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Stiftung Warentest Stiftung Warentest:In jeder zweiten Praxis wird das Arztgeheimnis verletzt

03.03.2016, 13:06
In den persönlich besuchten Arztpraxen achteten die Tester besonders darauf, ob sensible Gesundheitsdaten anderer Patienten für sie hörbar oder lesbar waren. 
In den persönlich besuchten Arztpraxen achteten die Tester besonders darauf, ob sensible Gesundheitsdaten anderer Patienten für sie hörbar oder lesbar waren.  imago

Ungesunder Lebenswandel, fiese Ekel-Krankheiten und schlimme Diagnosen – mit unserem Arzt sprechen wir über sehr intime Details unseres Privatlebens.

Für manche Dritte, wie etwa Angehörige, Arbeitgeber oder Versicherungen können diese Informationen von Interesse sein. Gut, dass es die ärztliche Schweigepflicht gibt. Damit soll die Privatsphäre des Patienten gewahrt bleiben. So viel zur Theorie. Doch wie sieht es wortwörtlich in der Praxis aus? Stiftung Warentest hat 30 Arztpraxen getestet und das Ergebnis ist alarmierend: In jeder zweiten Praxis wurde mit dem persönlichen Daten der Patienten unbedarft umgegangen.

Die Studie

Insgesamt 30 Arztpraxen wurden unter die Lupe der Tester genommen. Die Methode: zehn Arztpraxen wurden persönlich besucht, weitere zehn angerufen und weitere zehn per E-Mail kontaktiert. Im ersten Fall achteten die Tester besonders auf den Umgang der Mitarbeiter mit sensiblen Daten, in den letzten beiden Fällen wurden persönliche Daten von anderen – in den Test eingeweihten – Patienten erfragt, vermeintlich in deren Auftrag. Hier die Ergebnisse: 

In der Praxis: Mithörer im Wartezimmer

Die Testpersonen, die einen persönlichen Termin in der Praxis vereinbart hatten, achteten bei ihrem Besuch besonders darauf, ob sensible Gesundheitsdaten der Tester oder anderer Patienten für unberechtigte Dritte hörbar, lesbar oder anderweitig zugänglich waren.

So ging in drei von zehn Praxen der Empfang der Praxis ohne Tür in den Wartebereich über, sodass jeder, der im Wartebereich saß, Gespräche oder Telefonate am Empfang genau verfolgen konnte. Auch die Tester konnten bei ihrem Besuch in der Praxis sensible Informationen hören und den Betroffenen zuordnen. So ist es bereits datenschutzrechtlich bedenktlich, wenn der Patient nicht nur mit seinem Namen im Wartezimmer aufgerufen werde, sondern auch mit seinem Anliegen: „Herr Müller bitte zur Grippeschutzimpfung.“

Dosierungsanleitung per Telefon 

In diesen Fällen riefen die Tester in der Praxis an und baten um Auskunft über andere Patienten – vermeintlich in deren Auftrag. Das Ergebnis: In acht der zehn Praxen gab das Personal Auskünfte über Patienten – ohne die Identität der Anrufer zu hinterfragen.

Die Tester von Stiftung Warentest erfuhren bei ihren Nachfragen nicht nur ob der vermeintlich gesuchte Patient in der Praxis saß, sondern bekamen auch Auskunft über Laborwerte, Dosierungsanleitungen verschriebener Medikamente oder konkrete Facharztüberweisungen.

Nur in zwei Praxen wurden die Tester zurückgewiesen – in beiden Fällen fragten die Tester nach einem neuen Rezept im vermeintlichen Auftrag des Patienten. 

Heute verpflichten die Berufsordnungen und das Bundesdatenschutzgesetz Mediziner zur Verschwiegenheit. Paragraf 203 des Strafgesetzbuchs droht ihnen und ihren Mitarbeitern sogar Geld- oder Freiheitsstrafen an, wenn sie unbefugt Patientengeheimnisse offenbaren.

Laborwerte als Screenshot verschickt

Mit bewusst unpersönlichen E-Mailadressen – wie etwa [email protected] – fragte Stiftung Warentest nach dem Impfstatus, Laborwerten oder nach verschriebenen Medikamenten von Patienten. Das Ergebnis: Sechs Praxen verschickten keine sensiblen Daten per E-Mail. So sollten die gewünschten Informationen persönlich abgeholt oder per Post verschickt werden.

Aber auch per Email wurden die Tester fündig: ein Arzt übermittelte bereitwillig die gewünschten Blutwerte, ein anderer sendete gleich das komplette Laborblatt als Screenshot an Stiftung Warentest. 

Der sichere Weg bleibt das persönliche Gespräch

Königswege der Kommunikation, so empfiehlt Stiftung Warentest, seien weiterhin das diskrete Gespräch in der Praxis, ein Anruf – ausschließlich vom Patienten selbst – oder aber ein klassischer Brief per Post. 

(spe)