Probleme erwachsener Kinder von Alkoholikern
Köln/dpa. - Im Kühlschrank steht vor allem Bier, und Vater oder Mutter sind schon nachmittags betrunken. Kinder von Alkoholikern haben ein schweres Los. Und mit dem Ausziehen aus dem Elternhaus hören die Probleme oft nicht auf.
Denn Alkoholismus in der Familie wirft einen Schatten, weit über die Kindheit hinaus. Sich dessen bewusst zu werden, ist der erste Schritt zur Lösung. In Deutschland leben rund fünf bis sechs Millionen erwachsene Kinder von Alkoholikern, sagt Prof. Michael Klein, Suchtexperte an der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen in Köln.
Rund ein Drittel werde selbst suchtkrank. Bei ihnen kommen zwei Faktoren zusammen, erklärt Martin Zobel aus Koblenz. Kinder von Alkoholikern vertragen dem Diplom-Psychologen zufolge häufig viel Alkohol, und nach dem Trinken quält sie seltener ein Kater. Außerdem haben sie Alkohol als Mittel zur Problemlösung kennengelernt und fühlen sich sicher vor einer Sucht.
Doch auch wer nicht trinkt, hat oft Probleme: Rund ein Drittel der Kinder aus Alkoholikerfamilien leidet unter Depressionen, Ängsten oder Persönlichkeitsstörungen, sagt Klein. Um das 20. Lebensjahr merken die meisten Betroffenen, dass in ihrem Leben irgendwas nicht stimmt, sagt Zobel. Bei manchen scheitert eine Beziehung nach der anderen, oder sie merken, dass sie immer wieder an Partner geraten, die ein Suchtproblem haben. «Denen begegnet ein Mensch, der etwas Vertrautes hat, und dann stellen sie fest, dass es ein Alkoholiker ist», erklärt Hartmut Große aus Essen, Geschäftsführer der Al-Anon-Familiengruppen - Selbsthilfegruppen für Angehörige von Alkoholikern.
Andere Betroffene sind extrem leistungsorientiert. «Es gab sowieso immer Ärger in der Familie, deshalb versuchten diese Kinder, nicht für weiteren Ärger zu sorgen», erklärt Zobel. Außerdem mussten viele dieser Kinder früh große Verantwortung für den Haushalt oder die Geschwister übernehmen. «Sie wurden von der Umgebung dafür gelobt.» Dadurch lernten sie, dass sie gut sein müssen, um Anerkennung zu bekommen.
Andere spüren ein emotionales Ungleichgewicht, das sie nicht erklären können. «Sie reagieren dann heftig auf Kleinigkeiten», sagt Große. Auch das hat seine Ursache in der Familiengeschichte: «In Alkoholikerfamilien kommt es oft zu mangelnder Zuwendung, Gewalt und wiederkehrenden Trennungen», sagt Prof. Klein. Angstzustände und Depressionen sind mögliche Folgen.
Therapeuten etwa aus der Suchtberatung sind mögliche Ansprechpartner. Das gilt auch für Selbsthilfegruppen wie die «EKA - Erwachsene Kinder von Alkoholikern» und die Al-Anon Familiengruppen. «Die Leute bekommen dort ihre Erfahrungen von anderen gespiegelt», schildert Große. Dadurch sehen sie ihre Verstrickung in den Alkoholismus der Familie, ihre eigenen Überlebensstrategien werden ihnen nach und nach bewusst.
Ein wichtiger Schritt, um die Probleme in den Griff zu bekommen, sei, Distanz zur Herkunftsfamilie zu schaffen - zumindest, wenn Vater oder Mutter nach wie vor trinken, sagt Zobel. Denn Verantwortung zu übernehmen, kostet viel Kraft. «Und das hindert einen, die eigenen Lebenspläne zu verwirklichen.»
Literatur: Martin Zobel: Wenn Eltern zu viel trinken, Psychiatrie-Verlag, ISBN 978-3-884-14272-1, 13,90 Euro