Weinanbau Ist Biowein auch nachhaltig? Was bedeutet was für den Wein
Gehören Sie zu den drei Prozent, die bewusst zum Bio-Wein greifen? Er hat eine treue Trinkerschaft und das gegen den leicht rückläufigen Trend bei „normalen“ Weinen. Aber was unterscheidet sie?
Bodenheim - Noch vor 20, 30 Jahren hatten Bio-Weine ein schlechtes Image. Wer da einmal eine Flasche probiert hatte, zog meist ein Fazit: „Uih, wie schmeckt der denn?“ In der Folge dachten sich die Tester häufig: „Den kaufe ich nicht so schnell wieder.“
Doch das hat sich in den letzten Jahren geändert. „Man schmeckt heute keinen Unterschied mehr“, sagt Ernst Büscher, Sprecher des Deutschen Weininstituts (DWI). Viele Top-Betriebe arbeiten heute ökologisch. Doch wie unterscheiden sich konventionelle Weine von Bioweinen? Der studierte Weinbauer erklärt es.
Klassisch oder Bio: Unterschiede im Weinberg
Im ökologischen Weinbau werden keine Mineraldünger wie im konventionellen Weinbau eingesetzt. „Stattdessen kommen an die Rebstöcke Rindenmulch oder Kompost, der Nährstoffe liefert und das Bodenleben verbessert“, sagt Büscher.
Um weitere Nährstoffe aus natürlichen Quellen nah an die Weinstöcke zu bringen, werden von Bio-Winzern auch sogenannte Leguminosen zwischen die Spalierreihen gesät. „Das sind verschiedene Kleearten, Luzerne, Lupinen oder auch Wicken, die die Bodenqualität verbessern und Stickstoff aus der Luft binden und speichern“, so Büscher. Wenn diese Pflanzen untergemulcht werden, wird der Stickstoff für die Reben verfügbar.
Vorteil der natürlichen Stickstoffversorger gegenüber einem chemischen Mineraldünger: „Für die Produktion von einer Tonne Stickstoff werden zwei Tonnen klimaschädliches CO2 freigesetzt. Das ist sehr energieaufwendig“, rechnet Ernst Büscher vor.
Auch im Pflanzenschutz macht sich Bio bemerkbar. Winzer im „normalen“ Weinbau setzen chemisch-synthetische Mittel gegen Pilzkrankheiten ein. Im Bio-Weinberg dürfen laut Büscher nur natürliche Substanzen wie Kupferpräparate gegen falschen Mehltau und Schwefel oder Backpulver gegen den echten Mehltau gespritzt werden. Außerdem darf man das Unkraut unter den Rebstöcken nur mechanisch und nicht mit Herbiziden entfernen.
Der biodynamisch arbeitende Winzer versucht zudem, mit natürlichen Pflanzenstärkungsmitteln zu arbeiten. Er nutzt etwa Hornkiesel, um die Lichtaufnahme der Blätter und damit das Wachstum beziehungsweise den Reifeprozess der Trauben zu fördern. Kräuterauszüge wie etwa aus Schachtelhalm unterstützen die Reben bei der Abwehr von Pilzinfektionen, indem sie die Blattoberfläche härter machen.
Unterschiede im Kellerausbau
In der Kellerwirtschaft greifen ebenfalls unterschiedliche Regeln. So muss für Biowein bei der Produktion von Behandlungsmitteln auf Gentechnik verzichtet werden. Auch der Einsatz einiger Substanzen ist geregelt, wie etwa der Sulfitgehalt, der bei Bioweinen viel niedriger gehalten werden muss.
Wozu braucht es überhaupt Schwefel im Wein? „Wenn dem Wein im Fass Schwefel zugesetzt wird, schützt man ihn so vor Nachgärungen und anderen mikrobiologischen Einflüssen. Er wirkt zudem gegen Oxidationen, so bleibt der Wein länger haltbar und kann länger gelagert werden“, so der DWI-Experte. Das gelte auch für die Flaschenreife: „Ohne Schwefel würde in jeder Flasche die Luft zwischen Verschluss und Flüssigkeit den Wein oxidieren.“
Siegel und Flächen
Entscheidet sich ein Winzer für Bio-Anbau, darf er aber nicht einfach „Bio“ aufs Etikett schreiben. „Die ökologische Weinproduktion muss man bei einer Kontrollstelle anmelden und die Umstellung bis zur endgültigen Zertifizierung dauert drei Jahre“, sagt Büscher. Da gäbe es neben dem EU-Biosiegel verschiedene Verbände mit eigenen Ökosiegeln. Der größte ökologische Verband im Weinbau ist „Ecovin“ mit etwa 2.540 Mitgliedsbetrieben.
Dabei wächst die Fläche, auf der hierzulande ökologischer Weinbau betreiben wird, kontinuierlich. „Waren es im Jahr 2000 noch 1.700 Hektar, wuchs die Fläche bis 2022 auf 13.800 Hektar an“, sagt Büscher.
Was spricht für und was gegen eine Umstellung auf Bio-Anbau?
Winzer, die sich dafür entscheiden, müssten abwägen. So wirkten die zugelassenen Mittel im Pflanzenschutz nur vorbeugend. „Wenn es sehr oft regnet, ist es für ökologische Betriebe eine Herausforderung, weil sich Pilze ausbreiten können. Denn der Pflanzenschutz wird einfach abgewaschen“, erklärt der Experte.
Konventionelle Betriebe haben dagegen den Vorteil, eine Pilzkrankheit durch Spritzmittel auch zu stoppen. „Die Mittel wirken heilend und effizienter“, sagt Ernst Büscher. Das bringe Sicherheit.
Unterm Strich hätten Bio-Winzer in einer Regensaison oftmals mehr Verluste. Das sei also auch immer eine Kostenfrage. Laut Büscher gibt es auch viele Betriebe, die auf eine Zertifizierung verzichten, aber freiwillig nach dem Motto verfahren: Wir versuchen so wenig chemisch-synthetische Mittel wie möglich einzusetzen, aber so viel wie nötig.
Noch ein Schritt weiter: Nachhaltige Zertifizierung
Weinbaubetriebe werben auch mit nachhaltigen Versprechen. Was steckt dahinter? „Bei einer nachhaltigen Zertifizierung geht es bei den über 200 Kriterien unter anderem darum, Ressourcen zu schonen und den CO2-Fußabdruck bei der gesamten Weinproduktion so gering wie möglich zu halten“, erklärt Ernst Büscher. Mehrere Tausend Hektar Weinanbaufläche seien bereits zertifiziert.
In diesem Sinne werde der Pflanzenschutz ganzheitlicher gesehen. „Hier wird eine Bewertung der jeweiligen Wirkstoffe in Bezug auf die mögliche Schadwirkungen auf Mensch und Umwelt vorgenommen. Insgesamt stünden aber mehr Mittel als im Ökoweinbau zur Verfügung“, so Büscher.
Auch soziale und ökonomische Komponenten spielen bei einer nachhaltigen Zertifizierung eine Rolle, die von Siegeln wie „Fair and Green“, „FairChoice“, „EcoStep“ vergeben werden. Bei der Vergabe gehe es etwa um Rücklagen, die gebildet werden, um Mitarbeiter fair zu entlohnen und weiterzubilden.
In die CO2-Minimierung spielen etwa Dinge hinein, wie möglichst wenig in die Weinberge zu fahren oder sich, wenn es geht, Solarpanel anzuschaffen. „Empfohlen wird auch eine Umstellung auf Leichtglasflaschen, weil für deren Herstellung weniger CO2 verbraucht wird“, zählt Ernst Büscher auf und nennt noch einen Punkt: „Es kommt auch darauf an, wie der Wein zum Kunden kommt. So kann es nachhaltiger sein, den Wein zu verschicken, als ihn etwa selbst bis nach Hamburg auszuliefern.“