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Reise ins Baltikum Riga, Sigulda, Jūrmala - eine Entdeckungsreise durch das vielseitige Lettland

Lettland ist ein unentdecktes Juwel mit deutscher Geschichte. Auf kleinem Raum kommen Städtefans ebenso auf ihre Kosten wie Naturliebhaber und Strandgänger. Drei Orte, sechs Tage – los geht es.

02.07.2024, 10:00
Vom Turm der Petrikirche im Zentrum Rigas haben Besucher den besten Blick über die Hauptstadt.
Vom Turm der Petrikirche im Zentrum Rigas haben Besucher den besten Blick über die Hauptstadt. (Foto: Julius Lukas)

Halle/MZ. - Die Zeichnungen sind bekannt, die Namen irgendwie auch: „Makss un Morics“ ist die kleine Ausstellung im lettischen Ostsee-Ort Jūrmala betitelt. Was klingt wie Wilhelm Buschs Meisterwerk über die beiden Spitzbuben, ist es auch: „Max und Moritz“, nur eben auf Lettisch. Die Ausstellung befindet sich im Museum „Aspazijas Haus“. Die Namensgeberin, Aspazija, ist die wohl bedeutendste Poetin Lettlands. „Und sie übersetzte auch Max und Moritz ins Lettische”, erklärt Dace Zuiko vom Touristen Inforationszentrum Jūrmala: „Jeder in Lettland kennt die Geschichte der beiden Jungen”.

Lettland hat sich rasant entwickelt

Deutschland und Lettland - diese Verbindung ist nicht nur in der Literatur eng. Das wird in dem baltischen Land, das zwischen Litauen und Estland liegt, schnell deutlich. Über Jahrhunderte prägte eine deutschstämmige Oberschicht den Staat mit seinen 1,9 Millionen Einwohnern. Das EU-Land an der Ostsee hat in den vergangenen 15 bis 20 Jahren eine rasante Entwicklung genommen, die vor allem im Westeuropa längst nicht jedem bekannt ist. Grund genug, Lettland zu entdecken. Ein Vorschlag: Drei Orte, sechs Tage. Los geht es!

Für Spaziergänge ebenso geeignet wie zum Baden: Der fast 30 Kilometer lange Strand des Ostseebads Jūrmala.
Für Spaziergänge ebenso geeignet wie zum Baden: Der fast 30 Kilometer lange Strand des Ostseebads Jūrmala.
(Foto: Reinis Hofmanis)

Der Start ist, wie sollte es anders sein, Riga. Stockholm und Kopenhagen, Prag und Wien - Riga kann sich mühelos in diese Liste großer europäischer Metropolen einreihen. Das Stadtzentrum ist UNESCO-Welterbe. „Die lettische Geschichte wird hier an jeder Ecke greifbar”, meint Stadtführerin Kristīne Bahr-Gurtiņa. Gegründet von norddeutschen Kreuzfahrern, war Riga stets vielen Einflüssen ausgesetzt. Hier herrschten Deutsche, Schweden und Russen. „Ganz Europa kam wegen des Handels in die Stadt”, erzählt Bahr-Gurtiņa. Eindrucksvoll zeigt sich das im Architektur-Mix, der bei einem Bummel durch die Altstadt in zwei bis drei Stunden bestaunt werden kann. Dom, Schwarzhäupterhaus, Freiheitsdenkmal - faszinierend. Enden sollte ein Stadtrundgang immer auf der Petri-Kirche, die im Zentrum alles überragt - und ein überragendes Panorama bietet.

Eine der besten Pizzerien Europas

Stärkung nach dem Stadtspaziergang über das markante Kopfsteinpflaster gibt es im Peppo’s - laut TripAdvisor eine der besten Pizzerien Europas. Und tatsächlich: die Focaccia ist ein Genuss. Am Nachmittag wird dann Kunst serviert: Im Museum der Illusionen ist Mitmachen angesagt, was vor allem Kinder freut. Und das Digital Art House zeigt immersive Multimediaprojektionen mit Werken verschiedener Künstler. Zum Staunen und Zurücklehnen. Übernachtet wird im Neiburgs, einem Boutique-Hotels in der Altstadt. Dessen Einrichtung: skandinavisch reduziert und höchst geschmackvoll. Typisch nordisch halt.

Der Gauja Nationalpark ist mit 920 Quadratkilometern der größte Nationalpark Lettlands.
Der Gauja Nationalpark ist mit 920 Quadratkilometern der größte Nationalpark Lettlands.
(Foto: Kristaps Ungurs)

Das Neiburgs setzt auch gleich den Akzent des zweiten Tages. Das Hotel ist ein Jugendstilbau. Und diese Epoche prägt ganze Viertel in Riga. Ein Abstecher in die Albertstraße ist ein Muss. Wie in einem Freilichtmuseum stehen dort die prächtigen Art-Nouveau-Häuser Spalier. Alle sind zwar bewohnt, aber dennoch museal. Anschließend geht es raus aus dem Zentrum. Das Bus- und Bahnnetz ist in Riga gut ausgebaut. Die Freizeitanlage Mežaparks, zu Deutsch „Kaiserwald, ist Anziehungspunkt für Familien. Hier liegt der Zoo, der auf kleiner Fläche viele Tiere zeigt. Im Winter verzaubert der Garten der Lichter: Hunderte illuminierte Figuren erleuchten die dunklen Stunden des Tages. Märchenhaft.

Frischer Fisch, heilendes Birkenwasser und schwarzer Balsam

Weitere Tipps: der 100 Jahre alte Botanischer Garten, der von einem deutschen Brennerei-Besitzer gegründet wurde und mit Rhododendron- und Azaleen-Sammlung beeindruckt. Die Nationalbibliothek ist eines der imposantesten Bauwerke der Hauptstadt. Und in den großen Markthallen gibt es frischen Fisch, heilendes Birkenwasser und schwarzen Balsam - das ist der lettische Nationalschnaps. Prost!

Tag drei beginnt mit Abschied. Zwei Tage sind für Riga zu wenig. Die Stadt bietet viel, Lettland allerdings noch mehr. Deswegen geht es nach Sigulda, etwa eine Stunde Fahrt. Die Autobahn ist tadellos und links und rechts wird es landestypisch: Bäume, Bäume, Bäume. Die Hälfte Lettlands ist von Wald bedeckt. Ein Land mit solch einem Schatz kann nur lebenswert sein. Sigulda bestätigt das. Die 11.000-Einwohner-Stadt liegt am Gauja Nationalpark, der sich entlang des namensgebenden Flusses erstreckt. Dichte Wälder, kilometerweite Wanderwege und im Winter das größte Skigebiet des Landes. Das tiefe Flusstal wird von der einzigen Seilbahn Lettlands überquert. Eine Fahrt ist Pflicht!

Sigulda: Wo die Liven siedelten

Angekommen auf der anderen Seite, geht es hoch zur Burg „Turaida”. Dort sagt Laura Junghāne „Sveiki”, also „Hallo”. Niemand spricht wohl so euphorisch wie die Touristenführerin über die Anlage und ihre Geschichte. „Das ist einer der historisch bedeutendsten Orte Lettlands”, erklärt Junghāne. Einst siedelten die Liven in der Gegend, eines der lettischen Urvölker. Die Burg wechselte oft ihren Besitzer. Heute geht es auf dem Gelände auch um Volkskultur. Die Letten, lernt der Besucher, singen für ihr Leben gern Volkslieder. Und passend dazu feiern sie oft. So haben sie zwei Nationalfeiertage. Und an Mittsommer, der Nacht, in der es nicht dunkel wird, gehen selbst die Kinder nicht ins Bett. In diesem Sinn: Gute Nacht, Tag Nummer drei.

Künstlerin Zina Ceske schöpft mit einem jungen Besucher Papier.
Künstlerin Zina Ceske schöpft mit einem jungen Besucher Papier.
(Foto: Julius Lukas)

Tag vier wird aktiver. Sigulda bleibt der Ort, die Burg wird aber gegen das Neue Schloss getauscht. Das ist hübsch restauriert. Und in den Gutshäusern rundherum werden Seminare angeboten. Töpfern, Papier schöpfen oder einen Spazierstock zurechtbiegen? Alles möglich! Anschließend folgt der Adrenalinkick. Erst Mega-Zipline, also Riesenseilrutsche. Dann die Bobbahn runter. Sigulda hat einen weltberühmten Eiskanal, auf dem sonst nur Profis unterwegs sind. Wenn die jedoch gerade regenerieren, dürfen auch die Amateure ran. Im Winter geht es auf Kufen und im Sommer auf Rollen die kurvige Strecke hinunter. Zum Glück ist ein Fahrer dabei! Die bis zu 80 Kilometer pro Stunde machen mächtig Eindruck. Das Ende von Tag vier ist rasant.

Jūrmala: lässige Flaneure überall

Tag fünf bricht mit einem „Pa pa pa” an, also „Tschüss”. Siguldas wundervolle Landschaft und Menschen verursachen Abschiedsschmerz, den nur die Vorfreude auf das nächste Ziel dämpft: Jūrmala. An Bäumen und Riga geht es vorbei an die Ostsee. Das Meer, Salz in der Luft, lässige Flaneure überall. „Jūrmala ist eine Stadt zum Entspannen”, sagt Dace Zuiko. Das beweist allein die hohe SPA-Hotel-Dichte. Hektik gibt es im mondänen Seebad nicht, das früher „Riga Strand” hieß und noch heute die Badewanne der Hauptstadt ist. Sobald das Wetter stimmt, füllt sich der Strand. Von dem gibt es in Jūrmala aber so viel, dass jeder einen Flecken Sand findet. „Familien lieben die Küste hier”, sagt Zuiko. „Denn das Wasser ist lange flach.” Merke: Wer schwimmen will, muss erst einmal laufen.

Konzerte, feine Boutiquen und der nahe Ķemeri-Nationalpark mit seiner einzigartigen Moorlandschaft zeichnen das Ostseebad aus. Und wenn das Wetter nicht stimmt, geht es in den mit unzähligen Rutschen und Sprudelbädern ausgestatteten Livu Aquapark. In Jūrmala kann man ohne Langeweile lange verweilen. Und das liegt auch an so kleinen, feinen Ausstellungen wie die zu „Maks und Morics”, den Spitzbuben. Nachdem die ihre Streiche mit dem Leben bezahlt haben, schreibt Wilhelm Busch: „Gott sei Dank! Nun ist’s vorbei”. Für die Zeit in Lettland gilt das nicht. Das Fazit nach sechs Tagen: Ach Gott, die Reise ging viel zu schnell vorbei.

INFO: Gut erreichbares Ganzjahresziel

Alles wichtige zum Reiseland Lettland gibt es unter: latvia.travel/de. Spezielle Informationen zu Riga finden sich auf liveriga.com. Mehr zu Sigulda gibt es auf visitsigulda.com. Und alles "Wissenswerte zu Jurmala ist unter visitjurmala.lv zu finden.

Lettland ist ein Ganzjahresziel, wobei es im Sommer durchaus voll werden kann. Am besten erreicht man das baltische Land via Flugzeug. Riga wird zum Beispiel von Berlin aus täglich angeflogen. Flugzeit: nicht einmal zwei Stunden.