Tradition Tradition: Karpfen schmeckt nicht nur mit Zitronen und Wacholder
Halle/MZ. - "In Franken werden 95 Prozent aller Karpfen in Fett gebacken", sagt Daniela Schiwon, Teichwirtin und Küchenchefin im Restaurant Hammerschmiede in Gerhardshofen (Bayern). Dazu wird der Fisch zunächst geschuppt und halbiert. Dann kommt der mühsamste Teil der Zubereitung: Die widerspenstigen, V-förmigen Gräten müssen entfernt werden. Die Portionen werden mit Zitronensaft beträufelt, mit Salz und Pfeffer gewürzt, paniert und in heißer Butter oder in Butterschmalz ausgebacken. Die klassischen Beilagen sind Kartoffel- oder Endiviensalat, Apfel und Meerrettich. Als Getränk passt gut ein kühles Bier.
Ganz anders sieht das Weihnachtsessen in Sachsen oder Brandenburg aus: Dort ist "Karpfen blau" der Favorit. Die entscheidende Zutat ist Essig: Die Haut des Süßwasserfisches enthält einen Farbstoff, der sich durch Essig beim Kochen appetitlich blau färbt. Dafür wird der Karpfen unter fließendem Wasser abgewaschen und trocken getupft. Damit die Haut unverletzt bleibt, wird sie nicht geschuppt. "Dann wird der Fisch mit einem heißen Sud aus Essig und Wasser übergossen", erklärt Christian
Proske, Präsident des Verbandes der Deutschen Binnenfischerei in Brandenburg.
Sud mit Essig und Weißwein
Im Sud dürfen neben einem Schuss Essig auch Weißwein, eine mit Lorbeer und Nelken bestückte Zwiebel, klein geschnittene Möhren, gehackter Lauch und Pfefferkörner nicht fehlen. "Der größte Fehler ist, den Karpfen zu übergaren", warnt Ernst-Ulrich Schassberger, Präsident der Köchevereinigung Euro-Toques in Kaisersbach-Ebni (Baden-Württemberg). "Er wird in den kochenden Sud gegeben, darf jedoch nicht darin kochen, sondern nur noch ziehen." Serviert wird der "Karpfen blau" vor allem mit Salzkartoffeln, Zitronenspalten und Meerrettichsoße. Leckere Alternativen sind Braunbier- oder polnische Lebkuchensoßen.
Auf der Festtafel landet vorzugsweise der Spiegelkarpfen: Er zeichnet sich durch wenige glänzende Schuppen aus. Mehr Arbeit macht der etwas kleinere Schuppenkarpfen. Außerdem gibt es Gras-, Silber-, Leder- und Marmorkarpfen.
Hoher Gehalt an wertvollem Eiweiß
Im Geschmack, aber auch in den Inhaltsstoffen, unterscheiden sie sich nur wenig. "Mit fünf bis sieben Prozent Fett enthält der Karpfen weniger Fett, als ihm nachgesagt wird", sagt Proske. Aus ernährungsphysiologischer Sicht überzeugt der Fisch durch langkettige Omega-3-Fettsäuren und einen hohen Gehalt an wertvollem Eiweiß.
Die Fischereibetriebe in den Erzeugergebieten, aber auch viele Fachgeschäfte, halten lebende Karpfen vorrätig. Dann kann sich der Kunde ein möglichst lebendig schwimmendes Exemplar aussuchen. Hat der Fisch eine angeknabberte Rückenflosse, deutet das darauf hin, dass er schon länger in Gefangenschaft ist. Die Zeiten, in denen der Karpfen lebend nach Hause gebracht wurde und dort noch drei Tage in der Badewanne schwimmen musste, sind vorbei.
Frische ist am Geruch erkennbar
Im Handel sind auch geschlachtete ganze Karpfen erhältlich. Sie haben meist ein Gewicht von
1,5 bis zwei Kilogramm. Bereits geschlachteter Fisch sollte nicht länger als einen Tag in der Vitrine liegen. "Frischer Fisch ist zunächst am Geruch erkennbar", erläutert Schiwon. "Die Augen sollten klar, prall und leicht gewölbt, jedoch keinesfalls trübe oder milchig sein." Auch dunkelrote, elastische Kiemen und eine metallisch glänzende Haut mit fest sitzenden Schuppen sind gute Erkennungsmerkmale für Frischfisch.
Grätenfreie Filets für Skeptiker
Weniger erfahrene Karpfenesser schrecken oft vor den Gräten zurück. "In den letzten Jahren setzten sich deshalb verstärkt Filets durch. Sie können dank eines speziellen Verfahrens praktisch grätenfrei angeboten werden", sagt Proske.
Als Festtagsessen seien Filets allerdings bislang wenig gefragt. Am besten schmeckt Karpfen an dem Tag, an dem er geschlachtet wurde. Zur Not kann frischer, roher Fisch im Kühlschrank einen Tag lang in einem fest geschlossenen Gefäß aufbewahrt werden.