Arbeitslosigkeit Arbeitslosigkeit: Job mit immer weniger Geld?
Gerd P. aus Halle ist 54. Vor Jahren ist die Firma, bei der er beschäftigt war, pleite gegangen. Seither ist er "Kunde" beim Arbeitsamt. Zwar wurde ihm durch das Amt immer wieder eine Arbeit vermittelt, doch die Beschäftigungen waren stets nur von vorübergehender Dauer. Und: Jeder neue Job war mit einer finanziellen Einbuße verbunden.
Hatte er vor vier Jahren noch 22 Mark in der Stunde verdient, waren es dann nur noch 19 Mark, schließlich 16 Mark. Bei dem ihm jüngst durch das Arbeitsamt vermittelten Job sollte er nur noch sieben Euro die Stunde verdienen.
Gerd P. bringen die Vorschläge der Hartz-Kommission völlig durchein-
ander. Er weiß, bei der derzeitigen Marktlage kann er in seinem Alter keine großen Ansprüche stellen. Doch muss er deshalb alles annehmen, was ihm das Arbeitsamt (an)bietet? Bei Ablehnung einer zumutbaren Beschäftigung, so hat er es zumindest verbal mehrfach erfahren, könne ihm das Arbeitslosengeld gestrichen werden. Die Frage, die sich Gerd P. nun stellt: Wo liegen die finanziellen Grenzen des Zumutbaren für einen Arbeitslosen - gibt es sie überhaupt?
"Solche Grenzen gibt es", sagt Beate Kallweit, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Halle. "Im Paragraph 121 des Sozialgesetzbuches III sind die Voraussetzungen, unter denen einem Arbeitslosen durch das Arbeitsamt eine zumutbare Beschäftigung zugewiesen werden kann, festgeschrieben. Hier werden besonders auch die allgemeinen und personenbezogenen Gründe genannt, nach denen ein arbeitsloser Arbeitnehmer eine Beschäftigung ohne Anspruchsverlust ablehnen kann." Unter allgemeine Gründe fällt dabei, wenn die Beschäftigung gegen gesetzliche, tarifliche oder in Betriebsvereinbarungen festgelegte Bestimmungen über Arbeitsbedingungen oder gegen Bestimmungen des Arbeitsschutzes verstößt. "Die Vorschläge der Hartz-Kommission", so die Anwältin, "sollten Arbeitslose derzeit außen vor lassen, denn sie sind bislang eben nur Vorschläge - nichts weiter."
Nach derzeitigem Recht gilt: Aus personenebezogenen Gründen ist einem Arbeitslosen eine Beschäftigung dann nicht zumutbar, "wenn das daraus erzielte Entgelt erheblich niedriger als das der Bemessung des Arbeitslosengeldes zu Grunde liegende Arbeitsentgelt ist", nimmt die Fachanwältin Bezug auf die finanzielle Seite der Frage von Gerd P. Hier unterscheide das Gesetz derzeit drei unterschiedliche Phasen der Arbeitslosigkeit, in denen Arbeitslose ein unterschiedliches Ausmaß an finanzieller Verschlechterung hinnehmen müssen.
In den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit gilt für Betroffene eine Minderung des erzielbaren Arbeitsentgelts als unzumutbar, wenn es um mehr als 20 Prozent niedriger als ihr früheres Einkommen liegt. Anders gesagt: Eine Beschäftigung ist dann zumutbar, wenn das erzielbare Entgelt das Bemessungsentgelt für das Arbeitslosengeld um nicht mehr als 20 Prozent unterschreitet. Im vierten bis sechsten Monat der Arbeitslosigkeit (zweite Phase) gilt für Arbeitslose eine Beschäftigung dann als zumutbar, wenn das erzielbare Entgelt das Bemessungsentgelt des Arbeitslosengeldes um nicht mehr als 30 Prozent unterschreitet.
Mit dem siebten Monat beginnt die dritte Phase der Arbeitslosigkeit. Von da an ist eine Beschäftigung nur dann nicht zumutbar, wenn das aus ihr erzielte Nettoarbeitsentgelt - nach Abzug der mit der Beschäftigung zusammenhängenden Aufwendungen - niedriger ist als das Arbeitslosengeld.
Als personenbezogener Grund, der es einem Arbeitslosen ermöglicht, eine Beschäftigung als unzumutbar abzulehnen, wird zudem die tägliche Pendelzeit zwischen Wohnung und Arbeitsstätte angesehen. Wenn sie im Vergleich zur Arbeitszeit unverhältnismäßig lang ist, gilt die Beschäftigung als unzumutbar. "Das sind in der Regel bei einer mehr als sechsstündigen Arbeitszeit, Pendelzeiten von insgesamt drei Stunden", so Beate Kallweit. "Bei einer Arbeitszeit von sechs Stunden und darunter wird dafür eine zweieinhalbstündige Pendelzeit angesehen." Allerdings müssten Hin- und Rückweg insgesamt gesehen werden. Und: Die Pendelzeit sei nicht allein deshalb unzumutbar, weil allein für einen Weg ein außergewöhnlicher Zeitaufwand erforderlich sei.
Wichtig: Wochenendpendeln und getrennte Haushaltsführung lassen eine Beschäftigung nicht von vornherein als unzumutbar erscheinen. Besonders bei hoch qualifizierten und hoch bezahlten Arbeitnehmern wird eine getrennte Haushaltsführung als nichts Ungewöhnliches angesehen.
"Allerdings darf die getrennte Haushaltsführung, die sich durch die Beschäftigung ergibt, nur vorübergehend bestehen - längstens sechs Monate ", erklärt die Anwältin. "Ist ihr Ende nicht absehbar, so ist die getrennte Haushaltsführung dauerhaft und wird nicht mehr als zumutbar angesehen. Die Beschäftigung kann daher von dem Arbeitslosen abgelehnt werden, ohne dass er den Verlust seines Arbeitslosengeldes fürchten muss."
Information: MZ-Telefonforum zum Thema Arbeitslosigkeit am 18. Juli,
10 bis 12 Uhr, unter den Telefonnummern 0345/5608 218 und -5608 019