1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Reisen
  6. >
  7. Kulturreise: Kulturreise: Kolonie der Künstler

Kulturreise Kulturreise: Kolonie der Künstler

Von KLAUS THIELE 14.07.2011, 16:39

Halle (Saale)/MZ. - Ich malte dort meine besten Landschaften", erinnerte sich der Maler Alexej von Jawlensky. 1911 war er mit Marianne Werefkin nach Prerow auf der Halbinsel Fischland-Darss-Zingst gekommen. Von den beiden stammen Bilder wie die Sturmkiefern in Prerow oder die Steilküste von Ahrenshoop. Auch andere Vertreter der Klassischen Moderne zog es an die Küsten von Mecklenburg und Pommern: Munch malte in Warnemünde, Feininger auf Usedom. Auch Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und Max Pechstein waren fasziniert von der spröden Schönheit der Küstenregion, vom hohen Himmel, dem wunderbaren Licht. Sie waren begeisterte "Sommergäste".

So heißt eine Ausstellung im Staatlichen Museum Schwerin, die am 22. Juli eröffnet wird. 100 Leihgaben vor allem aus Privatbesitz verspricht Dr. Antonia Napp, die die Ausstellung betreut. "Vieles war noch nie zu sehen." Dabei lässt sich auch gut verfolgen, wie sich das Badeleben an der Küste veränderte. Während Lovis Corinth 1902 noch eine züchtig bekleidete Frau am Strand malte, zeigte Edvard Munch 1907 seine "Badenden Männer" gänzlich unbekleidet.

Die Schweriner Ausstellung konzentriert sich auf berühmte Maler, die nur als Gäste kamen. Vor ihnen hatten sich bereits heute weniger bekannte Künstler Mecklenburg und Pommern als Sehnsuchtsziele auserwählt. Es gab eine europaweite Bewegung raus aus den Ateliers in die freie Natur. Fasziniert von den Katen unter Rohrdächern, den windflüchtenden Bäumen, Dünen, Schilfbuchten und aufgetürmten Wolkenfetzen ließen sich immer mehr Landschaftsmaler nieder. Nach dem Vorbild von Barbizon bei Paris entstanden Künstlerkolonien in Ahrenshoop, auf der Insel Hiddensee und in Schwaan.

Ahrenshoop war neben Worpswede führend unter den deutschen Künstlerkolonien. Paul Müller-Kaempff gilt allgemein als Gründer der Künstlerkolonie. 1892 ließ er sich zwischen Meer und Bodden nieder, baute sich sein Künstlerhaus. Erste Skizzen hatte freilich 1882 in Ahrenshoop schon Carl Malchin angefertigt. Sogar eine Frau namens Anna Gerresheim könnte die wahre Entdeckerin sein, meint Ruth Negendanck, die Standardwerke über Ahrenshoop und Hiddensee geschrieben hat. Aber entscheidend, letztlich auch für die touristischen Entwicklung, war 1895 die Gründung der Malschule durch Müller-Kaempff und Friedrich Wachenhusen. Frauen, die damals vom Akademiestudium ausgeschlossen waren, durften hier endlich die Kunst der Malerei erlernen. Als Malweiber waren sie anfangs verschrien. Aber bald merkten die Leute in dem pommerschen Fischerdorf, dass immer mehr Besucher ihnen folgten. Eine der Damen, Elisabeth von Eicken, brachte es zu einigem Erfolg. Ihr ist in diesem Jahr eine Ausstellung im Kunstkaten gewidmet, der 1909 als Galerie der Kolonisten eröffnet wurde.

Ahrenshoop, auch zu DDR-Zeiten beliebtes Ferienziel, ist Künstlerort geblieben, sagt Bürgermeister Hans Götze, der selbst Maler ist. Malkurse gibt es auch heute, jährlich 60 Stipendien, etliche Galerien, jedes Jahr eine große Auktion. Und bis 2013 soll ein von Förderern und Stiftern finanziertes Kunstmuseum fertig sein.

Malweiber spielten auch auf der Insel Hiddensee eine Rolle. Im Heimatmuseum ist der fast vergessenen, 1942 im KZ Theresienstadt gestorbenen Clara Arnheim eine Ausstellung gewidmet. Sie war eine der ersten Berufsmalerinnen überhaupt und gründete mit Henni Lehmann und anderen 1922 den Hiddenseer Künstlerinnenbund. Die Blaue Scheune war ihre Galerie. Ansonsten war Hiddensee mehr Regenerationsraum für Künstler aller Art. Schauspieler und Schriftsteller kamen, nachdem der reiche Mäzen Kruse-Lietzenburg sich seine bis heute nicht restaurierte "Lietzenburg" gebaut hatte.

Völlig erhalten samt Inventar und Weinkeller ist als Museum das Sommerhaus Gerhart Hauptmanns, der dort zehn Jahre lebte und arbeitete. Zum 150. Geburtstag 2012 soll es erweitert werden. Hauptmann kannte viele Maler, einige haben ihn porträtiert. Auch sein Sohn Ivo war Maler. Der Leuchtturm auf dem Dornbusch war eines seiner Motive.

Kleinste Künstlerkolonie ist Schwaan, ein verträumtes Ackerbürgerstädtchen im Hinterland. Der Schwaaner Franz Bunke, Akademieprofessor in Weimar, hatte in seiner Heimatstadt Künstler und Schüler um sich versammelt und sorgte mit für den Durchbruch der Freilichtmalerei. Maler wie Rudolf Bartels oder der aus Hamburg stammende Alfred Heinsohn wären so gut wie vergessen, hätte nicht nach 50 Jahren Dornröschenschlaf Heiko Brunner angefangen, die Geschichte der Künstlerkolonie aufzuarbeiten, verloren geglaubte Bilder aufzustöbern. 2002 wurde aus einer 200 Jahre alten Wassermühle die "Kunstmühle" mit einer Gemäldegalerie von inzwischen 104 Bildern und 6 000 Besuchern im Jahr. Das ist ein wahres Wunder im allertiefsten Mecklenburg.