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Lärm kann dauerhafte Leiden auslösen

Von Aliki Nassoufis 29.04.2009, 07:07

Dessau-Roßlau/Berlin/dpa. - Manchmal ist es der Fernseher aus der Nachbarwohnung, manchmal die Baustelle direkt vor dem Fenster: Lärm ist im Alltag allgegenwärtig. Doch nicht immer wird eine gewisse Lautstärke auch als störender Lärm wahrgenommen.

Vor allem aber ist vielen nicht bewusst, wie schädlich Lärm für Körper und Psyche sein kann. Deswegen organisiert die Deutsche Gesellschaft für Akustik jedes Jahr den «Tag gegen Lärm» (29. April), der auch von Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt gefördert wird.

«Lärm ist nicht nur in Städten ein großes Problem», beobachtet die Hals-Nasen-Ohren-Ärztin Martina Casper aus Berlin. Er könne überall auftreten: am Arbeitsplatz durch Großraumbüros oder laute Maschinen, unterwegs durch Schienenverkehr sowie zu Hause durch ständig vorbei fahrende Autos, Flugzeuge oder hellhörige Wände.

«Dabei wird unterschieden zwischen Lärm, der als belästigend empfunden wird und Lärm, der langfristig auch gesundheitliche Schäden verursacht», erklärt der Lärmwirkungsforscher Wolfgang Babisch vom Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau. Grundsätzlich gilt: Ab einem Dauerschallpegel von 55 Dezibel (dB) tagsüber außerhalb der Wohnung steigt der Anteil der Menschen stark an, die sich durch den Lärm belästigt fühlen - das ist etwa so laut wie ein normales Gespräch zwischen zwei Leuten an einem Tisch.

Richtig problematisch wird es, wenn es nur 10 Dezibel lauter ist - also 65 dB. «Das wird vom Menschen ungefähr als doppelt so laut wie 55 Dezibel wahrgenommen», sagt Babisch. «Ab einem Tagesmittelwert von 65 Dezibel außen vor dem Fenster können auch gesundheitliche Schäden auftreten, zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen.» Solche Pegel werden an stark befahrenen Haupt- und Durchgangsstraßen erreicht. Bei Geräuschbelastungen aus der Nachbarschaft spielt weniger der gemessene Schallpegel als das Ausmaß der Störung eine Rolle.

Ist es dauerhaft laut, sei der Körper permanent in Alarmbereitschaft und gestresst, warnt Anna Goeldel, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Berlin. Die Hormone Cortison und Adrenalin würden verstärkt ausgeschüttet, der Blutdruck und der Puls stiegen. Langfristig erhöhe das das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. Hinzu kämen Schlafstörungen, die zu Konzentrationsproblemen, Gereiztheit und Kopfschmerzen führen können.

Das ist aber nicht alles. «Wer sich durch den Lärm regelrecht eingeengt fühlt - weil beispielsweise selbst in der eigenen Wohnung ständig Geräusche vom Nachbarn herüber dringen -, kann irgendwann an psychosomatischen Erkrankungen leiden», sagt Goeldel, die stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie in Berlin-Brandenburg ist. Dazu gehören zum Beispiel Muskelverkrampfungen, aber auch diffuse Schmerzen und Depressionen - weil der Betroffene nie richtig zur Ruhe kommen kann.

Lärm kann außerdem eine Folge direkt im Ohr haben: in Form eines Hörschadens. «Den bemerkt man zuerst selber nicht», erläutert die HNO-Ärztin Casper von der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin. «Doch wer jeden Tag nur zehn Minuten lang seinen MP3-Player zu laut hört, kann schon nach etwa einem Jahr etwas schlechter hören.» «Zu laut» heißt dabei 85 dB und mehr. Das entspricht ungefähr einem direkt in der Nähe vorbei fahrenden Auto.

Aber erst wenn der Leidensdruck zu groß ist und möglicherweise schon gesundheitliche Probleme aufgetreten sind, wenden sich viele Menschen an einen Arzt. Casper rät daher: besser früh Lärmquellen ausfindig machen, sie vermeiden und seinen Ohren täglich Ruhe gönnen.

Website des Aktionstages gegen Lärm: www.tag-gegen-laerm.de

Deutsche Gesellschaft für Akustik: www.dega-akustik.de

Gesellschaft für psychosomatische Medizin: www.dgpm.de

Ein Geräusch kann von einem Menschen als Belästigung wahrgenommen werden, während es ein anderer als nicht störend empfindet. «Einen Lastwagenfahrer beispielsweise nervt das Brummen seines Dieselmotors möglicherweise nicht so sehr wie jemanden, der am Nachmittag fernsehen will und vom vorbeifahrenden Lkw gestört wird», erklärt der Lärmwirkungsforscher Wolfgang Babisch. Außerdem ist dabei entscheidend, ob ein Geräusch tagsüber oder in der Nacht auftritt. Nachts reagiert der Körper besonders empfindlich auf Geräusche.