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Hartz IV Hartz IV: Eltern müssen arbeitslosen Kindern Unterhalt bieten

15.06.2006, 12:01
Das bislang nur in Sachsen-Anhalt erprobte Modell «Bürgerarbeit» soll auf Thüringen übertragen werden. (Foto: dpa)
Das bislang nur in Sachsen-Anhalt erprobte Modell «Bürgerarbeit» soll auf Thüringen übertragen werden. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Nürnberg/Frankfurt/Main/dpa. - Für viele Jugendliche ist eseine Horrorvorstellung, mit 25 Jahren noch mit den Eltern unter einemDach zu leben. Junge Erwachsene, die länger keine Arbeit haben,müssen sich aber unter Umständen daran gewöhnen: Der Grund sindHartz-IV-Regeln, die seit dem 1. April gelten. Sie könnenmöglicherweise aber nicht nur dazu führen, dass junge Arbeitslosewieder zu Hause einziehen müssen. Zum 1. Juli gibt es auch für dieEltern Änderungen: Wenn das bei ihnen lebende Kind ArbeitslosengeldII beantragt, werden Väter und Mütter künftig stärker zum Unterhalt heran gezogen.

«Vor dem 1. Juli wurde der Anspruch eines jungen Erwachsenenallein geprüft und berechnet», erläutert Ulrich Waschki, Sprecher derBundesagentur für Arbeit in Nürnberg. 18- bis 25-Jährige hattenAnspruch auf Arbeitslosengeld II sowie auf Erstattung der Miet- undHeizkosten für die eigene Wohnung. «Jetzt bilden sie zusammen mit den Eltern eine Bedarfsgemeinschaft.» Das bedeutet, dass Einkommen undVermögen der Eltern bei der Berechnung berücksichtigt werden.

Vielen jungen Menschen droht damit unter Umständen dieunfreiwillige Rückkehr ins Elternhaus. Das könne etwa dann der Fallsein, wenn ihre Wohnung nach den Hartz-IV-Richtlinien zu groß oder zuteuer ist, erläutert Frank Jäger, Berater derBundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- undSozialhilfeinitiativen in Frankfurt. «Nach dem Gesetzestext ist esmöglich, dass die Ämter in solchen Fällen auf die Wohnung der Elternverweisen.»

Auf Eltern mit eigenem Einkommen kommt dann eine höherefinanzielle Verpflichtung gegenüber den erwachsenen Kindern zu.«Dahinter steht der Gedanke, erst innerhalb der Familie vorzusorgen,bevor der Staat einspringt», resümiert Tina Hofmann, ReferentinJugendsozialarbeit beim Paritätischen Wohlfahrtsverband in Berlin.Möglicherweise müssen Paare künftig sogar «voll für ihre Kindereinstehen.»

Je nach Höhe des Haushaltsgeldes bekommen Söhne und Töchterentsprechend weniger Arbeitslosengeld II oder gar keine staatlicheUnterstützung mehr. Ihnen bleibe dann nichts anderes mehr, als «Papaund Mama um Taschengeld zu bitten», sagt Hofmann. Grundsätzlich galteine solche Unterhaltspflicht auch bisher. Um Arbeitslosengeld IIdoch zu beziehen, reichte nach Worten von Ulrich Waschki aber eineschriftliche Gegenerklärung aus. Diese Möglichkeit sei nun passé.

Zwar sind der elterlichen Belastung Grenzen gesetzt: «Sie könnennur in dem Maße aufkommen, wie sie selbst Einkommen oder Vermögenhaben», erläutert Matthias Schulze-Böing, Geschäftsführer derArbeitsgemeinschaft MainArbeit in Offenbach. Aber dieUnterhaltspflicht greife unter Umständen auch dann, wenn ein Kindbereits eine Ausbildung beendet hat.

Nach den neuen Regeln bleiben einem Paar mit erwerbslosem Kindohne Ausbildung ein Satz von 1244 Euro plus Miete plus 50 Prozent desübrigen Einkommens oder Vermögens. Der Rest wäre dann für denUnterhalt des Kindes aufzuwenden. Eine Kulanzregelung gibt es aberfür Mütter und Väter, die selbst Arbeitslosengeld II beziehen. ImRechtsjargon seien diese Eltern zwar «unterhaltspflichtig». Wegenihres geringen Einkommens sind sie aber nicht «unterhaltsfähig»: «Siemüssen also nicht zahlen», erläutert Frank Jäger.

Dafür kürzt der Gesetzgeber aber dem im Haushalt lebenden Kind dieLeistung: Weil Wohnung und Hausrat von Eltern und Kinder gemeinsamgenutzt werden, erhalten junge Langzeitarbeitslose künftig nur noch80 Prozent des Regelsatzes. «Das sind dann 276 statt der bisherigen 345 Euro», rechnet Jäger vor. In Ostdeutschland gibt es dann 265 Eurostatt 331 Euro.

Für junge Langzeitarbeitslose ist eine eigene Wohnung seit dem 1.April sowieso kaum noch drin. Denn aus dem Staatssäckel fließenseitdem weder Beihilfen für Auszug, noch für Miete oder Heizkosten.Ausnahmen werden nur dann gewährt, «wenn die familiäre Situationzerrüttet ist - bei Gewaltsituationen zum Beispiel», sagt TinaHofmann. Sie und Frank Jäger machen dabei aber auf einen wichtigenHaken aufmerksam: Junge Erwachsene müssen ihre miserableFamiliensituation glaubhaft nachweisen.

Wenn Eltern und Kinder nicht mehr unter einem Dach leben wollen,sollte das Kind zunächst einen Antrag auf Auszug stellen. «Darin mussich die unhaltbare Lage bescheinigen. Wenn abgelehnt wird, muss ichWiderspruch einlegen», sagt Frank Jäger. Gute Karten für einen Auszughat Tina Hofmann zufolge, wer wegen einer entfernt liegenden Lehr-oder Arbeitsstelle das elterliche Heim verlässt. Unter Umständenübernimmt der Staat sogar die Kosten. «Voraussetzung ist aber, dassder Umzug dem Leistungsträger vorher angezeigt und genehmigt wird.»Wer das vergisst, geht leer aus.