1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Gesundheit
  6. >
  7. Nachtblindheit: Schlecht sehen im Dunkeln: Bin ich etwa nachtblind?

Nachtblindheit Schlecht sehen im Dunkeln: Bin ich etwa nachtblind?

Im Dunkeln sehen wir weniger als am Tag – das ist klar. Doch manche Menschen sehen nachts besonders schlecht, vermeiden Autofahrten. Woran liegt das - und was kann helfen?

Von Oscar Fuchs, dpa 11.02.2025, 00:05
Wer nachts schlecht sieht, ist in vielen Fällen nicht von echter Nachtblindheit betroffen.
Wer nachts schlecht sieht, ist in vielen Fällen nicht von echter Nachtblindheit betroffen. Sina Schuldt/dpa/dpa-tmn

Siegburg/Gießen - Manchen Menschen bereitet das Sehen bei Nacht besonders große Probleme. Ein Begriff, der vielen Menschen in den Kopf schießen dürfte: Nachtblindheit. Die ist allerdings ein seltenes Phänomen, meist stecken andere Ursachen hinter schlechtem Sehen bei Nacht. Die wichtigsten Fragen - und Antworten darauf: 

Ganz generell: Warum sehen wir im Dunkeln schlechter als am Tag?

Dafür muss man sich ansehen, wie Sehen überhaupt funktioniert. „Wir haben lichtempfindliche Zellen, die auf das Dunkel (Stäbchen) und die Helligkeit (Zapfen) spezialisiert sind“, sagt Prof. Ulrich Kellner, ärztlicher Leiter und Geschäftsführer des Augenzentrums in Siegburg. Sie sitzen in der Netzhaut unseres Auges. 

Die Zapfen haben eine höhere Auflösung und Farbwahrnehmung. Stäbchen hingegen haben die Stärke, dass sie auch sehr schwaches Licht in ein Signal umwandeln können, mit dem unser Gehirn etwas anfangen kann. Das hat allerdings nämlich seinen Preis, dann ist nämlich die „Auflösung schwächer und das Sehen schlechter“, so Kellner. Farben können die Stäbchen übrigens nicht wahrnehmen, nur Grautöne. 

Warum sehen manche Menschen im Dunkeln deutlich schlechter als andere?

Dafür gibt es verschiedene, mögliche Gründe - nur selten steckt eine echte Nachtblindheit dahinter. Was sehr viel häufiger vorkommt: Kurzsichtigkeit. 

„Viele Patienten sagen: Sie sehen nachts nicht so gut. Aber sie meinen nicht, dass sie im Dunkeln schlecht sehen, sondern dass ihnen ein Auto entgegenkommt und sie durch die Blendung schlecht sehen“, sagt Ulrich Kellner. Eine mögliche Erklärung: „Kurzsichtige Augen sind länger, haben eine höhere Reflexion im Auge, dadurch sind sie empfindlicher auf Licht.“

Zudem können Linsentrübungen wie der Graue Star die Sicht verschlechtern. „Es gibt Licht, das durch die Linse fällt und dabei teilweise gestreut wird. Dadurch kommt es zu mehr Blendung“, sagt Kellner. Besonders störend kann das bei entgegenkommenden Autoscheinwerfern sein.

Wann spricht man von echter Nachtblindheit?

Echte Nachtblindheit nennen Medizinerinnen und Mediziner Hemeralopie. Dabei ist die Funktion der Stäbchen beeinträchtigt oder sie gehen verloren - etwa durch erbliche Erkrankungen der Netzhaut. Ein Beispiel: Retinitis pigmentosa. „Diese Gruppe von Erbkrankheiten führt zur Zerstörung der Netzhaut. Erste Symptome sind oft eine zunehmende Nachtblindheit und ein eingeschränktes Gesichtsfeld“, sagt Ulrich Kellner. 

Echte Nachtblindheit ist ein eher seltenes Phänomen: Von der erblich bedingten Variante sind in Deutschland nach Angaben von Ulrich Kellner etwa 40.000 Menschen betroffen. 

Ursache für Nachtblindheit kann aber auch ein Vitamin-A-Mangel sein. Vitamin A braucht der Körper nämlich, um das Sehpigment Rhodopsin in den Stäbchen zu bilden. Ein Mangel tritt in Deutschland aber nur selten auf, nach großen Darmoperationen oder schwerem Alkoholismus kann er vorkommen, so Kellner. 

Mögliche, aber ebenfalls seltene Ursache von Nachtblindheit sind Autoimmunerkrankungen, die eine Funktionsstörung der lichtempfindlichen Zellen mit sich bringen.

Wie wird Nachtblindheit diagnostiziert?

Die Frage, wann man bei schlechter Sicht im Dunkeln zum Arzt gehen sollte, ist für Kellner leicht beantwortet: „Sinnvollerweise dann, wenn man subjektiv ein Problem hat.“ Entscheidend ist also der Leidensdruck. 

Die Diagnostik von Sehstörungen im Dunkeln ist ein Fall für ein hoch spezialisiertes Augenzentrum, sagt Christoph Friedburg, Oberarzt der Augenklinik am Uniklinikum in Gießen. Denn: „Es gibt einen einzigen Gerätetyp in der typischen augenärztlichen Praxisausstattung, der in Grenzen Aussagen zur Sehfunktion in Dämmerung erlaubt.“

Um der Ursache für das schlechte Sehen im Dunkeln auf die Spur zu kommen, prüfen Augenärztinnen und -ärzte den Augenhintergrund und nutzen bildgebende Verfahren. Bei Verdacht auf genetische Ursachen können spezielle genetische Tests Klarheit schaffen. „Es gibt mehr als 300 Gene, die mit Netzhauterkrankungen zusammenhängen“, so Ulrich Kellner. 

Oft gibt das Alter des Patienten oder der Patientin schon einen Hinweis. „Wenn jemand jugendlich ist oder 20, vielleicht 25 Jahre alt, dann muss man eher eine anlagebedingte Störung vermuten. Bei älteren Patienten ab 50 ist eher von einer Linsentrübung oder einer altersbedingten Störung auszugehen“, so Kellner. 

Schließlich entwickelten alle Menschen mit der Zeit einen Grauen Star, so der Augenarzt. Das Phänomen, auch bekannt als Linsentrübung oder Katarakt, kann schon mit 50 Jahren beginnen - oder aber auch erst mit 90.

Kann eine Behandlung dafür sorgen, dass es besser wird?

„In den "banalen" Fällen ist eine Behandlung meist recht einfach“, sagt Christoph Friedburg. Grauer Star sorgt dafür, dass man im Dunkeln schlechter sehen kann? Dann sind die Behandlungsoptionen klar: In diesem Fall kann eine Katarakt-OP sinnvoll sein, bei der die getrübte Augenlinse durch eine neue Kunstlinse ersetzt wird. 

In anderen Fällen ist eine Behandlung nicht möglich - bei angeborenen Erkrankungen fehlen meist die Therapiemöglichkeiten. In seltenen Fällen kommt allerdings eine Gentherapie infrage. „Beim RPE65-Gen gibt es eine Therapie, dadurch ist eine weitere Verschlechterung der Sicht verzögerbar“, so Kellner. Diese Therapie sei jedoch nur für etwa ein Prozent der von erblicher Nachtblindheit Betroffenen geeignet.

Ist die Nachtblindheit auf einen Vitamin-A-Mangel zurückzuführen, lässt der sich durch entsprechende Präparate behandeln. 

Was hilft Betroffenen im Alltag - und was nicht?

„Mit einer echten Nachtblindheit kann man tagsüber Auto fahren, aber nachts sollte man nicht fahren“, warnt Ulrich Kellner. Ob nun eine Nachtblindheit oder eine andere Sehstörung vorliegt: „Wenn man sich unsicher fühlt, dann muss man es lassen.“

Wo es geht, sollte man sich Licht anmachen, anstatt im Dunklen zu tappen. „Unfälle passieren häufig auf schlecht beleuchteten Kellertreppen oder in Fluren“, sagt Kellner. Für unterwegs rät er, immer eine Taschenlampe oder das Licht des Handys griffbereit zu haben.

Und was ist mit speziellen Nachtsichtbrillen? „Sie verbessern das Sehen im Dunkeln nicht und sind bei entgegenkommenden Autos völlig überblendet, daher nicht sinnvoll“, lautet die Einschätzung des Mediziners. Nahrungsergänzungsmittel wie Vitaminpräparate seien bei normaler Ernährung in Deutschland ebenfalls überflüssig.