Neurodermitis macht die Haut angreifbar
Jena/Köln/dpa. - Eigentlich können Neurodermitiker im Sommer aufatmen: Meist klingen die Entzündungen der Haut unter den Strahlen der Sonne etwas ab. Spezielles UV-Licht wird sogar gezielt in der Therapie eingesetzt. Doch ganz so einfach ist es leider nicht.
«Einige vertragen die Sonne nicht», erklärt Martin Kaatz, Dermatologe an der Universität Jena. Denn die empfindliche Haut von Neurodermitikern ist sehr leicht reizbar. Schon ein Sonnenbrand kann einen Schub auslösen. «Die Haut wird überreizt und die ohnehin geschwächte Barrierefunktion der Haut gestört», erklärt die Kölner Hautärztin Anne Hundgeburth. Der für die Krankheit typische Teufelskreis aus Juckreiz, Kratzen und Ekzem wird in Gang gesetzt.
Neurodermitis zählt zu den so genannten atopischen Erkrankungen wie Heuschnupfen, allergisches Asthma oder Lebensmittelallergie. «Manche Patienten machen einen ganzen Allergie-Kanon durch», sagt Kaatz. Dann wandert die Allergie von der Haut auf Atemwege und Schleimhäute. Möglich sind ganz verschiedene Verläufe.
«Neurodermitiker haben anlagebedingt eine feuchtigkeitsarme, spröde Haut mit eingeschränkter Barrierefunktion», erklärt Anne Hundgeburth. Die trockene Haut ist besonders anfällig für bakterielle Reize, die den typischen Juckreiz auslösen. Ekzemschübe werden aber auch durch andere Faktoren provoziert.
«Das können Infektionskrankheiten, Stress, Nickel in Modeschmuck, Pollen, Tierhaare aber auch Duftstoffe oder Textilien sein», erklärt Hundgeburth. Manche Neurodermitiker vertragen keine Naturfasern wie Wolle. Andere reagieren auf Nikotin, Lebensmittelzusatzstoffe sowie Säure in Äpfeln oder Zitrusfrüchten. Bei Kindern treten häufig echte Lebensmittelallergien auf. «Die erste Aufgabe ist es, herauszufinden, was diese Auslösefaktoren sind, um sie zu vermeiden», sagt Prof. Matthias Augustin, Dermatologe an der Uniklinik Eppendorf in Hamburg.
Weil die Haut von Neurodermitikern so empfindlich ist, muss sie je nach Hautzustand zwei- oder dreimal pro Tag eingecremt werden. «Diese Basistherapie ist essenziell, weil damit das genetisch bedingte Defizit an Schutzstoffen der Haut ausgeglichen wird», sagt Augustin. Neurodermitiker sollten jedoch keine zu fettreichen Präparate verwenden, sagt Hundgeburth. Unter Fettrückständen auf der Haut kann sich ein feuchtes Klima entwickeln, das das Wachstum von Bakterien fördert. Das reizt die Haut und provoziert Juckreiz und Ekzem.
Zu bevorzugen seien Präparate mit Wirkstoffen wie Harnstoff (Urea) oder Ammoniumlaktat, die die Geschmeidigkeit der Haut erhöhen und die Barrierefunktion verbessern helfen. Hinzu kommen Präparate mit antientzündlichen Wirkstoffen wie Aloe vera oder Johanniskraut, die die Keimbesiedlung auf der Haut in Schach halten. Bei einem immer stärker werdenden Schub sollten Kortison-Derivate, so genannte Kortikoide, eingesetzt werden, sagt Augustin. «Als Alternative kommen Calcineurin-Inhibitoren wie Tacrolimus oder Pimecrolimus zur äußerlichen Anwendung in Betracht.» Die äußerliche Therapie kann bei schweren Infektionen auch durch die Einnahme von Antibiotika oder Antihistaminika unterstützt werden.
Letztlich muss jeder Patient mit seinem Arzt herausfinden, welche Therapie für ihn die beste ist. Vor allem müssten die Patienten lernen, das Frühwarnsystem ihres Körpers zu lesen, sagt Augustin. Nur so können sie gemeinsam mit ihrem Arzt eine Strategie ausarbeiten, die den Neurodermitis-Teufelskreis durchbricht und den nächsten Schub möglichst lange hinauszögert.
Deutscher Neurodermitis Bund e.V.: www.dnb-ev.de
Bundesverband Neurodermitiskranker in Deutschland e.V.: www.neurodermitis.net