Mobile World Congress Ziehen die USA davon? Mobilfunkfirmen fordern Unterstützung
Streaming ist im Digitalzeitalter fest verankert, ob YouTube oder Netflix. US-Konzerne verdienen damit gutes Geld. Europas Netzbetreiber, deren Netze die Daten übertragen, wollen ein Teil vom Kuchen.
Barcelona - Angesichts des großen Vorsprungs der USA in der Digitalisierung fordern Europas große Mobilfunkfirmen einen Kurswechsel der Politik. Im Vergleich zu den USA und ihren Technologieriesen sei man „ein Zwerg“, sagte Telekom-Chef Tim Höttges auf der Mobilfunk-Messe Mobile World Congress (MWC) in Barcelona. Dort trat er an der Seite seiner Pendants der anderen größeren Telekommunikationsanbieter Europas auf, und zwar von Vodafone aus Großbritannien, Telefónica aus Spanien und Orange aus Frankreich.
Während die Telekommunikationsbranche in Europa jährlich 109 Euro pro Einwohner in den Ausbau der digitalen Infrastruktur investiere, seien es in den USA umgerechnet 240 Euro. „Wir haben ein ernsthaftes Problem“, sagte Höttges.
Bis 2016 sei die Welt „ok“ gewesen, sagte der Magenta-Manager. Danach allerdings seien die USA davongezogen und der Datenverkehr in Europas Netzen sei „explodiert“. Hierbei spielte der Telekom-Chef auf die altbekannte Kritik der europäischen Telekommunikationsbranche an, der zufolge US-Technologieriesen wie Google mit der Videoplattform YouTube, Meta (Facebook, Instagram) und Netflix für einen Großteil des Datenverkehrs auf Europas Netzen verantwortlich sind, dafür aber kein Geld zahlen. In dieser Debatte argumentieren die Internet-Unternehmen, dass ihre Angebote es für Verbraucher überhaupt erst interessant machten, Telekommunikations-Dienste zu nutzen.
Faire Beteiligung gefordert
Die europäischen Telekommunikationsmanager setzen sich schon lange für eine aus ihrer Sicht faire Beteiligung („fair share“) der „Big Techs“ ein, dies bislang erfolglos. Vor einem Jahr gab es den Eindruck, dass die EU-Kommission reagiert und es diesbezüglich eine Gesetzgebung geben könnte, passiert ist das bisher aber nicht. Dass die vier Vorstandschefs sich nun gemeinsam auf eine Bühne begeben - ihren Angaben zufolge das erste Mal überhaupt - und einen gemeinsamen Appell an die Politik richten, ist bemerkenswert.
Den Grund für die vergleichsweisen niedrigen Investitionen in Europa sehen die Chefs der vier europäischen Telekommunikationsanbieter in widrigen Rahmenbedingungen und einem zersplitterten Markt, der weit entfernt sei von einem echten Binnenmarkt. Die meisten heimischen Telekommunikationsfirmen verdienten das eingesetzte Kapital noch nicht mal zurück, moniert Höttges.
Nach seinen Angaben gibt es in Europa 45 Telekommunikationsunternehmen - aus der Sicht von Höttges sind das viel zu viele, in den USA oder Asien gebe es deutlich weniger. Strenge Kartellregeln in den unterschiedlichen Staaten erschwerten die nötige Marktkonsolidierung. Der Wettbewerb sei so hart, dass die Firmen nicht genug Geld verdienten für nötige Investitionen, so der Telekom-Boss.
„Mehr Konnektivität und mehr Innovation“
„Wir brauchen einen neuen Regulierungsrahmen“, fordert Telefónica-Chef José María Álvarez-Pallete. „Wir treiben den digitalen Wandel an, aber es reicht nicht aus“, sagt Vodafone-Chefin Margherita della Valle und fordert bessere Investitionsmöglichkeiten, um den Digitalstandort Europa im globalen Wettkampf zu stärken. „Wir sind jetzt in der industriellen Internet-Ära, in der man mehr Konnektivität und mehr Innovation braucht.“
Als Netzbetreiber stehe man bereit, aber dafür benötige man Unterstützung von der Politik. „Wir brauchen einen neuen Deal“, sagte della Valle. Als Beispiel nennt sie „Spektrum-Sicherheit“: Anstelle der bisher üblichen teuren Auktionen sollten die Firmen sicher planen können, was das Funkspektrum kosten werde. Außerdem dürften US-Firmen nicht bevorteilt werden.
Unlängst veröffentlichte die EU-Kommission ein Strategiepapier zur digitalen Infrastruktur, in dem das „Fair Share“-Thema keine zentrale Rolle spielt. Es sollen aber Maßnahmen ergriffen werden, um Hindernisse eines echten Binnenmarkts zu beseitigen. Mit ihrem Auftritt am Montag in Barcelona machten die vier europäischen Vorstandsvorsitzenden aber klar, dass ihnen die bisherige Vorgehensweise der EU-Kommission nicht ausreicht.