Handarbeit Handarbeit: Schnelle Erfolge mit großen Nadeln

Kenzingen/Karlsruhe/dpa. - Selber stricken galt lange Zeit als Domäne von Handarbeitslehrerinnen, freundlichen Großmüttern und «Ökos» der ersten Stunde. Das scheint sich zu ändern: Seitdem Designer farbenprächtige Pullis, Jacken und Schals auf den Laufstegen zeigen, stricken oder häkeln auch immer mehr trendbewusste Frauen. Wer will, kann sogar jetzt noch damit anfangen, denn im Sommer werden den Modeexperten zufolge locker gestrickte Jacken aus dickem Garn ein wichtiges Thema sein.
Der Hauptgrund für die Renaissance des Selbgestrickten liegt darin, dass Gestricktes in der Mode zurzeit generell einen höheren Stellenwert genießt als noch vor einigen Jahren, fasst Edeltraut Söll zusammen, Redakteurin bei der in Offenburg (Baden-Württemberg) erscheinenden Fachzeitschrift «Verena». Vor allem Oberteile in Grobstrick-Optik sind ein wichtiges Thema, sagt Stefanie Frey, Sprecherin des Unternehmens Coats in Kenzingen bei Freiburg, das unter anderem Garn herstellt. Dies komme besonders Frauen zu Gute, die noch nicht viel Erfahrung im Umgang mit Nadeln und Wolle haben: «Grobstrick sieht nicht so perfekt aus, da fallen kleine Fehler gar nicht auf.»
Stücke der Marke Eigenbau bieten eine gute Gelegenheit Individualität zu demonstrieren, sagt Gert Eberhardt vom Branchenverband «Initiative Hausarbeit» mit Sitz in Salach (Baden-Württemberg). «Der selbst gestrickte Schal dient nicht nur einem warmen Hals - man kann sich damit ein bisschen von anderen abheben», bestätigt Frey.
Zum Imagewechsel beim Stricken könnte nach Worten der Coats-Sprecherin auch das «Outing» einiger Prominenter als Strick-Fans beigetragen haben. «Ich habe gelesen, dass beispielsweise die Sängerin Britney Spears ihre Probleme mit Stricken bekämpft», sagt Frey. Auch männliche Stars lassen Gerüchten zufolge gelegentlich die Nadeln flitzen, darunter der Schauspieler Russell Crowe. «Ob das wirklich stimmt, lässt sich natürlich schwer überprüfen.»
Aus Geldmangel stricken weder Hollywood-Stars noch durchschnittliche Strickfans: «Stricken, um zu sparen, ist nicht der entscheidende Aspekt - es sei denn, Sie haben vorher Designermode getragen», sagt Frey. Schließlich seien Wolle oder Garn im Laden nicht gerade günstig zu haben. «In diesem Bereich sind die Leute gar nicht so knauserig», hat Verbandssprecher Eberhardt beobachtet.
Wenn das Handarbeitszeug auch seinen Preis hat, so ermöglicht neuartiges, vergleichsweise dickes Garn immerhin selbst Anfängerinnen schnelle Fortschritte. «Da lässt sich schon in ein paar Stunden ein Pulli stricken», sagt «Verena»-Redakteurin Söll. Gert Eberhardt von der «Initiative Handarbeit» hält gerade den raschen Erfolg als entscheidend für die Strick- und Häkel-Renaissance: «Da hat man schnell etwas fertig, braucht keinen Strom und keine Nähmaschine.»
Besonders viel Geduld und Fingerspitzengefühl erfordern dagegen die Kreationen, die Patricia Waller anfertigt. Die in Karlsruhe lebende Künstlerin erschafft mit Häkelnadeln und buntem Garn Lebensmittel: Ein Schweinskopf, garniert mit Gemüse und Pilzen gehört ebenso zu ihrem Werk wie ein kompletter Hummer, der sich auf einem Bett aus Salatblättern und Zitronenscheiben präsentiert.
«Eat Art» nennt Waller ihre gehäkelten und schon vielfach in Museen und Galerien ausgestellten Werke. «Ausgangspunkt war, dass ich mich gefragt habe, warum Handwerkstechniken allgemein höhere Wertschätzung genießen als Handarbeit», sagt die studierte Bildhauerin. Umso mehr freut sie sich über den aktuellen Aufwind für das Häkeln und Stricken. Beobachet hat sie ihn vor allem bei Wollhändlern: «Früher war ich oft die einzige Kundin, jetzt ist dort in der Regel mehr los, und das Durchschnittsalter ist gesunken.»