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Psychologie Psychologie: «Klammern» ist der Partnerschaftskiller

Von Eva Dorothée Schmid 20.10.2004, 12:56
Vertrautheit ist Nahrung für die Seele: Doch auf lange Sicht lässt sich Nähe in Partnerschaften nur wahrnehmen, wenn zwischendurch auch Abstand möglich ist. (Foto: dpa)
Vertrautheit ist Nahrung für die Seele: Doch auf lange Sicht lässt sich Nähe in Partnerschaften nur wahrnehmen, wenn zwischendurch auch Abstand möglich ist. (Foto: dpa) Elke Stolt

Bruchsal/Bergisch Gladbach/dpa. - Am Anfang möchten frischverbändelte Pärchen am liebsten Tag und Nacht miteinander verbringen.Doch wenn die Verliebtheit nachlässt, wird manchem die ständige Nähezu viel. Dies gilt vor allem dann, wenn nur einer der Partner ständigweiterhin alles gemeinsam unternehmen will, während der andereschmerzlich Raum für eigene Aktivitäten vermisst.

«Klammern ist ein sehr häufiges Beziehungsproblem», sagt derPsychologe Heiko Kilian aus Bruchsal (Baden-Württemberg). «Vielehaben die romantische Vorstellung, je größer die Liebe ist, destomehr Nähe hat man und desto mehr macht man zusammen», sagtPaartherapeut Reinhold Schmitz-Schretzmair aus Bergisch Gladbach.Diese Vorstellung sei aber falsch.

«Beziehungen sind wie Pflanzen, sie können vertrocknen, aber auchzugrunde gehen, wenn sie zu viel Wasser und Dünger bekommen», sagtSchmitz-Schretzmair. Der Ausgleich zwischen Nähe und Distanz seiäußerst wichtig. «Kuschelphasen sind nur genussvoll, wenn auch malAbstand da ist, sonst nimmt man die Nähe irgendwann gar nicht mehrwahr.»

Dass ein Partner dem anderen kaum noch Luft zum Atmen lässt, kannverschiedene Ursachen haben. «Wer klammert, erklärt sich das oftdamit, dass sein Partner so liebenswert ist, dass man ständig mit ihmzusammen sein muss», sagt Elmar Basse, Paartherapeut aus Hamburg.Diese Wahrnehmung sei allerdings in Frage zu stellen.

Oft sei der Hang zum «liebevollen Erdrücken» in der eigenen Personangelegt, sagt auch Schmitz-Schretzmair. «Wer nie wirklicheigenständig war, sich nie richtig vom Elternhaus abgenabelt hat oderfrüher einmal einen Verlust erlitten hat, neigt eher zum Klammern»,erklärt er. Auch unsichere Menschen, die ständig Bestätigung suchen,hätten oft den unstillbaren Wunsch nach immerwährender Nähe, soPsychologe Kilian.

Allerdings gibt es auch Menschen, die sich in ihren Beziehungen sorar machen, dass der Wunsch des Partners nach mehr Nähe durchausberechtigt erscheint. «Wenn man dem anderen das Gefühl gibt, man istauch anderweitig interessiert oder wenn man ständig unterwegs ist,muss man sich fragen, ob es mit am eigenen Verhalten liegt, dass derPartner klammert», sagt Paartherapeut Basse.

Nach Erfahrung der Experten neigen Männer und Frauen gleichermaßenzum Klammern. «Nur die Ausdrucksform ist teilweise unterschiedlich»,sagt Kilian. Bei Männern äußere sich Klammern oft in Eifersucht undKontrollbemühungen, Frauen zeigten eher überschwängliche Gefühle.

Wenn einer der Partner ständig auf Nähe dringt und der andere sichdadurch eingeschränkt fühlt, kann es schnell zu einem Teufelskreiskommen. «Wer sich erdrückt fühlt, geht auf Abstand. Das hat zurFolge, dass der Partner umso mehr klammert, weil er die Beziehungbedroht sieht», sagt Kilian. Besser sei es, auf den anderen zuzugehenund ihm zu zeigen, dass die Beziehung nicht gefährdet ist.

«Man muss auf jeden Fall darüber reden, wenn man sich in derBeziehung nicht mehr wohl fühlt», sagt Schmitz-Schretzmair. ElmarBasse empfiehlt, die Beziehung nach außen zu öffnen. «Suchen SieKontakte zu anderen, aber mit dem Partner zusammen, damit er sichnicht ausgeschlossen fühlt.» Wichtig sei, dem Partner das Gefühl zugeben, er stehe an erster Stelle.

«Grundfalsch wäre es, zusammen auf eine Party zu gehen und dannden ganzen Abend kein Wort mit ihm zu reden.» Manchmal kann derPartner auch überzeugt werden, Tätigkeiten außerhalb der Beziehungaufzunehmen, beispielsweise etwas, das er früher gern gemacht unddann aufgegeben hat, rät Basse.

Menschen, die zum Klammern neigen, sollten mit einem neuen Partnerbesprechen, was gemeinsam unternommen wird und was getrennt, rätSchmitz-Schretzmair. «Wer versucht, einen Freiheitsliebendeneinzusperren, der löst automatisch Fluchtreflexe aus», warntPaartherapeut Basse. Man sollte sich zwingen, einmal die Woche etwasallein zu unternehmen, rät Psychologe Kilian. «Auch wenn es schwerfällt».