Oje, ein Reh So geht erfolgreiches Anti-Jagd-Training für Hunde
Besitzer von Jagdhunden geben sich oft dem Trieb des Hundes geschlagen. Doch das muss nicht sein. Man kann einiges dafür tun, dass er kontrollierbar bleibt.
Erding/Venningen - Eine Frau geht mit ihrem Hund im Wald spazieren. Sie weiß, dass der frühere Straßenhund liebend gerne jagt, daher führt sie ihn an der Leine. Was sie nicht ahnt: Ganz in der Nähe steht ein Reh. Plötzlich prescht es hinter ihr zwischen den Bäumen hervor und kreuzt den Weg. Ihr Hund ist im wahren Wortsinn nicht zu halten. Er reißt ihr die Leine aus der Hand und rast dem Reh hinterher.
Drei Tage und Nächte bleibt er verschwunden, stundenlang wird nach ihm gesucht. Letztlich geht die Geschichte gut aus - eine Spaziergängerin findet ihn, müde und etwas abgemagert, aber gesund. Gott sei Dank. Seine Besitzerin fragt sich: Wie kann ich solche Schrecksituationen in Zukunft verhindern?
Sabrina Fruth, Hundetrainerin im bayerischen Erding, muss zunächst ein wenig die Erwartungen dämpfen: „Raus kriegt man das Jagdverhalten nie“, sagt sie. „Es gehört zu den Grundmotivationen von Hunden, diese sind je nach Rasse und Typ unterschiedlich ausgeprägt.“ Aber es gibt dennoch gute Nachrichten: Hundehalter können einiges tun, um den Jagdtrieb kontrollierbar zu machen.
Die Alternative: Wie jagen, nur noch besser
„Es ist ganz wichtig, den Tieren eine Alternative zu bieten“, rät Hundetrainerin Fruth. Dazu kann das Jagen nach einem Spielzeug oder das Training mit Dummys gehören. Dies sind meist mit Kunststoff gefüllte Leinensäckchen, die eigentlich zur Jagdhundeausbildung verwendet werden. Es gibt jedoch auch mit Reißverschluss versehene Dummys, die mit Futter gefüllt werden können.
Diese Ersatzbeschäftigung ist ein essenzieller Bestandteil eines Anti-Jagd-Trainings. Am erfolgversprechenden ist das, wenn damit bereits im Welpenalter angefangen wird. Bevor sein Jagdtrieb überhaupt richtig in Fahrt kommt, hat der Kleine so gelernt, welchen Bewegungsreizen er nachkommen darf und welchen nicht. Bei früheren Straßenhunden ist die Ausgangslage schwieriger. Sie sind bereits älter und haben in der Regel Jagderfahrung - sie wissen also, wie viel Spaß das Hetzen einer Beute macht.
„Mit solchen Hunden sollte man anfangs nur mit einem ausbruchsicheren Geschirr und immer an der Leine spazieren gehen“, rät Hundetrainer Walter Götz aus Venningen. „Mit ihnen muss erst einmal eine Beziehung aufgebaut werden, sie müssen lernen, sich am Menschen zu orientieren.“
Grundgehorsam trainieren
Entscheidend dafür, dass ein Hund von einem Jagdreiz ablässt, ist auch der Grundgehorsam. Hunde brauchen Führung, das gilt für den knuddeligen Welpen ebenso wie für den erwachsenen Hund aus dem Ausland. Bei allen wird in Sachen Erziehung bei der Basis angefangen. „Sitz“, „Platz“ und „Bleib“ gehören ebenso wie der Rückruf zu den Grundkommandos. Bis ein Hund diese wirklich verinnerlicht hat, dauert es lange. Immer wieder muss geübt werden.
„Am besten, man fängt in einer reizarmen Umgebung, etwa in der Wohnung an“, empfiehlt Götz. Klappt das gut, kann für das Training in den Garten gewechselt werden, mit fortschreitender Erziehung wird die Umgebung immer reiz- und damit anspruchsvoller.
Wenn der Hund jedoch bereits im Garten nicht hört, sollte man nicht versuchen, ihn aus einer schwierigen Situation - etwa vom Spielen mit seinen Hundekumpels oder gar vom Jagen - abzurufen. Es wird wahrscheinlich nicht funktionieren, zudem lernt der Hund auf diese Weise, dass er auf sein Herrchen oder Frauchen hören kann, aber nicht muss.
„Man sollte das Rückrufwort nicht verpulvern“, so formuliert es Fruth. Ist sich der Halter nicht sicher, ob der Hund auf ihn hören wird, sollte er daher das Rückrufwort wie „Hier“ oder „Komm“ erst mal nicht nutzen, sondern zuvor versuchen, das Tier zu locken - so kann er feststellen, ob der Hund überhaupt gerade ansprechbar ist. Wenn das nicht der Fall sein sollte, kann er sich den Rückruf sparen.
So vermeiden Sie Fehler
„Zu viel zu schnell wollen“, formuliert Fruth den ihrer Meinung nach größten Fehler in der Hunde- und damit auch in der Anti-Jagd-Erziehung. „Ein kleinschrittiger, sehr langsamer Aufbau ist wichtig.“ Von großer Bedeutung ist auch die Belohnung durch Futter oder ein Spiel. Dabei sollte sich die Belohnung an der Schwierigkeit der Aufgabe für den Hund orientieren.
Er hört auf den Rückruf, hat sich aber ohnehin gerade gelangweilt? Dafür erhält er ein freundliches Wort und einen kleinen Hundekeks. Er kommt zurück, obwohl gerade ein Hase vor ihm hoppelt? Das gibt die XXL-Belohnung, wie diese aussieht, hängt von den Vorlieben des Hundes ab. Vielleicht wird ihm sein Lieblingsspielzeug geworfen oder sein Besitzer zückt die Tube mit der begehrten Leberwurst.
In der Hundeschule von Götz wird zudem früh das „Stopp“-Signal trainiert. Dabei setzt sich der Hund auf einen Pfiff oder ein Wort sofort hin und wartet, bis er von seinem Besitzer abgeholt wird. Auch das ist ein großer Schritt im Anti-Jagd-Training, ebenso wie das Bringen und Abgeben der „Beute“, also dem Ball oder dem Dummy. „Der Hund lernt, dass er dafür eine Belohnung bekommt, er also einen guten Tausch macht.“
Training schrittweise steigern
Als Steigerung des Dummytrainings kann eine Reizangel genommen werden, dazu bieten sich Longierpeitschen aus dem Reitsportbedarf oder ausziehbare Teleskopstangen an. An dem Seil wird das Dummy befestigt und dann in Bewegung versetzt. Der Hund muss dies anfangs ruhig aushalten und erhält hierfür als Lohn immer wieder Futter. Als größte Belohnung zum Schluss darf den Dummy jagen.
Mit fortgeschrittener Ausbildung im Anti-Jagd-Training sind der Fantasie des Tierhalters kaum noch Grenzen gesetzt, er kann die einzelnen Kommandos immer wieder unterschiedlich kombinieren. Ein Beispiel: Der Hund setzt sich hin, der Besitzer geht einige Schritte weiter und wirft dann einen Ball an der Hundenase vorbei - das Tier darf sich nicht bewegen.
Auf ein zuvor eingeübtes Wort wie „Such“ rennt es los, auf das „Stopp“-Signal setzt es sich wieder. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich so trainierte Hunde auch von einem Hasen oder Reh abrufen lassen, ist hoch.