Cholesterin verkalkt unsere Arterien Wie sich Atherosklerose vermeinden lässt
Cholesterin kann dazu beitragen, dass Blutgefäße verengt werden. Schlaganfall oder Herzinfarkt sind mögliche Folgen. Mediziner haben am Lesertelefon erklärt, wie wir unser persönliches Risiko für Atherosklerose beeinflussen und welche Faktoren ausschließlich erblich bedingt sind.
Atherosklerose – Ablagerungen in den Blutgefäßen – ist die Hauptursache für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Durchblutungsstörungen. Ein ungesunder Lebensstil und dauerhaft erhöhtes LDL-Cholesterin sowie zu viel Lipoprotein(a) im Blut fördern solche Ablagerungen und damit gefährliche Verengungen der Blutgefäße. Doch dem lässt sich vorbeugen. Was Cholesterinwerte aussagen, wann sie als bedenklich gelten und wie man zu hohe Werte senken kann, dazu informierten Mediziner der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und ihren Folgeerkrankungen (DGFF Lipid-Liga) am Lesertelefon. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:Wie vermeide ich zu hohe Cholesterinwerte?Brigitte Öhm: Grundsätzlich gilt ein gesunder Lebensstil als Fundament der Vorbeugung und jeder Therapie. Das wird leider noch immer unterschätzt, doch die Erfolge einiger Patientinnen und Patienten zeigen, was mit Umstellungen im Lebensstil möglich ist. Dazu gehört eine pflanzenbetonte mediterrane Ernährung mit ballaststoffreichem Obst, Gemüse und Nüssen, Olivenöl und eher Fisch als Fleisch. Weitere Bausteine der Vorbeugung sind der endgültige Rauchstopp und Bewegung. Drei Mal dreißig Minuten pro Woche – besser noch insgesamt 150 Minuten – sollten Sie anstreben. Wählen Sie dafür eine Aktivität, die Ihnen Spaß macht – so bleiben Sie besser „am Ball“.Was sind frühe Anzeichen für eine Fettstoffwechselstörung?Peter Grützmacher: Erhöhte Blutwerte von Gesamt-Cholesterin und insbesondere von LDL-Cholesterin sowie von Lipoprotein(a) und Triglyzeriden sind Alarmzeichen. Sie verursachen oft lange Zeit keine Beschwerden, trotzdem schreitet die Atherosklerose voran. Deshalb gilt, dass man seine Blutfettwerte so früh wie möglich bestimmen lassen sollte. Wenn in der Familie bei direkten Verwandten schon in jüngerem Alter – bei Frauen vor dem 60. Lebensjahr, bei Männern vor dem 55. – eine Herz-Kreislauf-Erkrankung vorgekommen ist oder wenn es bei den Eltern, Großeltern und Geschwistern Fettstoffwechselstörungen gibt, ist es wichtig, die Blutfette schon bei den Kindern messen zu lassen. Das passiert am besten im Alter von fünf oder sechs Jahren.
Wer den Check bezahlt
Bei wem kann ich meine Blutfettwerte checken lassen – und bezahlt das die Krankenkasse?Ulrich Julius: Sie können Ihre Blutfettwerte bei Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt messen lassen. Es gibt auch sogenannte Lipidologinnen und Lipidologen DGFF, an die Sie sich wenden können, wenn Sie einen besonderen Rat brauchen. Eine Liste dieser Experten finden Sie online unter www.lipid-liga.de. Erwachsene haben zwischen dem 18. und 35. Lebensjahr einmalig Anspruch auf eine ärztliche Gesundheitsuntersuchung mit Bestimmung der Blutfettwerte, ab dem 35. Lebensjahr dann alle drei Jahre beim „Check-up 35“. Besser wäre aber, sie schon früher messen zu lassen. Wichtig ist, wenigstens einmal im Leben auch den Wert von Lipoprotein(a) – kurz Lp(a) – bestimmen zu lassen. Eine einmalige Messung genügt, da dieser Wert erblich bedingt ist und sich im Laufe des Lebens nicht wesentlich verändert. Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine Routineuntersuchung. Man muss beim Arztbesuch danach fragen und die Laborkosten meist selbst bezahlen.Welche Grenzwerte gelten für LDL-Cholesterin?Katharina Lechner: Bei einem gesunden Erwachsenen ohne Risikofaktoren für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung sollte das LDL-Cholesterin im Blut laut Leitlinien unter 116 mg/dl (3 mmol/l) liegen. Allerdings lässt sich diese Frage nicht pauschal beantworten. Ärzte ermitteln immer das individuelle Gesamtrisikoprofil eines Menschen. Dabei werden unter anderem die familiäre Vorbelastung für Herz- und Kreislauferkrankungen, das Alter, der Lebensstil, das Körpergewicht, andere Blutfettwerte sowie Begleiterkrankungen berücksichtigt. Bei der Bewertung des gemessenen LDL-Cholesterins und der Entscheidung, auf welchen Zielwert es bei Bedarf gesenkt werden sollte, geben die Leitlinien europäischer Fachgesellschaften Orientierung.
Wer besonders gefährdet ist
Gibt es Menschen mit einem besonders hohen Risiko für eine Atherosklerose?Bernd Krüger: Ja. An erster Stelle stehen diejenigen, die eine schwere Fettstoffwechselstörung geerbt haben. Bei ihnen sind schon im frühen Kindesalter LDL-Cholesterin, Lipoprotein(a) oder die Triglyzeride erhöht. Wird das nicht entdeckt und bleiben diese Kinder unbehandelt, entwickelt sich schon früh eine Atherosklerose. In schweren Fällen erleiden sie in jungen Jahren einen Herzinfarkt oder Schlaganfall. Menschen mit Diabetes mellitus, Bluthochdruck, einer chronischen Nierenerkrankung, Übergewicht sowie Raucher und ältere Menschen haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko. Was bedeutet der Lipoprotein(a)-Wert?Reinhard Klingel: Das Lipoprotein(a) (Lp(a)) sollte dazugehören, wenn die Blutfette gründlich untersucht werden. Ab 30 mg/dl (75 nmol/l) gilt es als erhöht, ab 50 mg/dl (125 nmol/l) wird die Erhöhung relevant. Das Atheroskleroserisiko steigt und könnte einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder Durchblutungsstörungen in den Beinen begünstigen. Die individuellen Lp(a)-Werte sind weitgehend erblich vorbestimmt und lassen sich weder über die Ernährung noch mit Sport senken. Medikamente zur gezielten Lp(a)-Senkung befinden sich im Stadium der klinischen Forschung. Bis zur möglichen Zulassung wird es sicher noch zwei Jahre dauern. Der Lp(a)-Wert kann nicht isoliert bewertet werden, sondern muss immer im Zusammenhang aller Risikofaktoren einer Person gesehen werden. Ist der Wert relevant erhöht, ist es umso wichtiger, keinesfalls zu rauchen und gesunde Ernährung und Bewegung zum festen Bestandteil des Tagesablaufs zu machen. Zudem sind die weiteren Risikofaktoren von Herz- und Gefäßerkrankungen wie Blutzucker, Blutdruck und insbesondere das LDL-Cholesterin zu messen und bei zu hohen Werten konsequent zu behandeln. In Deutschland gibt es für Patienten, bei denen das Lp(a) eine besonders rasch fortschreitende Atherosklerose bedingt, obwohl alle anderen Risikofaktoren im Griff sind, die Möglichkeit der Lipoproteinapherese, die seit 2008 zu den Regelleistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung gehört.Wann reichen Ernährung und Bewegung zur Cholesterinsenkung aus – wann sind Medikamente notwendig?Brigitte Öhm: Eine gesunde pflanzenbetonte Ernährung ist für alle Menschen wichtig – egal wie hoch die Blutfettwerte sind. Und natürlich gehören zu einem gesunden Lebensstil aktive Bewegung, der Verzicht aufs Rauchen sowie Alkohol in Maßen. Ob diese Maßnahmen ausreichen, um Blutfettwerte ausreichend zu senken oder ob zusätzlich Medikamente zu empfehlen sind, hängt vom individuellen Gesamtrisiko ab, das der Arzt ermittelt. Bei Menschen mit schwerwiegenden Fettstoffwechselstörungen, wenn es schon Ablagerungen in den Blutgefäßen gibt, ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall bereits aufgetreten ist, sind Medikamente in jedem Fall notwendig.Wie lange müssen Cholesterinsenker eingenommen werden?Benjamin Lechner: In aller Regel müssen die verordneten Medikamente regelmäßig und lebenslang eingenommen werden. Das ist aufgrund der sehr guten Verträglichkeit auch problemlos machbar. Eine dauerhafte Senkung der LDL-Cholesterinwerte aufgrund einer kurzzeitigen Einnahme oder Maßnahme ist nicht möglich. Wer heute einen Cholesterinsenker einnehmen muss, ist aber in der glücklichen Lage, dass es eine Reihe hochwirksamer Medikamente gibt, aus denen Ärzte für jeden Patienten die passenden herausfinden und auch kombinieren können. In jedem Fall ist es jedoch wichtig, die verordneten Medikamente konsequent in der verschriebenen Dosis einzunehmen, damit die LDL-Cholesterin-Zielwerte dauerhaft erreicht werden.
Welche Rolle die Vererbung spielt
Können erhöhte Blutfettwerte erblich bedingt sein? Daniel Kretzschmar: Ja, das gilt sowohl für LDL-Cholesterin als auch für Triglyzeride und in jedem Fall für Lipoprotein(a), dessen Wert immer genetisch bedingt ist. Sind bei direkten Verwandten schon in jüngerem Alter Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Durchblutungsstörungen in den Beinen vorgekommen oder gibt es bei ihnen Fettstoffwechselstörungen, dann ist es wichtig, das eigene Risiko und gegebenenfalls das der Kinder so früh wie möglich ermitteln zu lassen. Eine umgehende Behandlung verbessert die Prognose deutlich. Das Herzinfarkt-Risiko hängt nicht nur von der Höhe des LDL-Cholesterins ab, sondern auch von der Dauer der Gefäßbelastung infolge des Cholesterins. Deswegen sollte man die sehr guten Erfolgsaussichten einer frühzeitigen Behandlung nutzen.Ich bin 36 Jahre alt. In meiner Familie kommen hohe Cholesterinwerte gehäuft vor. Wie kann ich mein Risiko senken?Fatima Goudjil: Lassen Sie zunächst Ihre Werte für LDL-Cholesterin und Lipoprotein(a) bestimmen. Der Arzt soll zudem Ihr Gesamtrisikoprofil ermitteln. Das ist wichtig, weil eine frühzeitige Behandlung die Prognose deutlich verbessert. Je höher das Gesamtrisiko, desto niedriger sollte der LDL-Zielwert sein. Das Herzinfarkt-Risiko hängt aber nicht nur von der Höhe des Cholesterins ab, sondern auch von der Dauer der Gefäßbelastung aufgrund des Cholesterins. Deswegen hat eine frühzeitige Behandlung sehr gute Erfolgsaussichten. Welche Rolle spielt das Körpergewicht? Können auch schlanke Menschen hohe Cholesterinwerte haben?Ksenija Stach: Übergewicht ist ein starker Risikofaktor für erhöhte Blutfettwerte. Ein erhöhtes LDL-Cholesterin sinkt häufig, wenn jemand ein Zuviel an Körperfett abbaut und Normalgewicht erreicht. Aber auch bei Schlanken kann der LDL-Cholesterinwert erhöht sein, denn Störungen des Fettstoffwechsels sind unter Umständen erblich bedingt. Sie sind dann Ursache einer genetisch bedingten Fehlsteuerung im Stoffwechsel. Das gilt insbesondere für das Lipoprotein(a), ein Blutfett, das dem LDL-Cholesterin ähnelt. Stark erhöhte Werte sind stets vererbt und weniger abhängig vom Lebensstil.Die Agentur Sprechzeit notierte die Fragen und Antworten.
Zum Thema Cholesterin haben am Telefon diese Mediziner Auskunft gegeben:
Dr. Fatima Goudjil, Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie, CardioEducation, Saarbrücken
Prof. Peter Grützmacher, Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie, ehem. Agaplesion Medizinisches Versorgungszentrum Frankfurt a. M.
Prof. Reinhard Klingel, Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie, Apherese-Forschungsinstitut Köln und I. Medizinische Klinik Universitätsmedizin Mainz
Prof. Ulrich Julius, Facharzt für Innere Medizin und Diabetologie; Bereich Lipidologie und Lipoproteinapherese-Zentrum, Medizinische Klinik und Poliklinik III am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden
Priv.-Doz. Dr. Daniel Kretzschmar, Facharzt für Innere Medizin, Angiologie und Kardiologie, HUGG Herz- und Gefäßmedizin Goslar
Prof. Bernd Krüger, Facharzt für Innere Medizin, Nephrologie und Rheumatologie, Direktor der Medizinischen Klinik III, Darmstadt
Dr. Katharina Lechner, Fachärztin Innere Medizin und Kardiologie, Praxis Kardiologie mit Herz, München
Dr. Benjamin Lechner, Facharzt für Innere Medizin, Stoffwechselambulanz der Ludwig-Maximilians-Universität München
Dr. Brigitte Öhm, Fachärztin für Innere Medizin und Nephrologie, Agaplesion Medizinisches Versorgungszentrum Frankfurt a. M.
Priv.-Doz. Dr. Ksenija Stach, Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie; Leiterin der Ambulanz für kardiovaskuläre Prävention Universitätsmedizin Mannheim