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Furcht Hypnose gegen die Angst beim Zahnarzt: Mit Furcht in die Praxis

Von Bärbel Böttcher 08.09.2016, 12:27
Dr. Wolf-Rainer Krause hypnotisiert eine Patientin. Das hilft sowohl gegen die Angst als auch gegen Schmerzen.
Dr. Wolf-Rainer Krause hypnotisiert eine Patientin. Das hilft sowohl gegen die Angst als auch gegen Schmerzen. Andreas Stedtler

Halle (Saale) - Es ist ein mulmiges Gefühl, das viele beschleicht, wenn der nächste Besuch beim Zahnarzt ansteht. Ein Gefühl, das umso stärker ist, wenn es nicht nur um Prophylaxe geht, sondern Schmerzen im Spiel sind. Meist werden da aber - zumindest vor der Behandlung - die Zähne zusammengebissen.

Gang in die Zahnarztpraxis wird zum unüberwindlichen Problem

Doch es gibt Menschen, für die wird der Gang in die Zahnarztpraxis zu einem fast unüberwindlichen Problem. Einige sehen einen Ausweg darin, sich unter Vollnarkose behandeln zu lassen. Andere gehen gleich gar nicht mehr zum Zahnarzt. „Zahnbehandlungsangst ist ein durch die Weltgesundheitsorganisation anerkanntes Krankheitsbild“, sagt Dr. Wolf-Rainer Krause, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Harzklinikum in Blankenburg. Menschen, die darunter leiden, haben nicht nur extrem schlechte Zähne und viele Lücken. „Sie sind nicht mehr in der Lage, richtig zu essen, was zu körperlichen Folgeerkrankungen führen kann“, betont der Arzt. Hinzu komme die soziale Isolation. Denn die Betroffenen könnten auch nicht mehr richtig sprechen. Deshalb trauten sie sich gar nicht mehr, den Mund aufzumachen.

„Für diese Patienten kann die zahnärztliche Hypnose eine Lösung ihres Problems bringen“, sagt Krause. Denn mit ihr könnten sowohl Angst als auch Schmerzen gut bekämpft werden.

Wie funktioniert Hypnose?

Das Wort Hypnose stammt übrigens aus dem Griechischen. In der griechischen Mythologie war Hypnos der Gott des Schlafes. Durch die Hypnose, so erklärt Krause, werden die Patienten in einen veränderten Bewusstseinszustand versetzt - eben die hypnotische Trance. Sie sind dann tiefenentspannt. Der Psychiater vergleicht das mit Alltagsphänomenen - etwa mit dem Lesen eines fesselnden Buches oder dem Anhören eines berührenden Musikstückes. Alles was ringsherum passiert, nimmt der Betreffende gar nicht wahr. Ähnlich sei das bei der zahnärztlichen Hypnose. Da werde die Behandlungssituation ausgeblendet, so dass der Schmerz vermindert oder überhaupt nicht mehr gespürt werde. Außerdem sei der Patient dann für Suggestionen empfänglich. Dazu gibt es verschiedene Techniken.

„Die zahnärztliche Hypnose ist nicht an einem Nachmittag zu erlernen“

Wie das funktionieren kann, demonstriert Krause an einer Patientin, die es sich vor ihm auf einer Liege bequem gemacht hat. Er suggeriert der Frau mit ruhiger Stimme, dass ihr rechter Arm ganz leicht wird, dass über dem Arm Luftballons schweben, die ihn an dünnen Fäden nach oben ziehen. Tatsächlich geht ihr der Arm in die Höhe. Die Patientin, die sich schon in Trance befindet, zählt auf, welche Farben die Ballons haben, die sie vor ihrem inneren Auge sieht.

Krause kombiniert diese Armbewegung mit dem Gebiet, das schmerzfrei sein soll, also in dem der Zahnarzt arbeiten will. Das heißt, er suggeriert der Patientin beispielsweise zugleich, je höher der rechte Arm steigt, desto geringer sind die Schmerzen im linken Unterkiefer. „Und wenn der Arm stehen bleibt, dann weiß der Zahnarzt, jetzt kann er anfangen“, erklärt der Mediziner. Er berichtet von einer vierstündigen Weisheitszahnbehandlung, die ein Patient auf diese Weise gut überstanden hat. „Natürlich ging während dieser Zeit der Arm immer mal wieder ein Stück in die Tiefe“, sagt Krause. Aber dann wurde dem Patienten die Sache mit den Luftballons erneut suggeriert. Und das habe gut funktioniert. Doch was hier so einfach klingt und an dem Beispiel auch sehr vereinfacht dargestellt wurde, erfordert vom Zahnarzt eine umfassende Fortbildung. „Die zahnärztliche Hypnose ist nicht an einem Nachmittag zu erlernen“, sagt Krause. Solche Fortbildungen organisieren unter anderem die Zahnärztekammern. Auch in Sachsen-Anhalt - so die Nachfrage durch die Zahnärzte besteht. Dass es die gibt, steht für den Psychiater, der selbst viele Zahnärzte auf diesem Gebiet unterrichtet hat, fest. Er verweist darauf, dass die Deutsche Gesellschaft für Zahnärztliche Hypnose 1994 mit 20 Leuten gegründet wurde. Heute hat sie bundesweit etwa 1.600 Mitglieder.

Ist der Betreffende für eine Hypnose geeignet?

Krause plädiert übrigens dafür, die Assistentinnen der Zahnärzte in die Weiterbildung einzubeziehen. Denn wenn sie, natürlich unter Aufsicht des Arztes, die Hypnose durchführten, könne sich der Arzt noch stärker auf seine Behandlung konzentrieren.

Zehn Prozent der Patienten schwer zu hypnotisieren

Der Psychiater betont, dass der Zahnarzt vor einer Hypnose genau prüfen müsse, ob der Betreffende dafür auch geeignet ist. Was sind die Ausschlussgründe? Eine absolute Voraussetzung sei, so Krause, dass sich der Patient in einem seelischen Zustand befinde, der eine Verständigung zwischen ihm und dem Arzt ermögliche. „Damit scheiden Kranke mit hochgradigen Intelligenzdefekten aus“, betont der Arzt. „Ebenso Patienten, bei denen Schizophrenie vorliegt, oder bei denen der Demenzprozess weit fortgeschritten ist.“

Insgesamt gesehen seien nur zehn Prozent der Patienten schwer zu hypnotisieren. Bei zehn Prozent gehe es dagegen sehr gut, bei 80 Prozent gut. Das treffe übrigens auch für Kinder ab der ältesten Kindergartengruppe zu. Für die gebe es allerdings einen speziell ausgebildeten Facharzt. Mitunter, so ergänzt er, komme es auch vor, dass die Kombination Hypnose plus Spritze angeboten werde. Aber das sei ausgesprochen selten notwendig.

Warum haben Menschen Angst vorm Zahnarzt?

Wer sich mithilfe einer zahnärztlichen Hypnose behandeln lassen will, der braucht übrigens keine Angst zu haben, willenlos zu sein, aufgefordert zu werden, Dinge zu tun, die er gar nicht will - so wie es in Fernseh-Shows oftmals gezeigt wird. Der Mediziner erklärt, dass die Psyche des Menschen zum einen über natürliche Schutzmechanismen verfügt, die sofort aktiviert werden, sobald der Hypnotisierte spürt, dass er manipuliert wird. Zum anderen müsse alles, was ein Arzt tue, ethisch-moralisch vertretbar sein. Das gehöre zum Selbstverständnis des Berufes. „Für Mätzchen ist da kein Platz“, betont der Arzt.

Bleibt die Frage, warum eigentlich so viele Menschen Angst vor dem Zahnarzt haben. „Bei ganz wenigen Menschen stoßen die Psychotherapeuten auf Missbrauchssituationen in der frühen Kindheit“, sagt Krause. Für diese Menschen sei jegliche Körperöffnung ein ganz schutzbedürftiger Intimbereich, den der Zahnarzt bei seiner Arbeit zwangsläufig verletzten müsse. Diese Menschen benötigten eine umfassende Psychotherapie.

Schlechte Erfahrungen beim Zahnarzt

Viel häufiger, so Krause, sei es der Fall, dass die Patienten früher einmal schlechte Erfahrungen bei einem Zahnarzt gemacht hätten oder dass ihnen andere von solchen Erfahrungen berichtet hätten. Ein paradoxes Phänomen sieht der Psychiater übrigens in dem Umstand, dass Angst vor dem Zahnarzt direkt proportional zu den Möglichkeiten einer immer schonenderen Behandlungstechnik und vor allem der Anwendung von lokalen Betäubungsmittel wächst.

Krause rät den Ängstlichen auch, prophylaktische Kurse zum Thema „Autogenes Training“ zu besuchen. Sie werden an den Volkshochschulen angeboten und die Kosten dafür von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet. Autogenes Training sei nichts weiter als Selbsthypnose. Sie helfe beim Zahnarzt und auch in anderen Bereichen des Lebens.

Welcher Arzt hypnotisiert?

Eine Studie der TU Dresden aus dem Jahr 2013 kommt zu dem Schluss, dass in den Industrieländern etwa fünf bis 15 Prozent der Erwachsenen an pathologisch hoher Zahnbehandlungsangst leiden. Die Menschen nehmen nur bei starken Schmerzen Hilfe in Anspruch. Rund drei Prozent meiden danach den Zahnarztbesuch ganz.

Die zahnärztliche Hypnose ist nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgeführt. Das heißt, der Patient bekommt die Kosten dafür nicht erstattet.

Die Deutsche Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie geht davon aus, dass eine zahnärztliche Hypnose zwischen 80 und 150 Euro kostet. Der genaue Betrag hängt von den individuellen Gegebenheiten ab.

Wie findet ein Patient einen Zahnarzt, der die Hypnose anwendet? In der Regel werben die Mediziner auf ihren privaten Internet-Seiten dafür. Hilfreich ist auch die Suche bei der Deutschen Gesellschaft für zahnärztliche Hypnose.

Die Geräusche des Bohrers oder auch die Gerüche beim Zahnarzt versetzen manche Menschen in Panik.
Die Geräusche des Bohrers oder auch die Gerüche beim Zahnarzt versetzen manche Menschen in Panik.
dpa