Keine Tränen Keine Tränen: So klappt die Eingewöhnung in der Kita
Ein kleines Mädchen rüttelt an der geschlossenen Tür und weint „Mama! Mama!“. Die Mutter steht auf der anderen Seite und hält mühsam die Tränen zurück. Eine Szene, wie sie sich in Kitas während der Eingewöhnung immer wieder abspielt. Einige Eltern fragen sich dann: Ist jetzt der richtige Zeitpunkt, mein Kind erstmals in die Obhut anderer zu geben? Experten erklären, wie Mutter und Vater ihrem Kind und sich selbst diesen Schritt möglichst leicht machen - und was ihnen vielleicht nicht erspart bleibt.
Wann ist der richtige Zeitpunkt für Kita oder Tagespflege?
Eine zentrale Frage sei, wann die Eltern in den Beruf zurück wollten, sagt Heidemarie Arnhold. Sie ist Vorstandsvorsitzende des Arbeitskreises Neue Erziehung. Aus entwicklungspsychologischer Sicht sei es sinnvoll, mit der Kita oder Tagesbetreuung nicht gerade dann zu beginnen, wenn das Kind fremdelt. „Wenn man in so einer Phase sein Kind eingewöhnt, muss man sich darauf einstellen, dass es länger dauert.“
Die Eltern sollten außerdem darauf achten, dass die Zeit der Eingewöhnung nicht mit anderen großen Veränderungen in der Familie wie einem Umzug oder der Geburt eines Geschwisterkindes zusammenfalle, rät der Soziologe Hans-Joachim Laewen. Außerdem sollten Sohn oder Tochter nicht gerade krank sein.
Welche ist die beste Betreuungsmöglichkeit?
„Das hängt vom Einzelfall ab“, sagt Laewen. „Wenn die Großmutter eine Giftnatter ist, ist das keine gute Idee.“ Eine sehr gute Krippe sei dagegen eine gute Lösung. Ob Oma, Tagesmutter oder Erzieherin in der Kita: „Wichtig ist immer, dass es feste Bezugspersonen sind“, sagt Familienberater und Buchautor Jan-Uwe Rogge. Die Eltern sollten Kita oder Tagespflege besichtigen, bevor sie sich entscheiden, rät Arnhold. „Das Kind muss das Vertrauen der Eltern zur Einrichtung spüren.“
Wie sieht eine gute Eingewöhnung aus?
„Ein Elternteil sollte die Eingewöhnung begleiten“, empfiehlt Laewen. Der Soziologe ist Mitgründer des Instituts für angewandte Sozialisationsforschung. Das Institut hat mit dem „Berliner Modell“ ein Eingewöhnungskonzept entwickelt, an dem sich viele Betreuungseinrichtungen orientieren. Demnach bleiben in den ersten Tagen Vater oder Mutter eine bis eineinhalb Stunden als sicherer Hafen mit in der Gruppe. Dabei sollten sie sich am besten als stille Beobachter in eine Ecke setzen.
„Ein erster Trennungsversuch sollte nicht vor dem vierten Tag stattfinden“, sagt Laewen. „Wenn die Eltern gehen, müssen sie sich verabschieden, rausschleichen ist keine gute Idee.“ Denn das Kind soll Mama oder Papa auch weiterhin vertrauen können und nicht durch ein unbemerktes Verschwinden verunsichert werden. Die Eltern bleiben zunächst höchstens eine halbe Stunde weg. Läuft alles gut, können sie in den folgenden Tagen das Kind schrittweise ein wenig später abholen.
Das Kind braucht Zeit, um mit den Erziehern vertraut zu werden und eine Bindung aufzubauen“, erklärt Laewen. Bei den ersten Trennungsversuchen sei Weinen eine völlig normale Reaktion. Die Frage ist dann, wie schnell es sich beruhigen lässt, wenn die Eltern den Raum verlassen haben. „Das sollte innerhalb von ein bis zwei Minuten der Fall sein.“
Wie kann man dem Kind den Abschied leichter machen?
Besonders wichtig sind Rituale. „Sie sollten sich immer mit einem bestimmten Satz, einem Kuss oder einer Umarmung verabschieden“, sagt Arnhold. Häufig hilft auch ein Gegenstand, der mit in der Kita bleibt. „Das kann zum Beispiel ein Teddy sein“, sagt Laewen.
Wie kommen die Eltern am besten mit der Trennung klar?
„Eltern dürfen sich nicht von ihrem schlechten Gewissen treiben lassen“, sagt Familienberater Rogge. Auch Eifersucht ist völlig fehl am Platz. „Das Kind wird eine Bindung zu den Erziehern aufbauen. Manche Mütter oder Väter reagieren da empfindlich“, sagt Laewen. Aber keine Angst: „In der Hierarchie der Bindungsbeziehungen bleiben die Eltern ganz oben.“ Arnhold rät, Geduld zu haben, positiv zu bleiben und den Erziehern zu vertrauen.
Wann ist der Moment, abzubrechen, wenn es nicht klappt?
Wie lange die Eingewöhnung dauert, ist unterschiedlich. „Es gibt Kinder, die sind nach zwei bis drei Wochen voll da“, sagt Rogge. Für andere werde die Kita erst nach drei bis sechs Monaten zum Alltag. Oder es klappt zunächst gar nicht: „Wenn das Kind über drei oder vier Wochen hinaus die Eltern immer wieder gar nicht erst weglässt und es nicht aufgefangen werden kann, dann ist ein offenes Gespräch mit der Erzieherin oder der Leitung notwendig. Wenn sich die Situation dann nicht ändert, muss ein Abbruch erwogen werden“, sagt Laewen. Arnhold warnt davor, die Kinder zu schnell herauszunehmen. Sie empfiehlt, zunächst das Gespräch mit den Erziehern zu suchen. „Es kann passieren, dass es nicht klappt“, sagt die Pädagogin. „Aber meistens dauert es einfach nur länger.“ (dpa/tmn)
Literaturtipps:
Jan-Uwe Rogge, Angelika Bartram: Warum Raben die besseren Eltern sind. Gräfe und Unzer. 176 S. Euro 14,99.
Beate Andres, Eva Hédervári-Heller, Hans-Joachim Laewen: Die ersten Tage - Ein Modell zur Eingewöhnung in Krippe und Tagespflege. Cornelsen. 104 S. Euro 16,50.