Wellness Wellness: Heilsamer Dreck aus der Apotheke
Halle (Saale)/MZ. - Sich einmal so richtig dreckig machen, das fällt den meisten Menschen nicht leicht, weiß Matthias Menschel, Arzt und Leiter eines Kurhauses in Bad Sobernheim. Wer aber einmal in ein Schlammbad eingetaucht sei, fühle sich darin meist rundum wohl, sagt der Sprecher des Deutschen Wellness-Verbandes: "Die Bäder sind nicht nur heilsam für Knochen, Nerven und Gelenke. Sie bieten auch eine tiefe sinnliche Erfahrung, die gerade kopflastige Menschen im wahrsten Sinne des Wortes 'erdet'." Denn wer im Schlamm liegt, genießt Ruhe und Natur.
"Wie von selbst beginnen viele, mit ihren Fingern gedankenverloren durch Lehm oder Heilerde zu gleiten oder zu kneten." Eine knappe Stunde dauert ein Bad in schlammförmigen Heilerden, wie die Fachleute sagen. Die Wirkstoffe von Fango, Lehm, Schlick, Schlamm, Torf oder Kreide durchdringen dabei die Haut und wirken beruhigend und entzündungshemmend auf Muskeln, Knochen und Gelenke. "Besonders wohltuend ist das Ganze, wenn anschließend noch eine Massage dazukommt", erklärt Menschel.
Mit Ausnahme des Lehmbades sind die Bäder wohlig-warm, zwischen 38 und 40 Grad Celsius. Das steigert die Durchblutung, regt den Stoffwechsel an, entspannt und lindert Schmerzen, etwa aufgrund von Rheuma oder Gicht. Im Vergleich dazu ist ein klassisches Lehmbad mit circa 28 Grad Celsius eher kühl. "Das gilt aber nur für die ersten fünf Minuten", sagt Bäderexperte Menschel. Denn der Lehm speichert die Körperwärme gut, so dass sich unter der Packung schnell wieder ein gemütliches Wärmeniveau einstellt.
Dadurch, dass Lehm fester ist als die übrigen Heilerden, biete er noch einen weiteren Vorteil: "Er drückt ähnlich wie Kompressionsstrümpfe auf den ganzen Körper und stärkt damit Venen und Bindegewebe - die Beine fühlen sich hinterher ganz leicht an." Und da Lehm überdies basisch ist, entzieht er dem Körper auch noch schädliche Säuren, sagt Menschel.
Vollbäder werden in der Regel nur im Kurbetrieb genommen, wo Patienten an mindestens fünf aufeinanderfolgenden Tagen in dieselbe täglich frisch aufbereitete Wanne steigen. Auch Wellness- und Gesundheitshotels bieten Schlammanwendungen an, unter anderem mit Meeresschlamm, Kreide, Moor. Teilpackungen aus der Apotheke könne man auch gut zu Hause anwenden, sagt Menschel: "Die Mischung wird etwa zwei Zentimeter dick auf die gewünschten Körperpartien, zum Beispiel auf das Knie gestrichen. Dann wird das Ganze mit einem alten Handtuch umhüllt. Die Packung sollte etwa eine Stunde lang einwirken." Die Behandlung kann und sollte zumindest fünf Mal wiederholt werden. "Dafür kann ohne weiteres immer wieder dieselbe Erde verwendet werden", sagt Menschel. "Wer das möchte, bewahrt sie am besten in einem Gefäß auf und rührt sie vor jeder Anwendung mit ein bisschen Wasser neu an." Hat die Erde ausgedient, wird sie in der Biotonne oder im Kompost entsorgt, aber auf keinen Fall im Abfluss. Sonst muss womöglich der Klempner kommen, denn ein normaler Hausabfluss kann sich wegen der Erde verschließen.
Dass die Heilerde- Behandlungen trotz ihrer nachgewiesenen guten Wirksamkeit nicht allzu verbreitet seien, liege vermutlich daran, dass sie eine gewisse Zeit erforderten, vermutet der Fachmann. "Aber es tut wirklich gut - und lohnt sich."