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Autoimmunerkrankung Zöliakie Autoimmunerkrankung Zöliakie: Heilung ausgeschlossen

Von Karen Schierhorn 14.02.2007, 10:21
Eine Glutenunverträglichkeit lässt sich nur durch lebenslange Diät unter Kontrolle halten. (Foto: dpa)
Eine Glutenunverträglichkeit lässt sich nur durch lebenslange Diät unter Kontrolle halten. (Foto: dpa) Jens Schierenbeck

Stuttgart/Leipzig/dpa. - Nach Aussage von Medizinern wissen viele Betroffene nicht, dass dieUrsache für ihre immer wiederkehrenden Beschwerden eineGlutenunverträglichkeit ist. Oft ist der Weg zur eindeutigen Diagnoselang. Steht sie fest, bedeutet das lebenslange Diät. Mit ihr ist dieKrankheit jedoch gut in den Griff zu bekommen.

Die Gefahr kommt aus dem Korn. Bei einer Unverträglichkeit desOrganismus' gegenüber dem Eiweiß Gluten, das in Gerste, Hafer,Roggen, Dinkel und Weizen vorkommt, muss der Patient lebenslang aufglutenfreie Nahrungsmittel umsteigen. Im Kindesalter heißt dieKrankheit Zöliakie, bei Erwachsenen wird meist von Sprue gesprochen.Die Ursachen für die Erkrankung sind unbekannt, meist steht eineerbliche Veranlagung dahinter.

«Aufgrund einer Schwächung der Immunabwehr wird dieDünndarmschleimhaut durchlässig für Gluten», sagt Sofia Beisel,Ernährungsberaterin bei der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft (DZG).Das Gluten macht den Darm porös, Nährstoffe können nicht mehr vomKörper aufgenommen werden. Durch den Gewichtsverlust, Durchfall,Vitamin- und Mineralstoffmangel wird der Erkrankte ständig schwächer,bei Kindern verzögert sich das Wachstum. Nach Schätzungen der DZG istin Deutschland einer von 1800 Menschen von Zöliakie betroffen.

Nach Aussage von Jörn Reckel, Facharzt für Allgemeinmedizin inAhrensburg, haben viele Menschen die Veranlagung zu Zöliakie, sindaber ohne gravierende Beschwerden. «Bei Kleinkindern dagegen zeigtsich das klassische Vollbild der Zöliakie deutlich, sie gedeihennicht mehr und man sieht ihnen deutlich an, wie schwach sie sind.»

Bei Erwachsenen ist es bis zur Diagnose oft ein langer Weg, sagtProf. Joachim Mössner, Direktor der medizinischen Klinik amUniklinikum Leipzig: «Die klassischen Sprue-Symptome sieht man beiErwachsenen kaum. Daher haben viele diese Krankheit, ohne dass sie eswissen und ohne dass es zu einer eindeutigen Diagnose kommt.» Ernst wird es, wenn zum Beispiel regelmäßig Durchfall auftritt,der einher geht mit Schwäche, Gewichts- und Leistungsabfall. «AuchKnochenschwund bei Frauen deutlich vor den Wechseljahren, kann einAnhaltspunkt für Sprue sein», sagt Prof. Mössner. «Das müssten zumBeispiel auch Orthopäden im Kopf haben und die Patientin auf einemögliche Sprue-Erkrankung untersuchen lassen.»

Die Diagnose Zöliakie bedeutet für die Betroffenen, lebenslang aufglutenhaltige Nahrungsmittel zu verzichten - Weizen, Roggen, Hafer,Gerste, Dinkel und andere Getreidesorten sind tabu. Kein Brot mehr,keine Brötchen oder Kekse. «Das ist eine einschneidende Veränderung»,sagt Sofia Beisel. Und ein Kostenfaktor.

Zwar gibt es immer mehr glutenfreie Lebensmittel in Supermärktenzu kaufen, aber diese sind teurer als herkömmliche Produkte. LautMargret Marlo, Diätassistentin aus Bocholt und Mitglied im Verein fürErnährung und Diätetik, gibt es mittlerweile viele glutenfreieVarianten von Brot und Backwaren in Apotheken, Reformhäusern und beiDirektanbietern zu kaufen. «Rund 60 bis 100 Euro pro Monat mehr mussein Zöliakie-Patient für glutenfreie Ernährung aufwenden.»

Diätfehler und -nachlässigkeiten können nach Aussage von MargretMarlo schlimme Folgen haben, wie zum Beispiel Lymphdrüsenkrebs imDünndarm. «Betroffene dürfen sich nicht der Illusion hingeben, dasssie die glutenfreie Ernährung nach der Verbesserung desGesundheitszustandes wieder aufgeben können. Es gibt keine Heilung.» Wenn die Diät strikt eingehalten wird, regeneriert sich dieDarmschleimhaut allerdings meist schnell.

Trotz der Einschränkungen lässt sich die Krankheit in den Alltagintegrieren. «Zöliakie-Kinder müssen kein Außenseiterdasein führen»,sagt Beisel. Ab einem gewissen Alter könnten sie verstehen, dass siebestimmte Lebensmittel nicht essen dürfen.

Margret Marlo rät, den psychischen Aspekt nach der Diagnose nichtzu unterschätzen: «Ein "Lebenslänglich" ist schon hart. Ärzte solltendem Patienten seine Erkrankung genau erklären und ihn ermuntern, dieDiät streng einzuhalten. Dann kann man auch mit Zöliakie ohne weiteregesundheitliche Einschränkungen und Risiken gut leben.»

Informationen: Deutsche Zöliakie-Gesellschaft, Filderhauptstraße61, 70599 Stuttgart (Tel.: 0711/459 98 10, Internet:www.dzg-online.de); Verein für Ernährung und Diätetik, RoermonderStraße 594, 52072 Aachen (Tel.: 0241/50 73 00, Internet:http://vfed.de).

SERVICE-KASTEN: So läuft die Diagnose ab

Die Diagnose erfolgt durch eine Antikörpersuche im Blut, durcheine Darmspiegelung und eine Analyse des Darmgewebes. Nach Ansichtvon Jörg Reckel, Allgemeinmediziner aus Ahrensburg bei Hamburg,sollten bei Sprue auch andere Unverträglichkeiten getestet werden.Denn die Krankheit sei oft Basis einer mikrobiologischen Störung desgesamten Organismus. «Man muss das "Leck" in der Schleimhautwandbeseitigen und die Barrierefunktion des Darms durch eineantientzündliche Therapie wieder aufbauen. Denn wenn dort erstmal eineher grobes Molekül wie das Gluten hindurch gelangt, ist sie meistoffen für andere Allergene.»