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Manufakturen in Deutschland Manufakturen in Deutschland: Preußen lebt

Von Tobias Wiethoff 28.08.2003, 10:43
Königin der Herzen - Luise von Preußen gehört zu den berühmtesten Motiven der Königlichen Porzellan-Manufaktur. (Foto: dpa)
Königin der Herzen - Luise von Preußen gehört zu den berühmtesten Motiven der Königlichen Porzellan-Manufaktur. (Foto: dpa) Königliche Porzellan-Manufaktur

Berlin/dpa. - Die Adelsherrschaft ist in Deutschland lange abgeschafft, doch Luise von Preußen behauptet sich als Königin der Herzen. Besonders heiß brennt die Liebe in Berlin und dort in der Königlichen Porzellan-Manufaktur (KPM) am Charlottenburger Tor. 68 Stunden muss Luise als Teil der berühmten Prinzessinnengruppe des Bildhauers Johann Gottfried Schadow bei 1400 Grad im Ofen verbringen. Aus 88 Puzzlestücken haben geübte Hände die 55 Zentimeter hohe Statue zuvor zusammengesetzt, eine Ikone des deutschen Klassizismus. Der Preis für diesen Aufwand entspricht dem eines gut ausgestatteten Kompaktwagens: 16 400 Euro.

Auch Jahrzehnte nach dem Untergang des Hohenzollernreiches ist Preußen im Sortiment von KPM noch immer quicklebendig. Das ist kein Wunder, schließlich verbindet Staat und Firma eine lange gemeinsame Geschichte. Friedrich der Große kaufte die Manufaktur im Jahr 1763 einem Privatunternehmer für 225 000 Reichstaler ab und gab ihr den Namen, unter dem sie nach einem profanen Intermezzo seit 1988 wieder firmiert. Zwischenzeitlich hatte man das «königlich» durch ein «staatlich» ersetzt. Als Markenzeichen wählte Friedrich analog zu den kursächsischen Schwertern Meissens ein Element des Brandenburger Wappens: ein blaues Zepter, dem später für die bemalten Stücke ein Reichsapfel zur Seite gestellt wurde.

Die Rivalität zu Meissen stand am Beginn der KPM-Geschichte, und sie wirkt bis in die Gegenwart fort. Beide Unternehmen bewegen sich in den gleichen - den obersten - Preisklassen, beide können aus einem immensen Fundus an historischen Formen schöpfen. Doch es gibt auch Unterschiede: «Wir machen den größten Teil unseres Umsatzes mit weißer, unbemalter Ware, bei Meissen ist es umgekehrt», sagt KPM-Geschäftsführer Elmar Schmitz.

Experten erkennen das Weiß aus Berlin an seinem feinen bläulichen Stich, während der sächsische Konkurrent eher ins Gelbliche tendiert. Der Hauptunterschied betrifft freilich den Stil der Teller und Tassen: Meissens Spezialität ist der sächsische Barock, KPM ist für preußischen Klassizismus bekannt.

Zwar hat die Manufaktur auch eine ganze Anzahl von Rokoko-Formen im Sortiment, etwa die Reihen «Rocaille» und «Reliefzierat», auf deren Gestaltung der «Alte Fritz» noch persönlich Einfluss nahm. Doch der Verkaufsrenner von KPM ähnelt eher dem Brandenburger Tor als dem Schloss Sanssouci: Statt Röschen und Putten prägen das Service «Kurland» Symmetrie und Strenge - ein Stil, den nicht nur notorische Preußenfans wieder schätzen. «Auch bei Mittdreißigern ist das Service gefragt», sagt Markus Roessiger, Leiter der KPM-Verkaufsgalerien in Berlin.

Besonders stolz verweist man bei KPM auf die Tatsache, dass die folgenden Plätze in der internen Service-Verkaufstatistik aus völlig unterschiedlichen Epochen belegt werden. Die Marke verharrt eben nicht im ewigen Gestern, so die Botschaft. So wurde «Berlin» erst Ende der neunziger Jahre von dem Mailänder Designer Enzo Mari entworfen. «Urbino», konsequent aus der Kugelform entwickelt, stammt von der Bauhaus-Gestalterin Trude Petri. Dass auch ihr Service «Urania» zum Klassiker geworden ist, verdankt es weniger dem Entstehungsjahr 1938 als seiner klaren, puristischen Linie. «Viele Gourmetköche schwören darauf», weiß Roessiger.

Doch der Himmel über Berlin ist für die KPM nicht ungetrübt: Das inzwischen der Investitionsbank Berlin gehörende Unternehmen drücken wirtschaftliche Sorgen. So musste bis Oktober Kurzarbeit beantragt werden. Einer der Gründe liegt in der Exportquote, die nach den Vorstellungen des Ende 2002 angetretenen Geschäftsführers Elmar Schmitz eigentlich ein Vielfaches der gegenwärtig sechs bis sieben Prozent erreichen müsste: «Unsere Geschichte ist ein Pfund, mit dem man auch im Ausland wuchern kann.» Immerhin wurden in den vergangenen Jahren wichtige Investitionen getätigt. Der Maschinenpark ist nach Überzeugung Schmitz' der modernste in einer deutschen Porzellan-Manufaktur. Die Sanierung des alten Fabrikgebäudes von 1871 macht die Tradition von KPM nun auch wieder räumlich erlebbar.

Besucher können daran vermutlich ab Sommer kommenden Jahres teilhaben, wenn der Werksverkauf in einer historischen Ofenhalle eröffnet werden soll. Derzeit übernimmt diese Funktion eine fußläufig erreichbare Verkaufsgalerie an der Straße des 17. Juni. Gegenüber den anderen KPM-Niederlassungen am Kurfürstendamm, am Boulevard Unter den Linden sowie in Hamburg und Köln gebührt ihr das Privileg, auch Porzellan zweiter Wahl mit 20 Prozent Nachlass anbieten zu dürfen. Wer sich in die Geschichte von KPM vertiefen möchte, kann die Porzellansammlung des Landes Berlin in einem Parkgebäude des Schlosses Charlottenburg besichtigen.

Im Herbst feiert das Unternehmen einen nicht ganz runden Geburtstag: 240 Jahre ist es am 19. September her, dass Friedrich II. die Kaufurkunde für das 1751 gegründete Unternehmen unterschrieb. Kunden sollen aus diesem Anlass mit «Jubiläumspreisen» in den Fachhandel gelockt werden. Verehrer von Königin Luise dürfen sich aber keine falschen Hoffnungen machen: Die Prinzessinnengruppe wird es wohl nie als Schnäppchen geben.

Informationen: KPM, Wegelystraße 1, 10623 Berlin (Tel.: 030/ 39 00 90, Fax: 030/391 90 34).