Psychische Erkrankungen Psychische Erkrankungen: Wenn die Seele weint

Birgit S., Mansfeld-Südharz: Meine Schwester ist depressiv und in ambulanter nervenärztlicher Behandlung. Medikamentöse Therapien haben bisher nichts bewirkt beziehungsweise mussten wegen Nebenwirkungen abgesetzt werden. Wie können wir ihr helfen? Was halten Sie von Lithium, das meine Schwester derzeit einnimmt?
Antwort: Depressive Erkrankungen sind in der Regel gut zu behandeln. Häufig ist bereits der erste Therapieversuch erfolgreich. Bei einem komplizierteren Krankheitsverlauf, wie er bei Ihrer Schwester vorzuliegen scheint, sollte unbedingt ein spezialisierter Arzt, zum Beispiel ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, zurate gezogen werden. Er wird die bisherige Therapie hinterfragen und Vorschläge zur Optimierung machen. Der Wirkstoff Lithium ist bei der Behandlung von Depressionen seit Jahrzehnten gut etabliert. Die Entscheidung über die Notwendigkeit einer Lithiumtherapie gehört aber unbedingt in die Hände eines Facharztes.
Helga S., Wittenberg: Mein Mann leidet an Depressionen. Er lehnt einen Arztbesuch vehement ab. Was kann ich tun?
Antwort: Die Gründe, warum Menschen eine Behandlung ablehnen, sind sehr vielschichtig, so dass stets eine individuelle Betrachtung angezeigt ist. Angehörigen können Beratungsstellen in solchen Situationen eine Hilfestellung sein. Die an die jeweiligen Gesundheitsämter der Kommunen angegliederten Sozialpsychiatrischen Dienste sind hier zum Beispiel ein guter Ansprechpartner.
Beate F., Quedlinburg: Ich bin 2006 an schwerer Depression erkrankt und war in stationärer Behandlung. Die Depression gilt als ausgeheilt. Ich nehme aber seither ein Medikament mit dem Wirkstoff Venlafaxin ein. Kann ich das Medikament bedenkenlos weiter einnehmen oder sollte ich es absetzen?
Antwort: Depressionen sind gut zu behandelnde Erkrankungen, meist ist eine komplette „Heilung“ zu erreichen. Aber: Nicht selten handelt es sich um ein wiederkehrendes Leiden, bei dem nach einem mehr oder weniger langen Zeitraum erneut Krankheitsepisoden auftreten. In solchen Fällen kann es ausgesprochen ratsam sein, eine dauerhafte, sogenannte prophylaktische Therapie durchzuführen, um erneuten depressiven Phasen vorzubeugen. Es ist anzunehmen, dass entsprechende Umstände bei Ihnen Hintergrund der langfristigen Verordnung sind.
Iris K., Saalekreis: Ich leide unter Angst- und Panikattacken. Bisher wurde ich ambulant behandelt. Ich war auch schon beim Psychiater, bekam Medikamente, die ich nicht vertragen habe. Körperlich geht es mir nicht gut, mittlerweile kann ich kaum noch unser Grundstück verlassen. Was raten Sie mir?
Antwort: Angst- und Panikstörungen gehören zu den am besten zu behandelnden Erkrankungen. Neben der Möglichkeit, mit Medikamenten zu helfen, sind sie eine ausgesprochene Domäne der Psychotherapie. Entsprechende Behandlungen können auch ambulant auf Kosten Ihrer gesetzlichen Krankenkasse durchgeführt werden. Eine Liste der Psychotherapeuten finden Sie komfortabel im Internet, zum Beispiel über die Webseite der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt www.kvsa.de. Sicher kann Sie auch Ihre Krankenkasse bei der Suche nach Therapeuten beraten. In komplizierten Fällen kann auch eine Krankenhausbehandlung sehr hilfreich sein. Der Vorteil hier liegt unter anderem in der Möglichkeit, sehr intensiv und mit verschiedenen Therapien gleichzeitig - zum Beispiel ärztlich-medikamentös, psycho-, musik-, ergo-, gestaltungs- und physiotherapeutisch - behandelt zu werden. Auch scheinbar „hoffnungslosen Fällen“ ist so häufig sehr gut zu helfen.
Elisabeth L., Halle: Mein Mann hat von seinem Hausarzt eine Überweisung zu einem Psychiater bekommen. Ihn plagen unter anderem extreme Schlafprobleme. Ich mache mir Sorgen um ihn, zumal er jetzt noch fast drei Monate bis zu seinem Termin warten muss. Wo kann er sich sonst noch hinwenden?
Antwort: Längere Wartezeiten bis zum Beginn einer Therapie sind leider tatsächlich ein verbreitetes Problem. Bei schweren Formen von Depressionen, die nicht nur mit erheblichem persönlichem Leid, sondern nicht selten auch mit quälenden lebensüberdrüssigen Gedanken einhergehen, kann eine derartige Verzögerung nicht hingenommen werden. Unter solchen Umständen sollten mit Ihrem Hausarzt unbedingt Alternativen, zum Beispiel auch eine Einweisung in ein Krankenhaus, diskutiert werden. In akuten Notsituationen ist dies auch rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche möglich.
Günter M., Halle: Ich leide an Depressionen, würde in eine Selbsthilfegruppe gehen, befürchte aber, dass mein Arbeitgeber davon erfährt.
Antwort: Diese Ängste müssen Sie nicht haben. In einer Selbsthilfegruppe treffen sich Betroffene und Angehörige von Betroffenen, schildern ihre Probleme und tauschen Erfahrungen aus. Alles, was gesprochen wird, bleibt anonym. Dies wird zuvor verbindlich festgelegt.
Margret P., Köthen: Ich bin 81 Jahre alt und muss als Diabetikerin viermal am Tag Insulin spritzen. Es ist jetzt mehrmals vorgekommen, dass mir die Kontrolle fehlt, ob ich gespritzt habe. Was raten Sie mir?
Antwort: Hierbei könnte es sich um einen Hinweis auf Gedächtnisstörungen handeln. Mit relativ einfachen Mitteln lässt es sich klären, ob dem so ist. Der erste Ansprechpartner ist hier der Hausarzt. Nach seiner Einschätzung wird es gegebenenfalls ratsam sein, eine differenziertere Untersuchung, zum Beispiel in einer sogenannten Gedächtnisambulanz durchzuführen. Entgegen der landläufigen Meinung sind Gedächtnisstörungen im Alter nicht zwangsläufig ein unumkehrbarer Prozess, dem man schicksalhaft ausgeliefert ist. Es gibt viele Ursachen, nicht wenige sind behandelbar. Unabhängig davon kann Ihr Hausarzt Sie auch über ganz praktische Hilfen, bis hin zur Verordnung eines ambulanten Pflegedienstes zur Überwachung der Insulingabe, beraten.
Chrissi H., Burgenlandkreis: Ich leide seit drei Jahren unter einer schweren Depression ohne psychotische Symptome. Nach zwei Krankenhausaufenthalten und einer Reha-Kur bin ich noch immer traurig, niedergeschlagen, habe meinen Lebensmut verloren. Schwer auf der Seele lastet die Drogenabhängigkeit meines Sohnes. Trotz allem nehme ich keine Medikamente ein und möchte mich alleine wieder hochrappeln. Was kann ich aktiv unternehmen?
Antwort: Bei den meisten Betroffenen dauert die Depression nicht länger als sechs Monate. Dennoch stellt der von Ihnen geschilderte Verlauf keine Rarität dar, gerade wenn widrige äußere Faktoren dauerhaft „auf der Seele brennen“. In solchen Fällen ist meist eine langfristige Therapie, die neben einer medikamentösen Behandlung auch unbedingt eine langfristige psychotherapeutische Behandlung umfassen sollte, nötig. Gerade bestimmte Verfahren der Verhaltenstherapie haben ihre Wirksamkeit bei therapieresistenten Depressionen in jüngster Zeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Unabhängig davon ist die Substanzabhängigkeit eines nahen Angehörigen, gerade des eigenen Kindes, eine besondere Bürde. Es ist häufig hilfreich, sich auch als Angehöriger an die entsprechenden Drogenberatungsstellen zu wenden, unter anderem um zu erfahren, wie ich mich in der schwierigen Situation verhalten kann.
Karin L., Wittenberg: Ich nehme das Blutdruckmittel mit dem Wirkstoff Ramipril ein. Könnte dadurch eine Depression verstärkt werden?
Antwort: Es wird tatsächlich diskutiert, dass bestimmte Blutdruckmedikamente in die Entwicklung von Depressionen verwickelt sein können. Eine abschließende Antwort auf diese Frage kann auch wegen unterschiedlicher Studienergebnisse derzeitig nicht gegeben werden. Wenn überhaupt vorhanden, so scheint der Beitrag von Blutdruckmedikamenten aber insgesamt eher gering zu sein.
Sigrid K., Bitterfeld-Wolfen: Unserer Tochter wurde von Ihrer Hausärztin eine depressive Erkrankung mit Angstgefühlen bescheinigt. Innerhalb von drei Jahren wurde sie jährlich einmal krankgeschrieben. Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Antwort: Die Gründe, warum Depressionen immer wiederkehren sind von Patient zu Patient sehr unterschiedlich, so dass stets eine individuelle Betrachtung notwendig ist. Prinzipiell sollte bei wiederkehrenden Depressionen an eine prophylaktische Behandlung gedacht werden. Häufig nützen psychotherapeutische Maßnahmen, manchmal ist auch eine Veränderung von ungünstigen Lebensumständen zur Reduktion von Stress und psychischer Belastung nötig.
Jörg H., Saalekreis: Meine Hausärztin meint, dass bei mir eine Depression vorliegt. An wen kann ich mich wenden?
Antwort: Mit der Überweisung von Ihrem Hausarzt können Sie sich an einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie beziehungsweise psychotherapeutische Medizin oder Nervenheilkunde wenden. Sie sollten den Mut dazu aufbringen. Lassen Sie sich bitte nicht davon abschrecken, dass auf Termine unter Umständen länger gewartet werden muss.
Fragen und Antworten notierten Dorothea Reinert und Kornelia Noack.