Studie Niedriger Vitamin-D-Status erhöht Corona-Risiko nicht
Im Internet kursiert, dass man sich mit Vitamin-D-Mitteln vor Corona schützen kann. Das klingt verlockend - stimmt einer neuen, für ihre Methodik gelobten Studie zufolge aber nicht.
New York - Ein niedriger Vitamin-D-Status ist einer neuen US-Studie zufolge kein Risikofaktor für eine Infektion mit dem Coronavirus. Zwar scheine es eine solche Verbindung zu geben, wenn man die Daten allein betrachte, erläutern die Forscher im Fachmagazin „Jama Open Network“.
Beziehe man aber Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, Ethnizität, Body-Mass-Index, Blutdruck, Raucherstatus und Wohnort mit ein, gebe es keinerlei Zusammenhang. Menschen mit vergleichsweise niedrigem Vitamin-D-Spiegel haben demnach also kein höheres Risiko, sich mit Sars-CoV-2 anzustecken, als optimal mit dem Vitamin versorgte Menschen.
Nicht nur Vitamin-D-Level muss berücksichtigt werden
Die Wissenschaftler um Yonghong Li vom US-Laborunternehmen Quest Diagnostics in San Juan Capistrano (US-Staat Kalifornien) hatten Daten aus dem Mitarbeiter-Gesundheitsprogramm mit jährlichen Screenings aus den Jahren 2019 und 2020 analysiert. Insgesamt wurden 18.148 Menschen zwischen 37 und 56 Jahren einbezogen, etwa zwei Drittel davon Frauen. Vor Pandemie-Beginn hatten demnach rund 60 Prozent der Untersuchten ein Vitamin-D-Level von weniger als 30 Nanogramm pro Milliliter (ng/ml), weitere rund 25 Prozent ein noch niedrigeres (weniger als 20 ng/ml).
Bei rund fünf Prozent der Probanden (900) wurden im Untersuchungszeitraum Antikörper gegen Sars-CoV-2 nachgewiesen. Zwar hatten die Mitarbeiter und Angehörigen, die positiv getestet wurden, im Schnitt ein niedrigeres Vitamin-D-Level als die negativ getesteten. Unter Berücksichtigung anderer Faktoren, die die Corona-Risiken merklich beeinflussen, ergab sich aber kein signifikanter Zusammenhang. So hatten zum Beispiel deutlich übergewichtige Menschen (BMI ab 30), Männer und Frauen mit Bluthochdruck, Raucher sowie Mitarbeiter und deren Partner ohne Hochschulabschluss im Schnitt häufiger einen Vitamin-D-Mangel.
Infektion könnte Messwert beeinflussen
Andere, kleinere Studien hatten zuvor auf einen möglichen Zusammenhang hingewiesen, vielfach wurden allerdings die vielen Faktoren, die das Corona-Risiko beeinflussen, nicht berücksichtigt. Zudem wurde der Vitamin-Status oft entweder sehr lange zuvor oder aber erst im Zuge der Covid-19-Erkrankung gemessen - so dass sich nach Aussage von Experten aus dem Messwert nicht ableiten lässt, ob ein gemessener Mangel nicht erst infolge der Infektion entstand.
Zu den Einschränkungen der neuen Analyse zählt den Autoren zufolge, dass sich nicht alle Corona-Infektionen über Antikörper nachweisen lassen - unter anderem, weil diese nach gewisser Zeit schwinden. Eine Aussage über die Schwere von Covid-19-Erkrankungen in Abhängigkeit vom Vitamin-D-Status trifft die Studie nicht. In einem Kommentar zur Studie in „Jama Open Network“ lobt der US-Gesundheitsexperte Michael Polis die Methodik der Analyse. „Diese Studie zeigt, dass eine gut konzipierte, angemessen dimensionierte Beobachtungsstudie mehr definitive Beweise liefern kann als mehrere kleinere, schlecht konzipierte Studien.“
Körper kann Vitamin D selbst bilden
Vitamin D ist der übergeordnete Begriff für eine Gruppe fettlöslicher Vitamine. Anders als andere Vitamine kann der Körper Vitamin D selbst bilden - durch Sonnenlicht, genauer UV-B-Strahlung bestimmter Wellenlängen. Im Internet machen allerdings schon seit längerem Empfehlungen für die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten die Runde - aktuell oft begründet mit Hinweisen, eine Infektion mit dem Coronavirus oder ein schwerer Verlauf einer Covid-19-Erkrankung könnten damit verhindert werden.
Dafür gibt es bisher keine wissenschaftlich gesicherten Belege und Behörden wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnen immer wieder vor den gesundheitlichen Risiken einer eigenständigen Einnahme vor allem von höher dosierten Vitamin-D-Präparaten. Bei stetig zu hohem Vitamin-D-Level im Körper drohen Gesundheitsschäden wie die Bildung von Nierensteinen oder Nierenverkalkung.
Ein- bis zweimal pro Woche fetten Fisch essen
Eine gute Vitamin-D-Versorgung könne man am besten durch die Eigensynthese der Haut erreichen, heißt es vom BfR. Darüber hinaus sei zu empfehlen, ein- bis zweimal pro Woche fetten Seefisch wie Hering oder Lachs zu essen. Eine generelle Vitamin-D-Einnahme von bis zu 20 Mikrogramm pro Tag ist demnach lediglich für Menschen wie Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner zu erwägen, die sich kaum im Freien bewegen.
Allgemein sei eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen wichtig für die Immunfunktion des Menschen, so das BfR. Zum Schutz vor Erkältungs- und Atemwegserkrankungen sei darum generell eine abwechslungsreiche Ernährung mit viel vitamin- und mineralstoffreichem Obst und Gemüse wichtig.