Sinnvolle Warnung? Video auf Facebook gestellt: Vater filmt wie er dem Sohn vom Drogentod der Mutter erzählt - schreckt das andere wirklich ab?
Es ist fast nicht auszuhalten, dieses Video anzuschauen: Ein Vater sitzt mit seinem 8-jährigen Sohn am Tisch und erzählt dem Kind, dass in der Nacht zuvor seine Mutter gestorben ist – an einer Überdosis. „Meine Mama?“, fragt der Junge nur ungläubig und bricht dann in Tränen aus. Seine Oma tröstet ihn.
Wer filmt so einen schrecklichen Moment und verbreitet ihn auch noch im Netz? Der Vater, Brenden Bickerstaff-Clark, ein 29-Jähriger aus dem Bundesstaat Ohio, hat das nach eigenen Angaben ganz bewusst getan. Er veröffentlichte das Video auf Facebook und hat sogar dazu aufgerufen, es zu teilen.
„Sucht Hilfe, damit unsere Kinder nicht leiden müssen!“
„Das Video ist für alle Süchtigen, die Kinder haben“, schreibt er in Großbuchstaben unter dem Video. „Das ist die Wahrheit unserer Krankheit. Lasst nicht zu, dass jemand deinem Kind sagen muss, dass du an Drogen gestorben bist.“ Er selbst sei auch drogensüchtig und seit 94 Tagen clean und wolle mit dem Video aufrütteln. „Sucht Hilfe, damit unsere Kinder nicht leiden müssen!“ schreibt er weiter, und: „Bitte teilt dieses Video und helft dabei, das Leben von Eltern zu retten.“
Inzwischen wurde das Video über 35 Millionen Mal aufgerufen und 755.000 Mal geteilt. Die „Botschaft“ des Vaters wurde also verbreitet. Doch schreckt das wirklich Süchtige ab? „Ich glaube nicht, dass solche Bilder drogenabhängige Eltern davon abhält, zu konsumieren“, sagt Jürgen Meisenbach, Referent für Suchtprävention der Drogenhilfe Köln. „In einzelnen Fällen kann es natürlich passieren, dass der ein oder andere Süchtige nachdenklich wird. In der Regel finden die Betroffenen dann aber schnell Entschuldigungen, beschwichtigen sich selbst, nach dem Motto: so hart konsumiere ich ja nicht, bei mir ist das anders.“
„Krass! Warum macht der das?“
Auch junge Leute, die keine Drogen nehmen, warne so etwas nicht wirklich vor der Sucht. „Ich glaube, 80-90 Prozent der Jugendlichen, die das Video sehen, fragen sich eher: Krass! Warum macht der das? Ist das echt?“, so Jürgen Meisenbach. Es führe nicht dazu, dass sie sich mit der zentralen Botschaft Drogen beschäftigten.
Tatsächlich bleibt auch ein Restzweifel an der Echtheit der Aufnahme - auch wenn der Vater schreibt, er habe das Video nicht gestellt. Beweisen lässt sich das nicht. An der Frage nach dem Sinn solcher Aufnahmen ändert das nichts. Immer wieder werden schlimme Bilder zur Abschreckung viral verbreitet, wie etwa jüngst das erschütternde Foto zweier zugedröhnter Großeltern, die ein Kleinkind im Auto hatten.
Viele Süchtige haben das Bedürfnis vor Drogen zu warnen
Der Wunsch, wachzurütteln ist auf jeden Fall da. Dass Süchtige selbst einen solchen Mitteilungsdrang haben und über die Sucht aufklären wollen, das kennt Jürgen Meisenbach von seiner Beratungstätigkeit. „Manche wollen aktiv werden, an die Schulen gehen und allen erzählen, wie unverantwortlich es ist, Drogen zu nehmen.“ Selbst uneinsichtige Konsumenten hätten ein Bedürfnis, vor Drogen zu warnen, wenn es nicht um sie ginge. „Bei der Frage: 'Was würdest du deinem Kind sagen?' kommt es oft zu heftigen Reaktionen“, erzählt Meisenbach, „die Süchtigen sagen: Das würde ich dem verbieten! Das darf der nicht!“
Kind wird ausgestellt: Viel Kritik am Vater
Ein Video wie das von Brenden Bickerstaff-Clark scheint keine wirksame Methode zu sein, um wirklich über das Thema Drogen aufzuklären. Meisenbach findet es sogar unverantwortlich. „Einen 8-Jährigen so auszustellen ist nicht in Ordnung.“ Der Vater hätte das Kind auch anonymisieren und den Fokus auf sich selbst legen können. „Hätte er seine eigenen Emotionen zum Tod seiner Frau gezeigt, hätte das eine genauso abschreckende Wirkung gehabt.“
Auch im Netz wurde der Facebook-Post des Vaters kritisiert. Viele zeigten sich erschüttert, dass der Vater so eine schlimmen Situation öffentlich macht. Jordan12 kommentierte zum Beispiel: „Einen solchen Moment online zu stellen, damit die ganze Welt ihn sieht, das ist einfach lächerlich. Das arme Kind. Ich musste wirklich weinen.“