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Kinderschützer warnen eindringlich "Schreien kann nerven. Schütteln kann töten": Kinderschützer starten Kampagne gegen Schütteln von Babys

19.07.2017, 15:49
Wie viele Kleinkinder in Deutschland pro Jahr durch Schütteln sterben, wird statistisch nicht erfasst.
Wie viele Kleinkinder in Deutschland pro Jahr durch Schütteln sterben, wird statistisch nicht erfasst. dpa-Zentralbild

Berlin - „Schreien kann nerven. Schütteln kann töten“: Mit einer emotionalen Kampagne wollen Kinderschützer in Berlin auf die Gefahren eines Schütteltraumas bei Babys aufmerksam machen. In diesem Jahr seien in Berlin und Brandenburg bereits 13 Fälle bekannt geworden, sagte Saskia Etzold, Vize-Leiterin der Gewaltschutzambulanz der Charité. Oft hätten Eltern oder Lebenspartner schreiende Säuglinge und Kleinkinder aus Überforderung so stark geschüttelt, dass die Kinder bleibende Schäden davontrugen. Zwei Babys seien durch die Gewalt gestorben.

Die Plakate der Kampagne, die vom Deutschen Kinderverein gestartet wird, sind unter anderem in U- und S-Bahnhöfen zu sehen. Im Film verstummen Babyschreie ganz plötzlich und hinterlassen eine gespenstische Stille. Da für die Kampagne nur 800.000 Euro aus Mitteln des Bundesfamilienministeriums zur Verfügung stünden, könne sie nicht bundesweit laufen, bedauerte Rainer Rettinger, Geschäftsführer des Vereins.

Schütteltraumata bleiben oft unbemerkt

„Das Schütteln eines Babys entspricht der Krafteinwirkung eines sechs Meter großen und zwei Tonnen schweren Riesen auf einen Erwachsenen“, erläuterte Etzold. Schütteltraumata bei Säuglingen blieben oft unbemerkt, weil Symptome ähnlich wie bei Fieberkrämpfen, Vergiftungen, Magen-Darm-Problemen oder Erbrechen wirkten. Die Folgen wie Einblutungen im Inneren des Schädels, Hirnschwellungen und Hirnschädigungen sind allerdings äußerlich nicht zu erkennen. 

Nach den Angaben der Berliner Gewaltschutzambulanz stirbt jedes fünfte Kleinkind durch Schütteln. Jedes dritte behält schwere Behinderungen wie Lähmungen, Erblindung oder Epilepsie zurück. Nur rund jedes zehnte erholt sich vollständig. Charité-Rechtsmediziner Michael Tsokos führt auch einen Teil von Lernbehinderungen bei Schulkindern auf Schütteltraumata in den ersten beiden Lebensjahren zurück.

Experten raten Eltern zu Schallschutzkopfhörern

Im Bezirk Neukölln gibt es nach tragischen Todesfällen durch Schütteltraumata eine Schreiambulanz, die Eltern mit Schreibabys Tipps gibt. Experten raten unter anderem zu Schallschutzkopfhörern, Pausen und Hilfe bei der Kinderbetreuung und Arztbesuchen zur Abklärung der Ursachen. „Es schadet einem Baby nicht, wenn es lange schreit“, sagt Tsokos. „Wichtig ist, dass die Eltern von ihrem hohen Stresslevel herunterkommen und es nicht schütteln.“ Ein Schreikind sei nicht die Schuld der Eltern.

Wie viele Kleinkinder in Deutschland pro Jahr durch Schütteln sterben, wird statistisch nicht erfasst. Anders als in den USA oder der Schweiz gebe es keine Meldepflicht, sagte Etzold. Nach Angaben von Rechtsmediziner Tsokos sterben in Deutschland statistisch gesehen jede Woche drei Kinder durch körperliche Gewalt. Sind sie jünger als zwei Jahre, sei oft ein Schütteltrauma die Ursache, sagte er.  (dpa)