Gesellschaft Gesellschaft: Wenn Frauen fremd gehen

Berlin/Hamburg/Stuttgart/dpa. - Was Frauen aus vertraulichen Gesprächen mit Freundinnen schon lange wussten, hat jetzt die Sozialforschung bestätigt: Seitensprünge sind längst nicht mehr eine Domäne der Männer. Vier von zehn Frauen sind während einer festen Beziehung schon ein oder mehrmals fremdgegangen oder tun dies noch immer. Männer sind allerdings mit einer Quote von 51 Prozent noch etwas untreuer, so das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Gewis-Instituts in Hamburg.
Manche Psychologen empfehlen die Affäre nicht für sich zu behalten, sondern mit dem Partner darüber zu sprechen. Steht jedoch nur ein Augenblick des Leichtsinns hinter der Eskapade, sollte man den Fehltritt besser für sich behalten, rät die Psychologin und Scheidungsexpertin Toni Singer aus Frankfurt.
«Die Gründe, warum sich Frauen in außereheliche Beziehungen stürzen, sind vielfältig», sagt die Psychologin Konstanze Fakih aus Berlin. «Viele wollen sich einfach mal fallen und verwöhnen lassen.» Manche wollten sich auch ihre Freiheit beweisen und sich das gleiche Recht herausnehmen wie Männer. «Viele holen sich beim Geliebten aber auch das, was sie in ihrer Partnerschaft vermissen: Zärtlichkeit, Aufmerksamkeit und Bewunderung.»
«Ein Mann sucht bei seiner Geliebten oft Selbstbestätigung», erläutert der Hamburger Paartherapeut Michael Cöllen. «Er will sich selbst beweisen, dass er beim anderen Geschlecht noch gute Chancen hat.» Außerdem gehe es meist auch um Triebbefriedigung. Frauen hingegen setzen Affären seiner Erfahrung nach auch als Mittel ein, um sich zu rächen, wenn sie sich vom Partner verletzt fühlen.
Doch nicht selten entwickeln Frauen in einer Affäre auch tiefer gehende Gefühle, so Cöllen weiter. Sie hätten beim Sex das Gefühl, viel von sich zu geben. «Und wenn sie erstmal viel von sich gegeben haben, wollen sie gern auch bleiben.»
Meist genießen Frauen das Fremdgehen eher als stilles Vergnügen. «Während Männer mit ihrer Liebschaft gern im Kollegenkreis angeben, hängen Frauen ihre Eroberung meist nicht an die große Glocke», sagt Konstanze Fakih. Für die Psychologin gehören treue Paare inzwischen zur Ausnahme. Viele handelten nach dem Motto «Wenn ich etwas haben will, dann nehme ich es mir auch».
Dennoch steht parallel zur Gesellschaftsfähigkeit des Seitensprungs die Treue nach wie vor hoch im Kurs. «Gerade junge Menschen legen wieder mehr Wert auf Treue und Ehrlichkeit», sagt Dietmar G. Luchmann vom Institut für Psychotherapie in Stuttgart. Das bestätigt auch eine Umfrage, des Meinungsforschungsinstituts Emnid in Bielefeld. Für 98 Prozent der 20- bis 29-Jährigen ist danach Treue «wichtig» oder «sehr wichtig».
«Ältere Frauen, die in langjährigen Partnerschaften leben, sind dagegen viel abgeklärter», sagt Luchmann. «Deshalb erliegen sie schneller der Versuchung, mit einem anderen Mann ins Bett zu gehen, als Jüngere.» Allerdings sind ältere Frauen bei ihrem Seitensprung vorsichtiger als ihre jüngeren Geschlechtsgenossinnen. «Sie achten viel mehr darauf, dass nichts rauskommt. Schließlich setzen sie dabei einiges aufs Spiel - ihre Ehe, die Kinder und einen gewissen Lebensstandard», erklärt der Psychologe.
Luchmann hält nichts von Lügen und Heimlichkeiten in der Beziehung. Er rät fremdgehenden Frauen, ihrem Partner den Seitensprung zu beichten: «Ihre Untreue belastet die Partnerschaft. Und davon ist auch der Betrogene betroffen», sagt der Experte. Wenn der Partner nichts wisse, könne er auch nicht gegensteuern. «Mit Gesprächen können Sie die Partnerschaft überdenken und verbessern», sagt auch Therapeut Cöllen.
Allerdings riskiert eine Frau, die eine Affäre beichtet, nicht nur heftigen Streit oder sogar einen Gewaltausbruch des Partners, sie riskiert auch ihre Beziehung: Mehr als die Hälfte aller Betrogenen, würden Untreue nicht verzeihen und sich trennen, so das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Inra-Instituts in Mölln bei Hamburg. Vier von zehn Betrogenen möchten von einem Seitensprung denn auch lieber nichts wissen, so ein weiteres Ergebnis der Studie.
Psychologin Singer rät allen, die ihr Herz erleichtern möchten, zunächst mit einem vertrauten Menschen zu sprechen. Das kann die Freundin sein oder ein professioneller Therapeut. «In einem solchen Gespräch kann man klären, warum es dazu kam. Ist es beispielsweise unter Alkoholeinfluss passiert oder kriselt es in der Beziehung schon länger? Sucht man also im Grunde nach einem neuen Partner?» Wenn hinter der Affäre tief gehende Unzufriedenheit und Sehnsucht steht, sollte mit dem Partner gesprochen werden. «Sonst passiert es immer wieder.»