Was für ein Job! Was für ein Job!: Darum sollten wir Erziehern viel öfter "Danke" sagen
Köln - Das eine Kind findet seine Mütze nicht. Ein anderes macht Gummistiefel-Weitwurf. Das eine muss in voller Montur doch nochmal aufs Klo. Das andere weint, weil die Jacke klemmt. Während die anderen aufgedreht herumhüpfen und sich Pups-Sprüche zurufen.
Wer einmal beobachtet hat, wie 20 Kita-Kinder an einem regnerischen Tag für den Garten angezogen werden, der versteht, welche fast unmöglichen Aufgaben Erzieher täglich leisten. Und dieses Szenario ist nur eins von vielen anspruchsvollen Situationen, die zu diesem Beruf dazugehören. Trotzdem halten sich die Klischees hartnäckig, dass Erzieher ja nur vorlesen und Lieder singen. Dass das eigentlich fast jeder kann, so ein bisschen Bemuttern.
„Es geht nicht um Basteln und Gitarre spielen“, sagt auch die Erzieherin Lisa Weisbrod. Für den Beruf des Erziehers brauche es nicht nur nette, liebevolle Menschen, sondern sie „müssen gleichzeitig intelligent genug sein, die fachlichen Anforderungen zu erfüllen.“ In ihrem Buch „Frau Weisbrod, dein Popo ist echt zu groß für den Stuhl“ führt sie 111 Gründe an, warum dieser Job so schön ist. Sie zeigt aber auch auf, was Erzieher können und jeden Tag leisten müssen.
Wir stimmen ihr zu und kennen einige Gründe, warum Erzieher echte Helden sind:
Weil Erzieher an so viel denken – und so viel lenken müssen
Wer einmal eine Stunde in einer Kindergartengruppe verbracht hat, der weiß zu gut, welche Managementfähigkeiten für den Beruf des Erziehers gebraucht werden. Denn nicht nur müssen Erzieher in einem ständig lauten, wuseligen Umfeld auf unzählige Fragen und Wünsche der Kinder eingehen. Sie müssen das ganze Chaos auch noch in eine Struktur aus Mahlzeiten, Stuhlkreis, Leserunden, Schlafpausen, Spielplatz und AGs betten. Das heißt vordenken, organisieren und die Zeit immer im Blick haben. Wann wird der Tisch gedeckt? Wann putzen die großen Kinder Zähne? Wann gehen die kleinen Kinder schlafen? Nebenbei passiert immer noch ein Haufen unvorhersehbarer Dinge. Die Erzieher dürfen dabei aber nicht die Nerven verlieren und schon gar nicht gestresst an die Sache herangehen. Denn jeder weiß, was passiert, wenn man Kinder dazu zwingt sich zu beeilen.
Weil Erzieher so viel wissen (müssen)
Was ist denn das jetzt schon wieder für eine komische Phase?! Unsere Kinder geben uns regelmäßig Rätsel auf. Spricht man die Erzieher auf das Thema an, nicken sie oft nur wissend und erklären kurz und prägnant, wie normal dies und jenes in diesem Alter ist und geben kleine praktische Tipps – noch bevor wir selbst überhaupt einen Elternratgeber zur Hand nehmen konnten. Sie wissen sehr viel über frühkindliche Entwicklung, Motorik, Sprache, Sozialverhalten, Trotzphasen und Gruppendynamiken. Und dazu noch, wie man in welcher Phase mit welchen Mitteln die persönliche Entwicklung des Kindes positiv beeinflussen kann.
Weil sie im Trubel trotzdem jedes Kind im Blick halten
Manchmal sind schon zwei Kinder genug, um den Überblick zu verlieren. Kaum vorstellbar, wie das bei 20 Kindern sein muss. Doch beim täglichen Abholen bekommen Eltern einen detaillierten Bericht darüber, wie das Kind am Tag gegessen hat, was es erzählt hat und wie hoch es geklettert ist. Wie um alles in der Welt konnten sie das bei all dem Trubel wahrnehmen? Sie können es nicht nur, sondern sie müssen sogar jedes Kind in seiner Entwicklung beobachten, reflektieren und dokumentieren. Das bedeutet ganz praktisch, dass Erzieher täglich genau hinschauen, viele Notizen machen und Dokumentationsbögen ausfüllen müssen. „Pädagogik ist auch immer Detektivarbeit“, sagt Lisa Weisbrod. Dazu müsse das Kind im Gesamten betrachtet werden, seine Familie, seine Kultur, Religion oder Medieneinfluss. Nur so könne man das Verhalten eines Kindes wirklich ergründen.
Weil sie täglich mit uns Eltern zusammenarbeiten (müssen)
Jeden Tag geben wir unsere Kinder – das Wichtigste, was wir haben – in die Obhut der Erzieher. Gerade am Anfang, wenn sie noch klein sind, ist das ein großer Schritt. Es hat viel mit Vertrauen zu tun. Ab diesem Moment gehen Eltern und Erzieher eine „Bildungs- und Erziehungspartnerschaft“ ein, sagt Lisa Weisbrod. „Das bedeutet, dass man sich offen und respektvoll über das Kind und seine Entwicklungsschritte austauscht.“ Das sei nicht immer einfach. Besonders wenn Erzieher in Entwicklungsgesprächen mit den Eltern etwa Probleme im Verhalten des Kindes ansprechen müssten. „Manchmal wollen Eltern nicht hören, was wir zu sagen haben.“ Doch gerade hier müssten Erzieher Feingefühl beweisen und zu jeder Zeit geduldig, tolerant und aufrichtig bleiben, schließlich stehe das Kind im Mittelpunkt, so Lisa Weisbrod.
Weil sie unsere Kinder im Alltag fördern
Wie heißt es immer so schön: Kleine Kinder müssen gefördert werden! Aber bitte kein Chinesisch-Kurs mit drei – ja nicht überfordern! Diesen Spagat müssen Erzieher jeden Tag lösen. Und tun das mit scheinbar simplen Methoden. In der Kita wird „Förderung“ in den Alltag eingebaut. Zum Beispiel wenn Kinder in der Gruppe Haushaltsaufgaben bekommen oder sich um Kleinere kümmern. Und im Bereich Sprachförderung. „Wir nutzen alle Anlässe des Tages, um mit den Kindern zu kommunizieren“, sagt Lisa Weisbrod. Wie man mit ihnen spreche, spiele eine große Rolle. Das könne man beim Anziehen, Wickeln, Singen und Erzählen ganz einfach umsetzen. „Wir lassen Kinder aussprechen, hören ihnen zu und vermitteln ihnen Freude am Sprechen.“
Weil sie trösten – und manchmal auch retten müssen
Es ist immer schwer auszuhalten, wenn ein Kind sich wehtut. Auch wenn es nur eine Schürfwunde ist. Aber es passiert nun einmal. Erst recht in der Kita, wo so viele Kinder zusammen sind. Die Erzieher müssen dann halten, trösten, Pflaster kleben. Und etwa nach Stürzen genau darauf achten, ob sich ein Kind vielleicht seltsam verhält. Vor allem aber müssen sie aufmerksam sein, um zu erkennen, wenn ein Kind wirklich in Not ist, wenn es vernachlässigt, geschlagen oder missbraucht wird. Sie müssen Anhaltspunkte für eine mögliche Kindeswohlgefährdung erkennen und dann ruhig und bedacht handeln. „Erzieher tragen eine unglaublich große Verantwortung im Kinderschutz“, sagt Lisa Weisbrod.
Weil sie vielseitig und kreativ sein müssen
Uns Eltern bringt manchmal schon die Aufgabe, ein kleines Kastanien-Männchen zu basteln, an den Rand des Wahnsinns. Erzieher aber können solche Dinge. Sie helfen beim Basteln, Weben und Schminken. Sie experimentieren mit den Kindern, bringen ihnen die Natur nah und erklären schwierige Dinge in einfachen Worten. Sie geben Turnstunden und machen mit ihnen Musik. Nicht jeder Erzieher kann natürlich alles gleich gut, aber alle müssen die künstlerischen, musischen, mathematischen und bewegungsfördernden Grundlagen der Pädagogik beherrschen. Und auch lernen, wie man sensible Themen bespricht. Warum ist man tot? Wieso bin ich ein Junge? Da prasseln jeden Tag die großen Fragen auf die Erzieher ein. Bei ihren Antworten müssen sie zugleich diplomatisch und kreativ sein. Um kein Kind (oder deren Eltern) zu verwirren.
Weil sie täglich so viele Emotionen abkriegen – und bewältigen
Eltern wissen genau: Manchmal reicht schon ein Trotzanfall vor dem Frühstück, um mit Schlagseite in den Tag zu gehen. Erzieher aber kriegen den ganzen Tag ungefilterte Emotionen ab. Und zwar jegliche Form. Eifersuchtsdramen, Wutanfälle, Angstattacken, Streits, Freude und Zuneigung. All das muss man erst einmal aushalten und annehmen. Und natürlich angemessen reagieren können. Konflikte lösen, Ängste nehmen und sich mitfreuen. Oft sogar alles gleichzeitig.
Weil sie unsere Kinder annehmen, wie sie sind
Kinder sind so unterschiedlich. Es gibt die lauten Tonangeber. Die schüchternen Mitläufer. Die aufgeweckten Unruhestifter. Und alles zwischendrin. In der Kita sind alle willkommen und bekommen ihren Raum. Die Erzieher versuchen, die unterschiedlichsten Charaktere gut zusammenzubringen und zu zeigen, dass jeder etwas Besonderes ist und jeder etwas zählt. Denn alle singen zusammen. Alle essen zusammen. Machen Projekte zusammen. Und jeder darf im Stuhlkreis etwas erzählen. Egal welche Sprache er daheim spricht, welche Religion er kennt oder ob er eine Behinderung hat. Sie leben dadurch Integration, Inklusion und Gemeinschaft im Kleinen vor. Und das mit viel Zuwendung und Liebe.