Breite von 15Metern und einer Höhe von 6 Metern entfernen lassen. Schließlichwurde ein Glaskasten davorgesetzt. Das Ergebnis bringt so manchenSpaziergänger dazu, kurz oder etwas länger staunend stehen zubleiben.
Wohnungen ausschließlich auf dem Dach eines Bunkers baut KaiEsselsgroth, Geschäftsführer des Architektur- und Planungsbüros PISAin Hamburg. Er schätzt, dass sein Bunkerprojekt im April 2003 fertiggestellt sein wird. Die Frage, warum es gerade ein Bunker seinsollte, beantwortet Esselsgroth mit dem zunehmend «trägeren undschwereren» Wohnungsmarkt: «Wenn man heutzutage etwas verkaufen will,muss man sich schon etwas Besonderes einfallen lassen.»
Auch für andere Zwecke sind Bunker gut zu verwenden: So beherbergtder Kunstbunker Tumulka in München seit einigen Jahren moderne Kunst.Den Bunker als Ausstellungsort zu verwenden,war die Idee von Michael Heufelder, dem künstlerischen Leiter desProjektes: «Ich habe durch einen Zufall den Vormieter getroffen, derdarin einen Weinhandel hatte und den Raum nicht mehr brauchte»,erzählt Heufelder von den Anfängen. Dank eines «Gentleman-Agreements»mit dem Vermieter konnte er das Gebäude günstig mieten.
Doch die außergewöhnlichen Ausstellungsräume haben Heufelderzufolge auch ihre Schattenseiten: «Durch die dicken Wände werdenWärme, aber auch Kälte sehr gut gespeichert, so dass wir denJahreszeiten immer ein bis zwei Monate hinterherhinken. Besonders imWinter werde der Ausstellungsbunker nicht mehr warm. Da droht dannneben dem Gruselgefühl noch eine echte Gänsehaut.