Selbstbestimmt und proaktiv Krisenrisiko Feiertage: So sorgen psychisch Kranke für sich
Weihnachten ist für viele stressig. Für Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Störungen können die Festtage aber eine echte Belastungsprobe sein. Eine Expertin verrät, wie sie gut vorsorgen.
Bad Saulgau - Weihnachten, Silvester und alles drumherum - eigentlich ja etwas Schönes. Eigentlich. Doch viele Menschen fühlen sich gestresst oder haben gemischte Gefühle. Für alle, die eine psychische Erkrankung oder Störung haben, können solche Feiertage auch ein echtes Risiko sein. Deswegen sollten, dürfen und vor allem können sie dafür sorgen, dass es ihnen gut geht. Tipps einer Expertin.
Die Herausforderung: Erwartungen und Emotionen
„Die Feiertage sind oft mit großen Erwartungen aufgeladen – an uns selbst, an andere und an den perfekten Ablauf dieser Tage“, sagt Petra Beschoner. Sie ist Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin und Ärztliche Leiterin der Akutklinik Bad Saulgau. Diese Erwartungen sind häufig unausgesprochen, was schnell zu Konflikten führen kann.
Das könne etwa für Menschen mit emotionaler Instabilität „ein echter Killer“ sein. Und auch „für Menschen mit Anorexie oder Bulimie sind Familienfeste und das viele Essen eine extreme Herausforderung“. Andere Betroffene, die etwa unter Depressionen oder Angststörungen leiden, fühlen sich einsam oder überfordert, ziehen sich zurück und „kommen dann vielleicht gar nicht mehr aus dem Bett“.
1. Vorbereitung ist alles: Einen Plan machen
„Weihnachten kommt immer so plötzlich“, sagt Petra Beschoner. „Doch gerade bei psychischen Erkrankungen ist es wichtig, sich gezielt auf diese Zeit vorzubereiten, also nicht die Vogel-Strauß-Taktik anwenden, sondern offensiv zu planen.“ Dieser Plan hilft, die Tage zu strukturieren und eigene Bedürfnisse zu berücksichtigen. Dafür empfiehlt die Expertin, sich selbst Fragen zu stellen:
Ausgehend von den Antworten können dann Strategien entwickelt werden.
Ein Beispiel: der Umgang mit der Angst vor Einsamkeit. Hier lässt sich aktiv gegensteuern, etwa mit diesen Vorschlägen:
Ein zweites Beispiel: die Überforderung bei Familienfeiern Wer eingeladen ist, „sollte vorher überlegen, wie lange man bleiben möchte, und das klar kommunizieren“, rät Beschoner. Und bewusst Pausen für sich einplanen. Etwa wenn das Mittagessen vorbei ist, anzukündigen: "Ich mache jetzt einen Spaziergang." „Vielleicht schließt sich jemand an, vielleicht auch nicht. Aber so schafft man sich Luft.“
So ein Plan kann dafür sorgen, dass man im Vorfeld und an den Tagen selbst weniger anfällig ist. Und er sollte auch das bewusste Setzen von Grenzen umfassen: „Wenn alle Stricke reißen, kann ich gehen – egal, wie gut das den anderen gefällt.“
2. Notfallplan: Was tun, wenn der erste Plan nicht aufgeht?
Auch die beste Vorbereitung kann nicht alle Krisen verhindern, zumal immer etwas Unvorhergesehenes passieren kann. „Man sollte immer ein Hintertürchen in den Plan integrieren“, rät Petra Beschoner. Das ist der sogenannte Notfallplan, für den man sich vorher notiert, wohin man sich wenden kann und Hilfe findet.
Mögliche Elemente eines Notfallplans:
3. Akute Krisen: Hilfe anzunehmen, ist keine Schwäche
Und wenn es ganz schlimm ist? „Wenn es zu einer akuten Krise kommt, ist es wichtig, sich nicht zu scheuen, professionelle Hilfe zu suchen“, sagt Petra Beschoner.
Etwa in der psychiatrischen Notaufnahme. „Die Möglichkeit besteht immer und sollte auch immer eine Option sein. Wir erleben oft, dass Patienten das sich buchstäblich verbieten, aber das ist natürlich Unsinn.“ In einer akuten Krise sollte man vielmehr sehr selbstbestimmt sagen: Jetzt brauche ich diese Form der Unterstützung und der Hilfe, und die darf ich auch in Anspruch nehmen.
Ein Perspektivwechsel hilft dabei: „Wenn Sie massivste Bauchschmerzen bekommen und am Ende stellt sich eine die Blinddarmentzündung heraus, dann ist es ja zwingend notwendig und sinnvoll, dass Sie auch am Feiertag in die Notaufnahme gehen und sich untersuchen lassen, damit möglicherweise eine rasche OP Ihnen das Leben rettet“, sagt Petra Beschoner. Das gelte für psychische Erkrankungen genauso.
Anlaufstellen sind hier: