1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. «Voll fett, Mama!» - Schüler untersuchen Jugendsprache

«Voll fett, Mama!» - Schüler untersuchen Jugendsprache

Von Stefanie Hanneken 26.06.2007, 13:50

Bremen/Tarmstedt/dpa. - «Voll fett, Mama!» - dies ist kein Kommentar zum Kaloriengehalt der Mahlzeit, sondern durchaus ein Lob an die Kochkünste der Mutter. Doch das weiß nicht jeder Erwachsene. Daher forschen in Bremen jetzt junge Experten über Jugendsprache.

«Urteile über die Ausdrucksweise der Jugendlichen werden meistens von Menschen gefällt, die dem Jugendalter längst entwachsen sind», sagt die Germanistin Ute Siewerts. Deshalb regte sie an der Universität Bremen ein Projekt an, bei dem Jugendliche selbst ihre Sprache erforschen.

Zusammen mit Sabine Bahr, Deutschlehrerin an der Kooperativen Gesamtschule Tarmstedt in Niedersachsen, gewann die Sprachwissenschaftlerin in diesem Jahr mit ihrer Idee beim Schulwettbewerb zum Jahr der Geisteswissenschaften. «Nun stehen uns 2000 Euro Preisgeld für das Projekt zur Verfügung», erzählt Siewerts. Und so werden jetzt 20 Schüler der zwölften Klasse zu Feldforschern. «Die Projektteilnehmer nehmen ihre Altersgenossen in verschiedenen Gesprächssituationen auf», erklärt die Germanistin. Danach werteten sie das Material aus.

Janina Gudusch (17) untersucht Dialoge von Hip-Hop-Fans: «Ich dachte, die sprechen am auffälligsten.» Bahr, die das Projekt zusammen mit Ute Siewerts betreut, meint: «Es gibt sehr viele Unterschiede in der Jugendsprache. Hip-Hop-Fans reden zum Beispiel anders als die Fans von Rockmusik.»

Um verschiedene Gesprächssituationen festhalten zu können, stand Janina mit einem Aufnahmegerät morgens mit Jugendlichen an der Bushaltestelle oder auf dem Schulhof und setzte sich auf Feiern zu ihnen. «Zuerst waren die Leute ziemlich zurückhaltend. Dann habe ich die Aufnahmen heimlich gemacht und hinterher gefragt, ob ich die benutzen darf», berichtet die 17-Jährige. «Jugendliche passen ihren Sprechstil der Situation an. Im Gespräch mit Erwachsenen reden sie anders als unter Gleichaltrigen», sagt Bahr. Wenn die Jugendlichen selbst die Gespräche aufnehmen, bleibt der Sprechstil ihrer Ansicht nach authentisch.

Manchmal hätten die Jugendlichen wirklich klischeehaft gesprochen, meint die Schülerin. «In jedem Satz kam 'ey, man, Alter!' oder 'korrekt!' vor.» Meistens hätten sie aber ganz normal geredet. Bahr hat festgestellt: «Jugendsprache ist nicht so sehr mit Ausdrücken gespickt, dafür ist der Satzbau anders als im Umgangsdeutsch.». Es gehe dabei um Selbstfindung und Abgrenzung von anderen Gruppen und von Erwachsenen.

Auch Marina Gefken (18) hat Spaß an der Sprachforschung. Die Schülerin vergleicht zwei Versionen desselben Jugendfilms aus den Jahren 1956 und 1996. «Es ist interessant, dass die jungen Leute früher auch anders gesprochen haben», sagt sie. «Heute schimpfen ja viele ältere Leute, dass die Sprache verfällt.»

Dies ist nach Ansicht der Projektleiterinnen Bahr und Siewerts nicht zu befürchten. «Jugendsprache gab es schon immer, und bereits im 19. Jahrhundert wurde bejammert, dass die deutsche Sprache untergeht», meint Siewerts. Die Sprachwissenschaftlerin sieht einen Wandel in der Jugendsprache. «Ich bin in den 80ern zur Schule gegangen. Da war die Sprache viel kritischer und politischer. Heute geht es in erster Linie um Spaß.»

Wer das Gefühl hat, bei der Sprache den Anschluss verloren zu haben, kann im November vielleicht ein paar aufschlussreiche Vokabeln lernen. Dann werden die Ergebnisse des Bremer Projekts der Öffentlichkeit vorgestellt.