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Nachbarschaftsrecht Nachbarschaftsrecht: Wenn der Nachbar Ärger macht

27.07.2014, 07:34
Um die Wurst im Garten längst nicht so oft, wie man möchte. Geringfügige Belästigungen wie Rauch oder Geruch fallen zwar unter das sogenannte Toleranzgebot. Gelegentliches Grillen muss daher grundsätzlich geduldet werden.
Um die Wurst im Garten längst nicht so oft, wie man möchte. Geringfügige Belästigungen wie Rauch oder Geruch fallen zwar unter das sogenannte Toleranzgebot. Gelegentliches Grillen muss daher grundsätzlich geduldet werden. Schwäbisch Hall Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Martina F., Eisleben: Unsere eine Hauswand steht auf der Grundstücksgrenze. Wir müssen sie neu verputzen. Da die Hauswand mit Efeu des Nachbarn bewachsen ist, haben wir ihn um die Beseitigung des Efeus gebeten. Er hat das abgelehnt. Sind wir im Recht?

Antwort: Sie haben einen Anspruch darauf, dass der Nachbar seinen Efeu so zurückschneidet beziehungsweise von Ihrer Hauswand entfernt, dass Sie die Wand ordnungsgemäß instandsetzen können. Da sich Ihre Hauswand auf der Grundstücksgrenze befindet, muss Ihnen der Nachbar zudem das Recht einräumen, sein Grundstück zu betreten und von hier die Instandsetzungsmaßnahme durchzuführen (§ 18 Nachbarschaftsgesetz Sachsen-Anhalt, Hammerschlag- und Leiterrecht). Dementsprechend müssen Sie Ihre Maßnahme dem Nachbarn rechtzeitig mit einer Vier-Wochen-Frist schriftlich ankündigen.

Bettina D., Magdeburg: Noch auf unserem Grundstück, an der Grundstücksgrenze, stehen zwei Meter hohe Betonpfeiler. Da sie hässlich sind, möchte ich sie entfernen. Das Problem: Der Nachbar hat an der Grundstücksgrenze eine Wand gebaut und diese mit den Pfeilern verbunden. Die Wand stützt eine 80 Zentimeter hohe Grundstücks-aufschüttung des Nachbarn ab. Da wir es nicht unter einen Hut bekommen, hat der Nachbar die Schiedsstelle angerufen. Und nun?

Antwort: Rechtlich gesehen haben Sie die Möglichkeit, die Pfeiler zu beseitigen. Der Nachbar muss die Statik seiner Stützmauer auf seinem eigenen Grundstück gewährleisten. Im Sinne eines guten nachbarschaftlichen Verhältnisses sollten Sie das Schiedsverfahren als Chance zu einer gütlichen Einigung sehen.

Peter J., Halle: Die Wurzeln der Trauerweide auf dem Nachbargrundstück haben sich auf unserem Grundstück ausgebreitet und wachsen in unser Kanalsystem. Es entstehen beträchtliche Schäden und hohe Kosten durch notwendige Reparaturarbeiten. Wie können wir uns wehren und inwieweit bekommen wir die Reparaturkosten erstattet?

Antwort: Der Nachbar ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Schäden, die durch seinen Baum auf Ihrem Grundstück entstehen, abgestellt werden. Etwa durch eine Wurzelbehandlung, eine Wurzelsperre oder notfalls durch Fällen des Baumes. Die Verfahrensweise müsste im Einzelfall festgestellt werden. Er ist zudem verpflichtet, die Kosten für die Reparaturarbeiten zu übernehmen, die in Ihrem Kanalsystem infolge der Wurzelausbreitung seiner Trauerweide notwendig geworden sind. Da es bei Ihnen um vermögensrechtliche Ansprüche geht, sollten Sie einen Anwalt mit der Durchsetzung beauftragen.

Gitta J., Großkugel: Vor vier Jahren sind wir beim Neusetzen unseres Zaunes auf einen verbuddelten Grenzstein gestoßen. Wir haben ihn fotografiert und wieder mit Erde bedeckt, damit niemand stolpert. Unsere Nachbarin verlangt, dass wir den Grenzstein freilegen. Müssen wir das?

Antwort: Die Rechtslage richtet sich nach § 919 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Vorschrift gewährt einen zum Grundstückseigentum gehörenden Anspruch auf Mitwirkung bei der Errichtung oder Wiederherstellung fester Grenzzeichen. Gemäß § 14 des Vermessungs- und Geoinformationsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt wird der örtliche Verlauf der im Liegenschaftskataster nachgewiesenen Flurstücksgrenzen auf Antrag oder von Amts wegen festgestellt (Grenzfeststellung). Festgestellte Flurstücksgrenzen sind durch Grenzmarken, zum Beispiel Grenzstein oder Grenzmarke, zu kennzeichnen. Es stellt eine Straftat dar, wer einen Grenzstein oder ein anderes zur Bezeichnung einer Grenze bestimmtes Merkmal in der Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen, wegnimmt, vernichtet, unkenntlich macht, verrückt oder fälschlich setzt (§ 274 Strafgesetzbuch). Es empfiehlt sich daher, den Grenzstein wieder freizulegen. Anderenfalls könnte sich Ihr Nachbar an das Landesamt für Vermessung und Geoinformation wenden. Das Landesamt wird dann einen Vermessungsingenieur beauftragen, der den Grenzstein wieder freilegt oder, falls er beschädigt ist, einen neuen Grenzstein setzt. Die Kosten für den neuen Stein hätten Ihre Nachbarin und Sie je zur Hälfte zu tragen.

Gerda H., Sangerhausen: Unser Nachbar führt einen Dachgeschossausbau mit einem Überbau von etwa 15 Zentimetern über meiner Grundstücksgrenze durch. Damit bin ich nicht einverstanden. Das Bauamt hat alles genehmigt und mich mit unserem Problem an das Zivilgericht verwiesen. Hätte ich eine Chance?

Antwort: Der Überbau kann abgewehrt werden. Da der Nachbar bereits mit dem Bau begonnen hat, sollten Sie einen Baustopp erwirken. Man muss die Erteilung von Baugenehmigungen an seine Nachbarn nicht widerspruchslos hinnehmen. Außergerichtlich kann man gegen die Baugenehmigung mit dem Widerspruch und gerichtlich mit der Anfechtungsklage vorgehen. Die öffentlich-rechtliche Genehmigung hat zudem keinen Einfluss auf zivilrechtliche Abwehransprüche. Es wäre ratsam, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Sylvia P., Burgenlandkreis: Wir haben 1976 eine Blautanne gepflanzt. Sie ist groß, steht aber sechs Meter von der Grundstücksgrenze entfernt. Auch ragen keine Äste über die Grundstücksgrenze. Unser Nachbar hat von seinem Grundstück mit einer langen Astschere viele Zweige einfach abgeschnitten und zu uns hinüber geworfen. Müssen wir uns das gefallen lassen?

Antwort: Der Nachbar darf nicht ohne Ihre Kenntnis Hand an Ihr Grundstück legen. Es handelt sich um „Verbotene Eigenmacht“ (gemäß Paragraf 858 BGB) und eine unerlaubte Handlung (§ 823 Abs. 1 BGB), nach der Sie Schadenersatz geltend machen können. Parallel dazu können Sie Anzeige erstatten, wegen Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung.

Manuela R., Dessau-Roßlau: Auf dem Nachbargrundstück stehen eine Fichte und zwei Eichen. Sie sind etwa 25 Jahre alt, 15 bis 20 Meter hoch, stehen 80 Zentimeter von der Grundstücksgrenze entfernt. Die Äste ragen zur Hälfte auf unser Grundstück und lassen keinen Gemüseanbau mehr zu. Wir haben die jungen Leute, die das Grundstück vor einiger Zeit gekauft haben, gebeten, die Bäume zu kürzen und zurückzuschneiden. Sie haben das abgewiesen. Schließlich hätten sie mit dem Grundstück auch die Bäume gekauft. Müssen wir das hinnehmen?

Antwort: Im Rahmen des Grundstückserwerbes tritt der Grundstückseigentümer in die Rechte und Pflichten des Voreigentümers ein. Die Begründung der neuen Eigentümer ist also hinfällig. In Bezug auf die Höhe und den Grenzabstand der Bäume könnten Sie als Nachbar bei Nichteinhaltung grundsätzlich Abwehransprüche geltend machen. Sie sind aber nur innerhalb bestimmter Fristen möglich: Für die Beseitigung aufgrund Nichteinhaltung des Grenzabstandes gilt eine Fünf-Jahres-Frist ab dem Zeitpunkt der Überschreitung. Der Anspruch auf Zurückschneiden erlischt in zehn Jahren. Da die Bäume bereits 25 Jahre stehen und Sie sich nicht gegen den zu geringen Grenzabstand und die überbordenden Höhen gerichtlich gewehrt haben, ist Ihr Anspruch in beiden Fällen ausgeschlossen (§ 40 Nachbarschaftsgesetz Sachsen-Anhalt). Etwas anderes gilt für die herüberhängenden Äste. Vom Besitzer der störenden Bäume und Sträucher kann die Beseitigung der betreffenden Zweige und Wurzeln verlangt werden. Dieser Anspruch verjährt in 30 Jahren ab dem Auftreten der Beeinträchtigung. Es kann nach Fristsetzung auch die Beseitigung von störenden Zweigen und Wurzeln selbst vorgenommen werden (§ 910 BGB). Dieses Selbsthilferecht verjährt nicht.

Beate M., Mansfeld-Südharz: Unser Nachbar hat hohe Bäume, deren Äste auf unser Grundstück ragen. Dürfen wir sie zurückschneiden?

Antwort: Das ist abhängig von der konkreten Situation. Ragen bei einem 15 Meter hohen Baum in zehn Meter Höhe nur geringfügig Äste auf Ihr Grundstück, so stellt das dem Gesetzgeber zufolge keinen gravierenden Einschnitt dar und muss hingenommen werden. Bei einer Beeinträchtigung kann ein Rückschnitt verlangt werden (§ 910 BGB). Dafür sollten Sie Ihrem Nachbarn schriftlich eine angemessene Frist setzen. Die Dauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Zu berücksichtigen sind der Aufwand für das Abschneiden und gärtnerisch-botanische Belange. Ein Abschneiden während der Schonzeit - 1. März bis 30. September eines Jahres - oder während der Wachstumsperiode darf nicht verlangt werden. Sollte er auf die Fristsetzung nicht entsprechend reagieren, dürfen Sie die überragenden Äste selbst zurückschneiden. Aber nur, wenn die Standfestigkeit des Baumes und auch eine gewisse Ästhetik gewährleistet bleiben. Sollten Ihnen dabei Kosten entstehen, können Sie Aufwendungserstattungskosten geltend machen (§ 1004 BGB und § 812 Abs.1 Satz 1. Alt. 1 BGB).

Gitta B., Dessau-Roßlau: Ich kann den Balkon meiner Eigentumswohnung nicht mehr nutzen, da der Hund im Nachbarhaus unentwegt bellt. Ab 6.30 Uhr, wenn die Frau das Haus verlässt und mit Pausen, bis sie abends wieder kommt. Wie komme ich zur Ruhe?

Antwort: Aus Paragraf 906 BGB und 1004 BGB haben Sie einen Abwehranspruch gegen diese Lärmbelästigung. Dokumentieren Sie in einem Lärmtagebuch die zeitliche Bellerei und fordern Sie Ihre Nachbarin zur Unterlassung auf. Notfalls sollten Sie mit anwaltlicher Beratung eine Einstweilige Verfügung am Amtsgericht erwirken.

Ingrid G., Saalekreis: Auf dem Nachbargrundstück steht eine etwa 45 Jahre alte Tanne. Deren Nadeln haben die Dachrinne unseres Hauses verstopft. Auf entsprechende Hinweise von uns, die betreffenden Äste zu verschneiden, reagiert die Nachbarin, eine ältere Dame, nicht. Obwohl sie den Sachverhalt nicht abstreitet und einigungswillig ist. Wir wollen uns nicht streiten, aber was können wir unternehmen?

Antwort: Sie können Ihre zuständige Schiedsstelle anrufen und ein Schiedsverfahren beantragen. Auf diesem Wege wird eine außergerichtliche Einigung angestrebt. Eventuell geht das in Ihrem Fall über eine finanzielle Beteiligung der Nachbarin bei der Dachrinnenreinigung. Gibt es absolut keine Einigung, bekommen Sie nach einem für Sie positiven Gerichtsurteil einen Titel, mit dem eine Vereinbarung auch gerichtlich durchgesetzt werden kann. Beachten Sie: Beauftragen Sie selbst ohne vorhergehende Aufforderung eine Firma, können Sie die Nachbarin auch nicht finanziell daran beteiligen.

Fragen und Antworten notierten Dorothea Reinert und Michael Pietsch.

Rechtsanwalt Hartmut Kiesel, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Rechtsanwalt Hartmut Kiesel, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Kerstin Metze Lizenz