«Hotel Unstruttal» in Freyburg «Hotel Unstruttal» in Freyburg: Wild in der Teigtasche
Halle (Saale)/MZ. - Die Einladung auf der Internetseite vom "Hotel Unstruttal" in Freyburg hört sich ein wenig an wie "Futtern wie bei Muttern": "Vergessen Sie die Kalorien, genießen Sie einfach." Aber auf solche banale Assoziationen ist Jan Kannetzky gar nicht gut zu sprechen, da wird er ärgerlich. Denn genau das will er eigentlich nicht, der Chef des Hauses. Eine kleine, feine Küche soll es sein, möglichst regional verwurzelt, eine, die überrascht und mal das Unerwartete anbietet, auswärtige Impulse phantasievoll aufnimmt. Familie Kannetzky baut unverdrossen auf den neugierigen Gast, der nicht zuerst sucht, was er kennt - ein zunehmend schwierigeres Unterfangen.
Jan Kannetzky hat es mit seinen Ansprüchen nicht leicht in einem Ort mit knapp 5 000 Einwohnern, in dem es 23 gastronomische Einrichtungen geben soll und wo im Sommer Tausende Touristen zu Gast sind, die satt werden wollen. Sie zufrieden zu stellen, wird für alle Gastronomen immer teurer.
Kannetzky sagt das natürlich nicht so, aber man merkt ihm an, dass er irgendwie von mehr Gästen träumt, die nicht nur preiswert satt werden wollen, sondern die wissen, dass es auch Genuss jenseits von Schnitzel und Soljanka gibt und die nicht an der Tür kehrt machen, wenn sie lesen, dass das teuerste Gericht bei ihm 16,50 Euro kostet. Aber natürlich, jeder Gast ist hier willkommen, jeder Gast wird gebraucht, davon leben Wirtsleute nun mal.
Ungewöhnliches Tatar
Also muss auch das "Unstruttal" den Spagat zwischen Erwartung und Überraschung versuchen. Ein wenig hadert der Chef damit, weil - auch wenn perfekt gemacht - das Schweinerückensteak oder die hausgemachte Sülze etwas kollidiert mit dem, was der Freyburger sich auf Wanderschaft in Baden-Württemberg angeeignet hat, wo er u.a. im Sterne-Restaurant Staufeneck gelernt hat, was in einer Küche möglich ist.
Die Karte des "Unstruttal" ist dazu angetan, Neugier zu wecken. Scampi in der Kartoffel mit Gurken-Avocado-Pfirsich-Tatar und Nüssen (8,50 Euro) stehen auf der Vorspeisenkarte. Sie macht auch neugierig auf lauwarme Lachswürfel im Orangen-Safransud (7,50 Euro) oder auf ein "Vitello Parmigiano". Das alles erwartet man nicht unbedingt am Marktplatz der Kleinstadt. Wer keine Überraschungen mag, kann zur Rinderbrühe greifen (vier Euro).
Die Weine sind natürlich im "Unstruttal" aus dem Unstruttal und den angrenzenden Weinbergen. Acht Weißweine nennt die Karte, vier Rotweine. Ein Weißburgunder wird der höchst angenehme Begleiter an diesem Tag, 17,80 Euro die Flasche, 4,90 das Glas, gewachsen auf dem "Naumburger Steinmeister". Das ist eine Weinberg-Lage, wo der Muschelkalkverwitterungsboden viel Lehm enthält und auf dem vor allem die Rebsorten Müller-Thurgau, Silvaner, Weißer und Grauer Burgunder gedeihen.
Die Entscheidung für das Vitello war goldrichtig. Feine Scheiben Kalbstafelspitz, Tomaten-Oliven-Salat mit kalter Parmesansauce sind ein Genuss, rosa die Scheiben, die Soße ist ein guter Geschmackskontrast. Vielleicht hätten ein paar Tröpfchen Olivenöl den Genuss des Tafelspitz noch gesteigert. Und sieben Scheiben sind zu viel des Guten beim Auftakt, der der Küche vorzüglich gelingt. Da können die Scampi in der Kartoffel locker mithalten, mit dem ungewöhnlichem Tatar dazu - herzhaft, das war mal etwas anderes. Jan Kannetzky führt ein traditionsreiches Haus. Über dem Eingangsbogen ist das Jahr 1639 in den Stein gemeißelt. Turnvater Jahn hat hier zeitweise gewohnt, Napoleons Truppen waren einquartiert, dann führte die HO (Handelsorganisation in der DDR) das Zepter, danach bot die Treuhand das Haus an. Da griff Jan Kannetzkys Vater zu und machte ab 1994 die Immobilie zu einem der besten Häuser am Platz, mit Hotelzimmern und Restaurant. Tief unten gibt es zwei romantische Gewölbe, wo bis zu 60 Gäste feiern können, im Sommer wartet im Hof eine Terrasse.
Bei der Entscheidung für das Hauptgericht haben wir uns aus Neugier wohl von den Wanderjahren des Chefs beeinflussen lassen: Hausgemachte Wildmaultaschen auf Rahmwirsing mit Wildsauce, Selleriepüree und Sauerkirschen. Macht 13,50 Euro. Die Maultaschen konkurrierten bei der Auswahl anfangs mit dem Reh aus dem Ziegelrodaer Forst (plus schwäbische Spätzle, 16,50 Euro) - vielleicht beim nächsten Mal.
Hausgemacht besser wohl handgemacht die Maultaschen. Den sieht man an, dass der Koch Hand angelegt hat und sie nicht von einer Maschine ausgestanzt wurden. Dezent der Geschmack der Wild-Füllung, sehr schön passend zum Rahmwirsing, eine würzige, leicht cremige Sache. Frisch und herzhaft ist der Tupfer, den das Selleriepüree setzt. Gut, dass da nicht der Klassiker Kartoffelpüree serviert wurde, das kennt man ja.
Wohlwollend registrierten wir, dass dies alles in höchst bekömmlichen Mengen serviert wurde, da bog sich der Teller nicht unter der Last des Hauptgerichts - und hungrig sind wir wahrhaftig nicht aufgestanden.
Sorbet aus Blüten
Das Zanderfilet in der Speckhülle auf Weißkohl mit Kümmel-Ofenkartoffel und Kartoffelsauce erwies sich als grundsolide Angelegenheit, einfach gut gemacht, frisch der Fisch, schneeweiß das Fleisch, auf den Punkt fit für den Teller. Da war einer am Werk, der sein Handwerk versteht. Die Skepsis ob des Speckmantels (zu rustikal, zu dominant?) verflog schnell. Nur dünn umschließt die Hülle den Fisch, nichts schmeckt vordergründig "speckig", der Zander dominiert den Genuss, ausgezeichnet.
Das süße Finale kann man im "Unstruttal" auch auf Bacchuss Spuren angehen - mit kaltem Rieslingschaum, eine erfrischende Angelegenheit, aber dennoch ist das nur das gelungene Beiwerk zum "Pochierten Pfirsich mit Hibiskussorbet" (5,50 Euro). Das lässt der Fantasie des Gastes noch mal freien Lauf, weil man die prächtigen Blüten vor Augen hat. Aber: Wie kommt der Hibiskus ins Sorbet?
Das weiß Ria Kannetzky genau, die Angetraute vom Chef, die er von seiner Wanderschaft im Süden "mitgebracht" hat. Witzigerweise von Freiburg (im Breisgau) nach Freyburg (an der Unstrut). Sie denkt sich viele der Rezepte aus, lässt Heimatliches einfließen und erfindet auch mal ein Hibiskussorbet, was leicht säuerlich, "beerig"schmeckt. Dafür kauft sie in einem Naumburger Teeladen Hibiskusblätter, macht Tee daraus, Zucker rein, Glucose dazu. Dann wird das Ganze vereist und lässt die Gäste staunend zurück. Hibiskussorbet!