Veredeln macht Pflanzen schöner und robuster
Bonn/dpa. - Kopulation, Okulation, seitliches Anplatten, Geißfußpfropfen, Ablaktieren: Wer Gärtner über Veredelung sprechen hört, dem schwirrt der Kopf. Aber so schwierig die Begriffe klingen, sie alle bezeichnen den gleichen Vorgang: das Veredeln.
Dabei wird ein Triebstück oder eine Knospe, auch als Edelreis oder Edelauge bezeichnet, so eng mit einer fremden Pflanze, der Unterlage, verbunden, dass die beiden verwachsen. Eine neue Pflanze entsteht, die in sich die Eigenschaften beider verbindet.
Was auf den ersten Blick als gärtnerische Spielerei erscheint, bestimmt weite Bereiche unseres Lebens. Wir essen keinen Apfel, keine Kirsche, keine Orange, die nicht von einem veredelten Baum stammt. Veredelt sind die Rosensträucher, die die Blüten für den Geburtstagsstrauß liefern, ebenso wie das Weidenstämmchen im Kübel. Sogar viele Tomaten und Gurken stammen von veredelten Exemplaren, denn die Verbindung zweier unterschiedlicher Pflanzen hat Vorteile.
Der erste ist die hohe Vermehrungsrate besonderer Sorten. Nicht mehr als ein Auge ist nötig, um eine junge, leicht vermehrbare Heckenrose in die üppig blühende Beetrose 'Leonardo da Vinci' zu verwandeln. Veredelung macht aber auch empfindliche Sorten robuster. Japanischer Ahorn ist weniger heikel, wenn ihn die kräftigen Wurzeln eines einfachen Fächerahorns tragen.
Manchmal dient die Unterlage nur als Amme, die das Edelreis versorgt, bis es selbst ausreichend Wurzeln gebildet hat. Die richtige Unterlage erlaubt aber auch eine bessere Anpassung an schwierige Standorte. Vereinfacht gesagt, bestimmt die Unterlage Wachstum, Vitalität sowie Klima- und Bodentoleranz. Das Edelreis oder Edelauge ist für Aussehen, Blüte, Blatt und Frucht verantwortlich.
Wie das Veredeln funktioniert? Wer im Frühjahr einen jungen Heckenrosen-Sämling in den Garten pflanzt, kann es im Sommer selbst probieren. Ein T-Schnitt öffnet die Rinde der Heckenrose kurz über dem Boden oder - wenn ein Hochstämmchen entstehen soll - hoch oben an dem aufgebundenen Trieb. Behutsam löst der Veredler die Rinde ein wenig vom Holz ab. Das Edelauge, das zusammen mit einem schmalen, länglichen Rindenspan, dem Schildchen, von der Mutterpflanze geschnitten wurde, wird mit dem unteren Ende voran in den T-Schnitt geschoben.
Jetzt liegt das Kambium von Unterlage und Edelauge fest aufeinander. Das Kambium ist die Wachstumsschicht, die zwischen Rinde und Holz verläuft. Der über das Auge hinausragende Teil des Schildchens wird gekappt und dann das Ganze - unter Aussparung des Auges - fest umwickelt. Zwei bis vier Wochen dauert es, bis das Auge mit der Unterlage verwachsen ist.
Okulieren heißt diese Form der Rosen-Veredlung, weil nur das Auge, lateinisch oculus, als Veredelungsmaterial dient. Bei der Kopulation wird ein schräg geschnittenes Edelreis auf der ebenfalls schräg geschnittenen Unterlage fixiert. Junge Apfel- und Kirschbäume werden so veredelt. Bei älteren Bäumen wird auf einen größeren Zweig gepfropft. Der gestutzte Zweig bekommt eine spitz zulaufende Kerbe. Das Ende des Edelreises wird so angespitzt, dass es sich in die Kerbe einfügt und die Rinde von Unterlage und Reis glatt aneinander stößt.