Rankende Pflanzen Rankende Pflanzen: Olympiade der Schlinger und Kletterer beginnt
Bonn/dpa. - «»Schneller, höher, weiter - das olympische Prinzip gilt auch für Kletterpflanzen. Am Start wird den Schlingern und Rankern die Wuchsdynamik meist kaum zugetraut. Ihre Geschwindigkeit und Ausdauer lässt dann aber viele Hobbygärtner staunen. Im Garten können diese Eigenschaften gut genutzt werden - vielleicht sogar als Pflanzen-Wettbewerb, der nicht nur Kindern Spaß macht.
Die Goldmedaille im Höhenwachstum gebührt dem Efeu: Bis zu 25 Meter erreicht die Pflanze. Zwar wird er bei der Schnelligkeit geschlagen, dafür braucht er kein Klettergerüst. So wie Wilder Wein (Parthenocissus tricuspidata), Kletterhortensie oder die Trompetenwinde (Campsis radicans) hält er sich mit Haftwürzelchen selbsttätig fest. Allerdings vergeht einige Zeit, bis die Pflanzen richtig Fuß gefasst haben, erst danach beginnt das zügige Wachstum.
Der Knöterich (Fallopia baldschuanica, früher Polygonum aubertii) ist mit jeder Kletterhilfe zufrieden und dem Efeu an Schnelligkeit deutlich überlegen. Er klettert rasant bis in 15 Meter Höhe. Die Art, wie seine Triebe dabei Halt erspüren und umschlingen, könnte Vorlage für einen Gruselfilm sein: Permanent kreisen die jungen Triebspitzen, ausgelöst durch unterschiedlich starkes Zellwachstum auf der Vorder- und Rückseite. Eine Berührung stoppt dieses Kreisen, und das Erspürte wird von der Pflanze umschlungen. So wird über Nacht zum Beispiel die Lehne eines Gartenstuhls «eingefangen».
Geschlagen in Sachen Schnelligkeit wird der Knöterich aber noch durch einen einjährigen Schlinger. Nur in einer Saison schafft die Glockenrebe (Cobea scandens) sechs Meter Höhe. Dann ist allerdings auch Schluss, denn gegen Ende des Sommers stirbt sie ab, nicht ohne vorher noch ein Feuer aus purpurroter Herbstfärbung entfacht zu haben, das das Violett der großen Blütenglocken unterstreicht.
Zu den hochwachsenden, ausdauernden Gehölzen zählt der Blauregen mit seinen langen Blütentrauben. 15 Meter schafft er mühelos. Spitzenreiter ist er noch in anderer Hinsicht, denn er gilt als Schwergewicht unter den Kletterern: Mit nassem Laub bringt er 13,4 Kilogramm pro Quadratmeter (kg/qm) auf die Waage. Die Pfeifenwinde (Aristolochia) - alles andere als ein zierliches Pflänzchen - schafft es auf nur 3,5 kg/qm, und die Uferrebe (Vitis riparia) ist nur für 1,90 kg/qm gut.
Mit dem Gewicht allein ist es aber nicht getan. Der Blauregen lässt auch noch die Muskeln spielen: Regenrohre, Lattengerüste oder nicht ausreichend stabile Verspannungen zerstört er im Laufe der Zeit durch den spiralförmigen Wuchs der erst dünnen Triebe. Aber solide Seile aus Edelstahl, Stangen aus Metall oder glasfaserverstärkter Kunststoff zähmen den Kraftprotz zum charmanten Fassadenkletterer.
In der Disziplin «Blickdichte» wetteifern ein einjähriger und ein ausdauernder Schlinger. Humulus japonica, der Japanische Hopfen, tritt für die Einjährigen an. Mit maximal sechs Metern Höhe und einem Schleier aus handförmigen Blättern geht er an den Start. Ein Favorit ist aber die Pfeifenwinde (Aristolochia macrophylla) mit ihren bis zu 30 Zentimeter großen, herzförmigen Blättern. Bei entsprechender Kletterhilfe schafft eine Pflanze im Laufe der Jahre zehn Meter Höhe und bis zu sechs Meter Breite. Gartenlauben, die sie überrankt, bieten ein schattiges Plätzchen an glühendheißen Sommertagen.
Wer bei dieser Wuchskraft nicht mithalten kann, hat immer noch Medaillenaussichten für die schönsten Blüten oder den süßesten Duft: Zu den Spitzenreitern in punkto Blütenschönheit zählen Clematisarten, Schwarzäugige Susanne (Thunbergia alata), die Kletternde Kapuzinerkresse (Tropaeolum peregrinum) - mit ihren fedrigen Blüten eher ein Außenseiter - und als Favoritin natürlich die Kletterrose.
Dabei hat die Rose aber ein Handicap: Als Spreizklimmer muss sie immer wieder aufgebunden werden - außer, sie kann sich mit ihren Dornen im Gezweig anderer Gehölze festhalten. Besondere Bedingungen braucht auch die Clematis, die sich mit den Stielen ihrer Blätter festhält. An Drähten oder besser noch Gittern mit einem Durchmesser von maximal acht Millimetern halten sie am besten. Rankhilfen mit mehr als zwei Zentimetern Durchmesser können sie nicht mehr umklammern.
Um den ersten Platz unter den Duftern kämpfen Geißblatt-Arten (Lonicera) und die einjährigen Duftwicken (Lathyrus odoratus) in Rosa, Violett, Weiß oder Purpur. Unter den vielen Lonicera sind aber nur einige fit für den Duftwettbewerb. Der heimische Jelänger-Jelieber (Lonicera caprifolium) gehört dazu, Lonicera heckrotii, das Feuer-Geißblatt, und das Waldgeißblatt, Lonicera periclymenum. Am besten duften sie in den Abendstunden.
Wer im eigenen Garten eine Olympiade der Schlinger erleben möchte, fängt am besten im Frühjahr an. Als Wettkampfstrecke können ein paar Bohnenstangen dienen. Prädestiniert für einen solchen Wettbewerb sind die einjährigen Schlinger, die in einer Saison alles herzeigen, was in ihnen steckt. Neben den bereits genannten Pflanzen können auch Prunkwinde (Ipomoea), Feuerbohne, die zierliche Asarina, Schönranke (Eccremocarpus) und die Sternwinde (Quamoclit lobata) den Wettbewerb spannend machen. Sie alle kann man selbst aussäen, um in einem Jahr ihr Wachstum «von 0 auf 100» zu erleben.