Wohnen Wohnen: Fotofliesen täuschen die Sinne

Frankfurt/Main/Voorhout/dpa. - Der Weg zur Dusche führt erst über Kieselsteine und dann über azurblaue Swimmingpool-Wellen. Doch weder kribbelt es an den Sohlen, noch werden die Füße nass - denn die Steine und das Wasser sind nicht echt, sondern täuschend realistische Fotografien, die auf Fliesen übertragen wurden. Ob tropische Unterwasserlandschaft für den Swimmingpool oder laszive Badenixe für die Duschwand: Spezialisierte Firmen können mittlerweile so gut wie jedes Bild auf Fliesen abbilden.
«Für eine Brauerei haben wir den Boden in einem Gebäude mit Bierschaum ausgelegt», erzählt Peter Nelissen, Direktor des Unternehmens Art on Tiles aus Voorhout in den Niederlanden, von einem seiner bisher spektakulärsten Projekte. Ein anderer Kunde dagegen wollte auf den Bodenfliesen seines Swimmingpools seine Jacht in Originalgröße sehen. Und besonders aus Japan kämen häufig Anfragen, einen wisch- und wasserfesten van Gogh für das Badezimmer zu bekommen.
«Wir haben einer Kundin auch schon die Abbildung ihres Hundes in die Dusche gebaut», sagt Margit Schwarz von der Firma cera-pic aus Frankfurt. Ihr umfangreiches Bilderarchiv war für die hauptberufliche Werbefotografin der Anlass, über neue Verwertungsmöglichkeiten nachzudenken. Seit knapp einem Jahr ist das Archiv jetzt eine Fundgrube für Kunden, denen die üblichen Fliesen zu langweilig sind.
Wie das Unternehmen aus Frankfurt bietet auch die Konkurrenz professionelle Motive aus der Datenbank. «Wir haben 500 Standardmotive, die auf Anfrage auf CD-ROM verschickt werden», sagt Markus Hissenkämpfer von der Firma Cera It aus Bielefeld. Die Auswahl reicht von Wassermotiven mit Delfinen, Südseestrand oder Riesenmuscheln bis hin zu Obst und Gemüse - laut Hissenkämper die Dekor-Favoriten für die Küche. Mehrere tausend Motive finden sich nach Angaben von Peter Nelissen in der Datenbank von Art on Tiles. Ob Haie, Chili-Schoten oder ein Gemälde von Monet: «Es gibt wenig, von dem wir kein Bild haben», verspricht er.
Zudem können die Kunden bei allen Anbietern auch ihre eigenen Bilder einschicken. Unscharfe Schnappschüsse sollten es jedoch besser nicht sein - vor allem, wenn es um eine größere Fläche geht. «Je größer, desto besser sollte das Foto sein», rät Hissenkämper.
Der Weg von der Kundenidee zur fertigen Fliese unterscheidet sich von Unternehmen zu Unternehmen kaum. «Der Kunde wendet sich zum Beispiel mit dem Wunsch nach einem Unterwasserbild mit Haien an uns», beschreibt Nelissen das übliche Vorgehen. «Wir fragen nach, wie groß es sein soll und ob das Bild für den Boden oder für die Wand gedacht ist», erklärt er. Denn werden Fliesen für die Wand in der Dusche angefordert, müssen sie in punkto Strapazierfähigkeit andere Eigenschaften mitbringen als etwa Bodenfliesen in einem öffentlich genutzten Bereich. «Wir machen dann verschiedene Vorschläge und warten auf das Okay des Kunden, bevor wir eine Probefliese anfertigen.»
«An der Probefliese lässt sich erkennen, ob die Farben wirklich stimmen», erklärt Schwarz. Erst wenn der Auftraggeber damit zufrieden ist, werden alle für das jeweilige Projekt benötigten Fliesen produziert. Wie die Fotos auf die Fliesen übertragen werden, dafür haben die einzelnen Firmen ihre eigenen, teilweise geheimen Rezepte. «Wir machen einen Scan vom Foto, der am Computer bearbeitet wird», beschreibt Schwarz das Vorgehen bei cera-pic. «Die Fugen werden einberechnet, damit sich das Bild genau zusammensetzt.»
Anschließend werden die Bilder per Drucker und Spezialtoner auf die Matt- oder Hochglanzfliesen übertragen und gebrannt. «Dann sind sie kratz- und hitzefest und frostsicher», sagt Schwarz. Die Konkurrenz aus den Niederlanden setzt auf drei verschiedene Verfahren, je nachdem, wie viel die Fliesen später aushalten müssen.
Zwischen zwei und acht Wochen dauert es, bis die Fliesen beim Auftraggeber eintreffen. Damit beim Verlegen nichts schief läuft, arbeiten die Hersteller mit Handwerkern in der jeweiligen Region zusammen oder kümmern sich bei Bedarf um einen qualifizierten Experten. Geht dennoch einmal eine Fliese kaputt, ist das laut Nelissen kein Drama: Jedes Teil ist nummeriert und im Computer gespeichert. Bei Bedarf kann daher auch eine einzelne Fliese nachproduziert werden.
Wer in seinem Bad künftig von einem blauen Himmel umgeben sein will statt angeschlagene Siebziger-Jahre-Kacheln anzustarren, muss dafür jedoch vergleichsweise tief in die Tasche langen. «Der Quadratmeter kostet etwa 500 Euro, dazu kommt noch der Scan, der bei 40 Euro anfängt», sagt Schwarz. Bei Cera It fangen die Preise bei 384 Euro für den Quadratmeter an.
Zwischen 850 und 900 Euro je Quadratmeter müssen bei Art on Tiles veranschlagt werden. «Dazu kommen eventuell noch die Bildrechte», erklärt Nelissen - etwa, wenn der Kunde ein Bild aus dem Louvre in Paris für die heimische Dusche haben möchte. «Billig ist das nicht, aber billig besteht auch nicht», sagt Nelissen. Und schließlich bekomme der Kunde mit den individuellen Fliesen auch etwas Einzigartiges: «Man kann etwas machen, was niemand sonst auf der Welt hat.»